Der Erwerb und die Voraussetzungen zur Beibehaltung des Fachanwaltstitels stehen immer wieder auf dem Prüfstand.

Um hier zur Diskussion und zu praxisnahen Ergebnissen beizutragen, entschloss sich die AG Familienrecht im vergangenen Jahr, ihre alljährliche Mitgliederumfrage 2011 unter das Thema Fachanwaltschaft zu stellen.

Das Ziel, zu repräsentativen Ergebnissen zu gelangen und nicht nur die Meinungen einiger weniger Vertreter der Anwaltschaft zu sammeln, wurde erreicht.

Von den zum damaligen Zeitpunkt 6.850 Mitgliedern der AG Familienrecht, Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte in ganz Deutschland, nahmen 31,8 % die Möglichkeit wahr, ihre Sicht der Dinge und ihre Erfahrungen einzubringen.

79,2 % der teilnehmenden Kolleginnen und Kollegen, die – wie das Schaubild zeigt – aus allen 24 OLG-Bezirken stammen, besitzen den Fachanwalt für Familienrecht.

Ein annähernd gleicher Prozentsatz, nämlich 79,8 % spricht sich dafür aus, den Nachweis der praktischen Erfahrungen zur Erlangung des Fachanwaltstitels über Falllisten zu führen.

Befragt nach der Höhe der Fallzahl, ergibt sich ein differenziertes Bild.

Während 69 % der Teilnehmer für die Beibehaltung der Fallzahl von 120 plädieren, wünschen sich 15 % eine Anhebung der Fallzahl auf 140–200 Fälle. Dem stehen 16 % der Befragten gegenüber, die eine Absenkung bevorzugen, wobei ein Mittelwert von 80 Fällen errechnet werden kann.

Interessant ist hierbei, dass das Verhältnis zwischen außergerichtlichen und gerichtlichen Verfahren beibehalten werden soll. Auch bei Herauf- oder Herabsetzung der Fallzahl soll die Hälfte der dokumentierten Fälle gerichtliche Verfahren sein.

Der Nachweis der theoretischen Kenntnisse durch Teilnahme an Lehrgängen mit Klausuren hat sich nach Auffassung der überwiegenden Mehrheit bewährt.

Soweit 21 % das derzeitige System für verbesserungsbedürftig halten, liegt der Schwerpunkt der Verbesserungsvorschläge auf einer künftigen Zertifizierung des Fachanwaltskurses des jeweiligen Anbieters.

Das in der öffentlichen Diskussion stark umstrittene so genannte Zentralabitur, also die zentrale Erstellung der Prüfungsaufgaben bzw. Klausuren wird zwar im Rahmen der 114 detailliert ausformulierten, anderweitigen Verbesserungsvorschläge angesprochen, stellt dort aber nur knapp die Hälfte der Diskussionsbeiträge dar.

Der Fragenkomplex, der sich mit den Voraussetzungen für die Beibehaltung des Fachanwaltstitels befasste, führte zu überraschenden Ergebnissen.

Erwartungsgemäß hält zunächst die Mehrheit der befragten die derzeit geltende Anzahl von mindestens 10 Zeitstunden pro Jahr als Fortbildungsnachweis für ausreichend.

Immerhin 25,2 % sprechen sich aber für eine Anhebung der Mindeststundenzahl aus.

Die Vorschläge konzentrieren sich hier auf zukünftig 15 (36,5 %) bzw. 20 (48,9 %) Zeitstunden.

Bei der Frage, ob weitere Fortbildungsmöglichkeiten, beispielsweise Online-Seminare, zugelassen werden sollten, fand sich keine klare Mehrheit.

Hier optieren die Teilnehmer mit 46,6 % für Ja bzw. 53,4 % für Nein.

Von den Autoren der Umfrage wurde die Idee in den Raum gestellt, zur Beibehaltung des Fachanwaltstitels auch einen regelmäßigen Nachweis für praktische Erfahrungen zu fordern.

Immerhin knapp 1/3 der Teilnehmer kann sich mit dieser Überlegung anfreunden.

Den Befürwortern einer derartigen Neuregelung wurde Gelegenheit gegeben, sowohl die Fallzahl für die geforderten praktischen Nachweise als auch den Zeitraum zu benennen, innerhalb dessen diese Fallzahl erreicht werden soll.

Insgesamt 49 verschiedene Kombinationen an nachzuweisenden Fällen und Zeiträumen standen zur Verfügung.

Die Top 10 der Nennungen sind dem Schaubild zu entnehmen, weitere 32 % verblieben für andere Kombinationen.

Zusammenfassend bevorzugen rund 70 % der Befragten einen Nachweiszeitraum von einem Jahr, die Fallzahl liegt schwerpunktmäßig zwischen 20 und 50 Fällen.

Von der Möglichkeit, die Umfrage um eigene Anmerkungen zum Thema Fachanwaltschaft zu ergänzen, machten nicht weniger als 277 Teilnehmer Gebrauch.

Die Antworten reichen von näheren Erläuterungen zur gewünschten Fallzahl und der Art des Nachweises der theoretischen Kenntnisse bis zu speziellen, neuen Vorschlägen. Beispielsweise wird angeregt, die Fortbildungsnachweise für die Beibehaltung des Fachanwaltstitels um eine verpflichtende Teilnahme an einer Supervisionsgruppe zu ergänzen.

Die Umfrage, deren Ergebnisse demnächst auf der Homepage der AG Familienrecht www.familienanwaelte-dav.de abrufbar sein werden, hat bestätigt, dass auch aus der Sicht der Praktiker nach wie vor Diskussions- und Verbesserungsbedarf besteht.

Autor: Dr. Eva Niebergall-Walter

Dr. Eva Niebergall-Walter, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Familienrecht, Kaiserslautern

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