Dr. Undine Krebs

Die meisten Kinder in Deutschland leben bei ihren Eltern. Wenn sich die Eltern getrennt haben, dann werden diese Kinder oft mit neuen Personen konfrontiert. Bis zu 13 % aller Familien sind laut Schätzungen des Bundesfamilienministeriums heutzutage Stieffamilien. Woher die Vorsilbe "Stief-" kommt, ist unklar. Laut Wikipedia stammt sie von "gestutzt, stoßen, schlagen". Andere behaupten, dass es "hinterblieben", "verwaist" oder eben "mutterlos" bedeute.

Die zweite Auslegung hört sich doch viel zeitgemäßer und fürsorglicher an. Vorbei sind die Zeiten der Märchen, die von der bösen Stiefmutter handeln. Dennoch ist im Alltag das Image der Stiefmutter deutlich schlechter als das des Stiefvaters. Darüber können auch keine Fernsehserien und Home-Stories von Prominenten hinwegtäuschen, die uns attraktive Bilder einer bunten Familienidylle auch nach Trennung vorgaukeln wollen.

Wir werden mit Modellen der multiplen Elternschaft mehr und mehr vertraut, dennoch ist die leibliche Abstammung ganz tief in unserer Gefühlswelt verankert. Von deren Exklusivität können wir uns nur schwer verabschieden.

In der Beratung beklagen sich deshalb auch Mandantinnen darüber, dass sie von den Kindern ihres neuen Partners angefeindet werden oder aber, dass ihre Kinder die neue Partnerin des Vaters nicht mögen. Männer problematisieren dies in der anwaltlichen Beratung selten bis nie.

Hintergrund der "Stiefmutterproblematik" ist nach neuesten Studien, dass Männer sich nach einer Trennung häufiger und schneller binden. Manchmal fehlt ihnen dann das Gespür für den richtigen Zeitpunkt, wann sie die neue Frau mit ihren Kindern zusammenbringen. Ist dies aus Sicht der Kinder zu schnell geschehen, so hat die Stiefmutter denkbar schlechte Startbedingungen. Mütter binden sich oft nicht so schnell wieder und lassen ihren Kindern somit die nötige Zeit zu trauern und zu erkennen, dass Papa und Mama nicht mehr zusammenkommen werden.

Weiter fiel in der Studie ein Verhaltensmuster auf, das für Stiefmütter typischer ist als für Stiefväter. Die Stiefmütter wollen einfach alles richtig machen und sie verbiegen sich geradezu, um das Wohlwollen der fremden Kinder zu erlangen. Ist die Stiefmutter aber mütterlich, kocht, umsorgt und verwöhnt sie die Kinder des Partners, so tritt sie in Konkurrenz zur Mutter, was sowohl die Kinder als auch die Mutter ihr übelnehmen.

Im Ergebnis bedeutet es, dass es die Stiefmütter nicht leicht haben. Oft fehlt ihnen auch die Unterstützung des Partners. Dieser will die Kinder in der Umgangszeit nicht gegen sich aufbringen. Dabei müsste er alte und neue Familie verbinden. Dies gelingt ihm nur, wenn er klare, unmissverständliche Ansagen macht. An ihm ist es zu klären, wo der Platz der neuen Frau und der der Kinder ist. Dann gibt es keine Machtkämpfe und Diskussionen.

Man darf aber trotz allem nicht vergessen, dass ein "böser Stiefvater" für die fremden Kinder gefährlicher sein kann. Würden heute Märchen geschrieben werden, dann sicher nicht über die böse Stiefmutter, die die Stieftochter misshandelt, sondern über einen bösen Stiefvater, der die Stieftochter missbraucht.

Autor: Dr. Undine Krebs

Dr. Undine Krebs, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Familienrecht, München

FF 7/2015, S. 265

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