Aber selbst bei unterstellter Zulässigkeit der Übertragung der Alleinentscheidungsbefugnis über die Geltendmachung eines Unterhaltsanspruchs des Kindes nach § 1628 BGB wäre das Erfordernis eines Ergänzungspflegers nicht gänzlich umschifft. Nach § 1796 BGB, der über § 1629 Abs. 2 S. 3 BGB auch für sorgeberechtigte Eltern gilt, kann diesen die Vertretungsmacht für einzelne Angelegenheiten oder einen bestimmten Kreis von Angelegenheiten entzogen werden, wenn ein erheblicher Interessengegensatz besteht. Völlig unabhängig davon, wie der Unterhalt im Fall eines praktizierten Wechselmodells tatsächlich zu berechnen ist, ist davon auszugehen, dass – ähnlich wie bei volljährigen Kindern – eine anteilige Barunterhaltspflicht beider Elternteile besteht. Zwar genügt zum Entzug der Vertretungsmacht nach § 1796 BGB die bloße Möglichkeit eines Interessenwiderstreits nicht, dieser muss vielmehr konkret festgestellt werden. Im Fall der Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen eines Kindes bei gelebtem Wechselmodell durch einen Elternteil gegenüber dem anderen Elternteil drängt sich der Interessenwiderstreit aber geradezu auf, da die Erhöhung des Haftungsanteils des Antragsgegners unmittelbar zur Herabsetzung des Haftungsanteils des das Kind nach §§ 1629 Abs. 1 S. 2, 1628 BGB alleinvertretenden anderen Elternteils führt. Zwar ist ein solcher Interessenwiderstreit dem Grunde nach auch im Regelfall des § 1629 Abs. 2 S. 2 BGB denkbar, wenn etwa der Obhutselternteil über ein deutlich höheres Einkommen als der andere Elternteil verfügt und deshalb (sei es über § 1603 Abs. 2 S. 3 BGB oder auch direkt im Rahmen von § 1606 Abs. 3 BGB) am Barunterhalt beteiligt werden soll. Dies ändert aber nichts am gefundenen Ergebnis: Im Gegensatz zu § 1795 BGB, in dem der Vertretungsausschluss von Gesetzes wegen erfolgt, ist der Interessenwiderstreit bei § 1796 BGB im Einzelfall zu prüfen. Ein solcher Interessenwiderstreit kann bei einer Mithaftung wegen erheblicher höherer Einkünfte des Betreuenden im Einzelfall unter Umständen anzunehmen sein und zum Vertretungsausschluss führen. Im Fall der anteiligen Barunterhaltspflicht, in der sich die Erhöhung des Haftungsanteils des einen Elternteils unmittelbar zugunsten des Haftungsanteils des anderen Elternteils auswirkt, wird der Interessenkonflikt hingegen nur im Einzelfall ausgeschlossen werden können.
Fazit: § 1628 BGB bietet keine Lösung für die Vertretung des Kindes, das von seinen Eltern im Wechselmodell betreut wird, die aber über den Unterhalt uneins sind. Selbst wenn eine Übertragung der Alleinentscheidungsbefugnis nach § 1628 BGB in Betracht käme, wäre danach gleichwohl in aller Regel wegen des Bestehens einer Interessenkollision bei dem nunmehr alleinentscheidungsbefugten Elternteil ein Ergänzungspfleger zu bestellen. Nachdem § 1628 BGB allerdings Eingang in zwei in diesem Kontext wesentliche Entscheidungen des BGH gefunden hat, wäre es wünschenswert, wenn unnötige Auseinandersetzungen hierüber möglichst bald durch ein eindeutiges Wort aus Karlsruhe obsolet würden. Dass damit nur ein Teilaspekt im weiten Umfeld des "Wechselmodells" geklärt wäre, macht die Sache aus der Sicht der Praxis nicht weniger bedeutsam.
Autor: Dr. Isabell Götz , Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht, München
FF 4/2015, S. 146 - 149