§ 27 VersAusglG kommt ebenfalls in Betracht, wenn sich ein Ehegatte ein Anrecht abfinden lässt und ein Ausgleich in einem anderen System (Zugewinnausgleich oder Unterhalt) nicht möglich ist.
In den vorstehend unter a) bis c) aufgeführten Fällen hat der BGH eine Verrechnung der Kapitalwerte für zulässig erachtet dergestalt, dass der vom Wertverzehr erfasste oder vom Ausgleichspflichtigen vereitelte Betrag bei dem Gegenanrecht vom Ausgleich ausgenommen wird. Dies gilt grundsätzlich ungeachtet des Hinweises in § 47 Abs. 6 VersAusglG, dass korrespondierende Kapitalwerte nicht uneingeschränkt vergleichbar sind.
Keine Härtefälle sind dagegen der Wegfall des Rentner- und Pensionistenprivilegs, der auf einer bewussten gesetzgeberischen Entscheidung zum Schutz der Versichertengemeinschaft beruht und daher nicht durch die Anwendung des § 27 VersAusglG unterlaufen werden darf. Dies gilt jedenfalls, wenn nicht zusätzliche Umstände hinzukommen.
Ebenso stellt die Nichtberücksichtigung des Zugangsfaktors bei der gesetzlichen Rentenversicherung keinen Härtegrund dar, da nach dem neuen VA-Recht die in der Ehezeit erworbenen Entgeltpunkte geteilt werden. Bei vorzeitigem Rentenbezug führt der Zugangsfaktor jedoch zu einem Versorgungsabschlag von 3,6 % jährlich. Die Teilung der Entgeltpunkte bewirkt in diesem Fall, dass dem Ausgleichspflichtigen weniger als die Hälfte seiner Rente verbleibt. Allerdings steht dem ein längerer Rentenbezug gegenüber. Wird die Rente nach Ehezeitende vorzeitig in Anspruch genommen, handelt es sich um eine individuelle Entscheidung des Ausgleichspflichtigen, die nach § 5 Abs. 2 S. 2 VersAusglG bei der Bewertung des Anrechts nicht berücksichtigt wird. Dies gilt grundsätzlich auch für den Fall, dass die Rente bereits während der Ehezeit vorzeitig gezahlt wurde. Eine Korrektur aus Billigkeitsgründen kommt nur dann in Betracht, wenn der vorzeitige Rentenbezug auf einer gemeinsamen Entscheidung der Ehegatten beruht, der Ehegatte wegen fehlender Unterhaltszahlung auf den vorzeitigen Bezug der Rente angewiesen ist oder der andere an dieser Rente unterhaltsrechtlich beteiligt wird.
Bei der Beamtenversorgung wird dagegen bei der Teilung auf den effektiven Zahlbetrag der Versorgung abgestellt. Daher werden auch Versorgungsabschläge wegen vorzeitigen Bezugs der Pension im VA berücksichtigt. Geht der Beamte allerdings erst nach Ehezeitende in den Ruhestand, so stellt die dadurch bedingte Minderung der Versorgung keine nach § 5 Abs. 2 S. 2 VersAusglG zu berücksichtigende Wertänderung dar. Im Einzelfall kann aber eine Korrektur aus Billigkeitsgründen geboten sein, z.B. wenn der Ehegatte auf den vorzeitigen Bezug der Pension angewiesen ist oder der andere Ehegatte über den Unterhalt davon profitiert.
Die von der Rechtsprechung herausgearbeiteten Fallgruppen stellen jedoch nur Regelbeispiele dar. Härtegründe können auch bei einer Vielzahl anderer Fallkonstellationen gegeben sein. Hier ist der "anwaltliche Besinnungsaufsatz" gefordert, der ansonsten im VA nicht angebracht ist. Die Härteklausel gilt im reformierten VA nicht nur für den Ausgleich insgesamt, sondern kann auch auf jedes einzelne Anrecht angewendet werden. In diesem Fall müssen jedoch zunächst die Auskünfte eingeholt werden. Eine Erhöhung des Ausgleichsanspruchs aus Härtegründen ist dagegen nicht zulässig, da § 27 VersAusglG keine anspruchsbegründende Funktion hat und der den VA prägende Halbteilungsgrundsatz gewahrt werden muss.
Autor: Margarethe Bergmann , Abteilungsleiterin des FamG Köln a.D., Bonn
FF 5/2018, S. 199 - 201