Die Beistandschaft des Jugendamtes ist ein freiwilliges Angebot des Staates zur Hilfe in Unterhaltsangelegenheiten und zur Feststellung der Vaterschaft. Sie ist aus der früheren Amtspflegschaft für nichteheliche Kinder hervorgegangen, steht aber jetzt für alle Kinder offen und betont den Grundsatz der Freiwilligkeit. Gemäß § 1712 Abs. 1 Nr. 2 BGB wird das Jugendamt auf schriftlichen Antrag eines Elternteils Beistand des Kindes namentlich für die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen. Nach § 1713 Abs. 1 S. 2 BGB kann der Antrag von dem Elternteil gestellt werden, in dessen Obhut sich das Kind befindet, wenn die elterliche Sorge für das Kind den Eltern gemeinsam zusteht. Da Entscheidungen für das Kind betroffen sind, mithin sorgerechtlich bedeutsame Handlungen vorgenommen werden, musste das Gesetz eine Lösung für Kollisionen zwischen den Eltern und dem Beistand finden. In § 234 FamFG ist dazu der Grundsatz enthalten, dass in gerichtlichen Verfahren, in denen das Jugendamt das Kind vertritt, eine Vertretung durch den Elternteil ausgeschlossen ist. Das Jugendamt wird als gesetzlicher Vertreter tätig (§ 1716 S. 2 in Verbindung mit § 1915 Abs. 1 S. 1 und § 1793 Abs. 1 S. 1 BGB).
Streitig war nun in der Literatur, welche Auswirkung das auf die Fälle hat, in denen gemäß § 1629 Abs. 3 BGB eine Prozessstandschaft für die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen des Kindes gegen den anderen Elternteil angeordnet ist.
Gemäß § 1629 Abs. 3 S. 1 BGB kann ein Elternteil, solange die verheirateten Eltern getrennt leben oder eine Ehesache zwischen ihnen anhängig ist, Unterhaltsansprüche des Kindes gegen den anderen Elternteil nur im eigenen Namen geltend machen. Hintergrund ist der Wunsch, das Kind aus den Streitigkeiten der Eltern herauszuhalten. Deshalb hatte eine Meinung vertreten, dass das Kind auch nicht durch den Beistand vertreten den Unterhaltsanspruch selbst geltend machen dürfe. Dagegen hatte die überwiegende Meinung die Vertretung durch das Jugendamt für zulässig gehalten. Der BGH hat diese Meinung für zutreffend erachtet. Zur Begründung hat der BGH das Gesetz zunächst wörtlich ausgelegt und konnte dem Wortlaut des § 1713 Abs. 1 S. 2 BGB für die Berechtigung zur Antragstellung zur Beistandschaft keinen Ausschluss verheirateter Elternteile entnehmen, ebenso wenig wie § 1629 Abs. 3 S. 1 BGB ausdrücklich das Jugendamt von der gesetzlichen Vertretung des Kindes im Unterhaltsverfahren ausschließt, sondern nur die Eltern. Zu gleichem Ergebnis kommt die teleologische Auslegung: Der Sinn, das Kind aus dem Streit der Eltern herauszuhalten, wird gerade durch das Jugendamt als Beistand eher gewährleistet, als durch die letztendlich eher formale Differenzierung zwischen gesetzlicher Vertretung und Prozessstandschaft. Soweit ist dem BGH in vollem Umfang beizupflichten. Mit dem einzigen Problem, welches sich tatsächlich durch die Differenzierung ergibt, hatte sich der BGH nicht zu befassen. Es ergeben sich Unterschiede bei der Kostenhaftung und bei der Verfahrenskostenhilfe. Bei der Prozessstandschaft haftet der Prozessstandschafter für die Kosten, trägt mithin das volle Risiko. Auch bei der Prozesskostenhilfe kommt es auf die Verhältnisse des Elternteiles an, nicht auf die des Kindes. Anders bei der gesetzlichen Vertretung, hier kommt es auf die Verhältnisse des Kindes an. Allerdings muss man dabei beachten, dass dem Kind auch ein Prozesskostenvorschussanspruch aus § 1360a Abs. 4 BGB zustehen kann, so dass im Ergebnis auch wieder die Verhältnisse des Elternteiles maßgeblich sind. Aber das Kostenrisiko trifft das Kind, so dass hier ein kleiner Unterschied gegenüber der kostenrechtlich günstigeren Prozessstandschaft besteht. Das ist aber keine Erwägung, die bei der Auslegung von § 1629 Abs. 3 BGB eine Rolle spielt. Eine Vertretung durch das Jugendamt als Beistand ist also für alle Kinder möglich, unabhängig davon, ob ihre Eltern verheiratet sind, waren oder nie waren. Maßgeblich ist nur, dass die Eltern getrennt sind und ein Elternteil das Kind in Obhut hat.
Almuth Zempel, Rechtsanwältin, Fachanwältin für Familienrecht und Dipl. Rechtspflegerin (FH), Saarbrücken
FF 4/2015, S. 168 - 171