Leitsatz (amtlich)
Im Fall des Wechselmodells ist die Übertragung der Entscheidungsbefugnis zur Geltendmachung von Kindesunterhalt auf einen Elternteil gemäß § 1628 BGB vorzugswürdig gegenüber der Einsetzung eines Ergänzungspflegers, weil damit auch die Entscheidungsbefugnis über das Ob der Einleitung eines Unterhaltsverfahrens geklärt wird.
Der Einsatz eines Ergänzungspflegers ist im Regelfall auch nicht erforderlich, um einen konkreten Interessenkonflikt zu vermeiden (§ 1796 BGB); regelmäßig liegt nur ein abstrakter Interessengegensatz vor wie auch in allen anderen Fällen, in denen ein Haftungsanteil der Elternteile zu bilden ist (z.B. beim Mehrbedarf eines Kindes), oder wenn gleichzeitig Trennungsunterhalt begehrt wird.
Normenkette
BGB § 1606 Abs. 3, §§ 1628, 1629 Abs. 2 S. 2, Abs. 3, §§ 1795-1796
Verfahrensgang
AG Fürth (Beschluss vom 27.07.2016; Aktenzeichen 4 F 461/15 EASO) |
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Der Beschwerdewert wird auf 1.500,- EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die minderjährigen Beteiligten zu 1) und 2) sind aus der geschiedenen Ehe der Beteiligten zu 3) und 4) hervorgegangen. Die gemeinsam sorgeberechtigten Eltern betreuen die Kinder zu gleichen Teilen. Zwischen ihnen besteht Dissens, ob die bisherigen Unterhaltszahlungen des Beteiligten zu 3) ausreichend sind. Mit der angefochtenen Entscheidung hat das AG der Beteiligten zu 4) auf ihren Antrag im Wege der einstweiligen Anordnung die Entscheidung über die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen für die beiden Kinder allein übertragen. Hiergegen wendet sich der Beteiligte zu 3) mit der Beschwerde. Da auch die Mutter zum Barunterhalt herangezogen werden könne, liege eine Interessenkollision vor, die die Einsetzung eines Ergänzungspflegers gebiete.
II. Die gemäß § 57 S. 2 Nr. 1 i.V.m. § 58 ff FamFG zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist nicht begründet.
1. Wenn Eltern wie im vorliegenden Fall die Sorge für ihre Kinder gemeinsam zusteht, sind sie gemäß § 1629 Abs. 1 S. 1 BGB auch gemeinsam zur Vertretung der Kinder bei der Geltendmachung von Ansprüchen befugt (§ 1629 Abs. 1 S. 1 BGB). Daher liegt im Fall der Geltendmachung von Kindesunterhalt den gesetzlichen Regelungen über die Vertretung des Kindes in Unterhaltsverfahren die Vorstellung der alleinigen Betreuung des Kindes durch einen Elternteil und die in § 1606 Abs. 3 S. 2 BGB vorgesehene Barunterhaltspflicht des nicht betreuenden Elternteils zugrunde. Dem entspricht § 1629 Abs. 2 S. 2 BGB, der vorsieht, dass der Obhutselternteil auch bei gemeinsamer elterlicher Sorge befugt ist, das Kind bei der Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen gegen den anderen allein zu vertreten. Wie das AG zutreffend ausführt, ist bei gemeinsamer elterlicher Sorge in Fällen des paritätischen Wechselmodells aber kein Elternteil befugt, in alleiniger Vertretung des Kindes dessen Unterhaltsanspruch gegen den anderen Elternteil geltend zu machen, denn in diesen Fällen betreuen beide das Kind und eine alleinige Ohhut i.S.d. § 1629 Abs. 2 S. 2 BGB besteht nicht (BGH, FamRZ 2006, S. 1015, Rn. 9; BGH FamRZ 2014, S. 917, Rn. 16). Im Grundsatz müsste dann das Kind vertreten durch beide Elternteile auf der einen Seite seinen Unterhaltsanspruch gegen einen der vertretenden Elternteile auf der anderen Seite geltend machen. Praktisch würde das regelmäßig am Widerstand des Elternteils scheitern, von dem Unterhalt beansprucht werden soll. Es ergeben sich aber auch rechtliche Hindernisse. Bei (noch) verheirateten Eltern besteht grundsätzlich ein Vertretungsverbot, weil es Eltern ebenso wie Vormündern gemäß § 1629 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 1795 Abs. 1 Nr. 3 BGB untersagt ist, als Vertreter des Kindes gerichtliche Verfahren gegen ihren Ehegatten zu führen (OLG Hamburg, FamRZ 2015, S. 859, Rn. 3 juris; Beschluss des Senats vom 12.7.2016, 6 UF 60/16). Wenn die Eltern wie vorliegend geschieden sind, können sie das Kind wegen des sich aus § 1629 Abs. 2 S. 1, § 1795 Abs. 2 und § 181 BGB ergebenden Verbots der In-Sich-Vertretung im Rechtstreit nicht gemeinsam bei der Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen gegen einen von ihnen vertreten.
2. Der Bundesgerichtshof hat in zwei Entscheidungen in Fällen geschiedener Eltern in nicht tragenden Teilen der Gründe:ohne nähere Erläuterung ausgeführt, bei gleichmäßiger Betreuung eines Kindes gemeinsam sorgeberechtigter Eltern müsse der Elternteil, der den anderen für barunterhaltspflichtig hält, entweder die Bestellung eines Pflegers für das Kind herbeiführen, der dieses bei der Geltendmachung seines Unterhaltsanspruchs vertritt, oder der Elternteil müsse beim Familiengericht beantragen, ihm gemäß § 1628 BGB die Entscheidung zur Geltendmachung von Kindesunterhalt allein zu übertragen (BGH, FamRZ 2014, S. 917, Rn. 16; BGH, FamRZ 2006, S. 1015, Rn. 9). Diese Ausführungen sind in der Literatur weitgehend unhinterfragt übernommen worden (Erman-Döll, 14. Aufl., Rn. 19a zu § 1629 BGB; Hamdan in juris-PK, Rn....