Diese Beobachtung führt zum ersten Problemkreis: Wie gestalten sich die Einkommensverhältnisse und sozialrechtlichen Abhängigkeiten bei einer intakten Familie und welche Veränderungen ergeben sich im Fall einer Trennung?
Als Beispiel dient eine vierköpfige Familie mit einem Alleinverdiener und zwei noch kleineren Kindern sowie einem Bruttoeinkommen von 2.400 EUR.
Die Bedeutung des Sozialrechts für Familien kann gar nicht überschätzt werden. Förderung und Unterstützung vollzieht sich faktisch nur über soziale Mittel. Hierzu gehören die Realleistungen vom Kindergarten über die Schule bis hin zu Freizeitangeboten ebenso wie die zahlreichen Sozialeinkommen (Kindergeld, Kinderzuschlag, Wohngeld, BAföG, Elterngeld, Unterhaltsvorschuss usw.). Die finanzielle Unterstützung wirkt zwar weniger zielgenau und manchmal auch kontraproduktiv. Insbesondere Kindergeld und Wohngeld sind jedoch für viele Familien ein unverzichtbarer Bestandteil des Einkommens, um ein Abgleiten in die Armut zu vermeiden. Hingegen leisten steuerliche Maßnahmen kaum einmal einen Beitrag zur Familienförderung. Nach einer Zusammenstellung des Familienministeriums gibt es nahezu 150 familienbezogene Leistungen. Von den mit rund 45 Milliarden Euro ausgewiesenen steuerlichen Effekten beruht der überwiegende Anteil auf steuersystematisch notwendigen Freibeträgen und Abzügen. Die steuerliche Entlastung bei zwangsläufigen Aufwendungen für den Unterhalt ist nun einmal keine Förderung der Familie, sondern folgt aus dem Gebot steuerlicher Gleichbehandlung. Man muss sich ohnehin vor Augen führen, dass nennenswerte steuerliche Effekte erst bei einem entsprechend hohen zu versteuernden Einkommen wirksam werden. Bei prekären Einkommensverhältnissen sind alle steuerlichen Maßnahmen zur Familienförderung schlicht wirkungslos.
In dem gewählten Beispiel stellen sich die Einkommensverhältnisse wie folgt dar:
Der Bruttoverdienst ist mit 93 EUR Lohnsteuer und 485 EUR Sozialabgaben belastet. Diese Abgaben haben Vorrang vor privaten Unterhaltspflichten. Sie dienen der Finanzierung des öffentlichen Sektors. Die Beiträge zur Sozialversicherung sind vom Familienstand und der Zahl der Kinder unabhängig. Der Abzug bei der Lohnsteuer erfolgt, weil die Kinderfreibeträge nicht in die Tabelle eingearbeitet sind. Die steuerliche Belastung wird durch das im selben Monat gezahlte Kindergeld rückgängig gemacht. Kindergeld und Wohngeld haben aber noch eine weitere Funktion, die in der Regel nicht wahrgenommen wird: Sie kompensieren teilweise – bisweilen auch vollständig – die Belastung durch die Sozialabgaben. Auf diese Weise vermeiden unterstützende Sozialleistungen bei zahlreichen Familien die Abhängigkeit von aufstockendem ALG II bzw. von der Sozialhilfe. Eine Förderung der Familie setzt hingegen erst ein, wenn das Haushaltseinkommen den Betrag überschreitet, der ohnehin durch die existenzsichernden Leistungen wie den Kinderzuschlag nach § 6a BKGG oder aufstockende Leistungen nach dem SGB II zur Verfügung gestanden hätte. Im vorliegenden Beispiel beträgt der "Förderanteil" daher nur 6 EUR im Monat. Jede weitere sozialrechtlich relevante Belastung – höhere Regelleistungen für Kinder, der Bedarf für Klassenfahrten oder steigende Sozialabgaben – begründet einen Anspruch auf Zuschlag zum Kindergeld. Solche Formen der Unterstützung werden von den Betroffenen zwar als weniger diskriminierend empfunden. Unabhängig von der sozialrechtlichen Einordnung handelt es sich in der Sache gleichwohl um existenzsichernde Transferzahlungen. Bei höheren Einkommen wirkt sich hingegen die steuerlich gebotene Entlastung über den Kinderfreibetrag aus. Damit fällt der Förderanteil im Kindergeld weitaus geringer aus, als gemeinhin angenommen. Dieser Förderanteil ist für Alleinerziehende noch sehr viel niedriger, da bei diesen die Besteuerung früher einsetzt und die höhere Steuerbelastung des Grundtarifs maßgeblich ist.
Zusammenfassend ist für den Beispielsfall festzustellen, dass das erzielte Nettoeinkommen erst zusammen mit zwei weiteren Sozialeinkommen genügt, um die Familie vor einer direkten Unterstützung durch aufstockende Sozialleistungen zu bewahren.
Mit der Trennung erhöht sich der allgemeine Lebensbedarf, weil die für den Haushaltsverband typischen Synergieeffekte entfallen. Der Familienstand hat auf die Höhe der Sozialversicherungsbeiträge keinen Einfluss. Ab Beginn des auf die Trennung folgenden Kalenderjahres steigt die Steuerlast, weil die Besteuerung jetzt nach dem Grundtarif (LStKl. I) vorzunehmen ist. Der Wegfall des Splittingeffekts ist die Folge der nunmehr aufgehobenen Wirtschaftsgemeinschaft und hat unmittelbar nichts mit dem Kindesunterhalt zu tun. Für die unterhaltsrechtliche Beurteilung durchaus relevant ist jedoch, dass sich der Kinderfreibetrag nicht mehr beim Lohnsteuerabzug auswirkt. Vielmehr erfolgt eine Verrechnung mit dem Anspruch auf Kindergeld (§ 31 S. 4 EStG). Ließe es das Gesetz hingegen zu, die Kinderfreibeträge für das sächliche Existenzminimum dem Elternteil zuzuordn...