1. Ausgangslage
Die Entscheidung des OLG Frankfurt vom 4.4.2018 befasst sich mit zwei wichtigen Themen. Hauptthema ist die Frage, ob ein Kind während eines freiwilligen sozialen Jahres einen Unterhaltsanspruch gegen seine Eltern hat. Weiter hat das OLG zur Möglichkeit des Fortfalls der gesteigerten Erwerbsobliegenheit des nicht betreuenden Elternteils gegenüber einem minderjährigen Kind bei einer gleichzeitig bestehenden Unterhaltslast für ein nachrangiges volljähriges Kind Stellung genommen.
2. Inhalt der Entscheidung
Aus der inzwischen geschiedenen Ehe der Beteiligten sind die im Jahr 1998 geborene Tochter B und der im Jahr 2000 geborene A hervorgegangen. B besucht die Berufsfachschule. A nahm bis Juni 2017 an einem Berufsvorbereitungsjahr teil, das er mit einem qualifizierten Hauptschulabschluss beendete. Ab dem 1.9.2017 absolvierte er ein freiwilliges soziales Jahr und erhielt monatliche Bezüge von September bis November i.H.v. 300 EUR und ab Dezember 2017 i.H.v. 330 EUR monatlich. Ab April 2018 absolviert A eine Ausbildung und erhält eine Ausbildungsvergütung i.H.v. 876,46 EUR.
Die Beteiligten streiten zuletzt um den Unterhaltsanspruch des Sohnes A ab Januar 2017. Die Antragstellerin (Kindesmutter) macht Kindesunterhalt i.H.v. 387 EUR monatlich und ab dem 1.9.2017 i.H.v. 237 EUR monatlich für A geltend. Streit besteht über die grundsätzliche Verpflichtung des Antragsgegners (Kindesvater) zur Zahlung von Unterhalt ab dem Beginn des freiwilligen sozialen Jahres von A, seine Leistungsfähigkeit, die Abzugsfähigkeit von Kosten für ein Fitnessstudio und von Verfahrenskostenhilferaten für ein anderes Verfahren sowie über die Höhe seines anzusetzenden Selbstbehalts.
Die Antragstellerin erzielte im Jahr 2016 ein unterhaltsrechtlich relevantes Einkommen i.H.v. 1.939 EUR, nach Abzug von Fahrtkosten i.H.v. 209 EUR verblieben 1.730 EUR. Der Wohnwert der von ihr übernommenen ehemals ehelichen Wohnung übersteigt die hierfür aufzuwendenden Belastungen, sodass die Zurechnung eines Wohnwertes ausscheidet.
Der Antragsgegner erzielte im Jahr 2016 bei der Firma Y ein durchschnittliches Nettoeinkommen i.H.v. 1.914,80 EUR. Nach einem Umzug arbeitete er im Oktober 2017 mit einer Stundenzahl von lediglich 30 Wochenstunden bei einer anderen Filiale seiner ursprünglichen Firma Y und bezog ein Bruttoeinkommen von 2.032 EUR. Im November 2017 arbeitete er bei einer Firma D mit 30 Wochenstunden und bezog ein Bruttoeinkommen von 2.023 EUR. Ab Dezember 2017 arbeitete er wieder mit 30 Wochenstunden bei der Firma Y mit einem Bruttoeinkommen von 2.032 EUR. Sein Nettoeinkommen auf Basis einer Vollzeitstelle beläuft sich im Jahr 2016 bis September 2017 nach Abzug von 5 % berufsbedingten Aufwendungen, der Altersvorsorge und eines Darlehens auf 1.601,30 EUR (1.914 EUR – 95,70 EUR – 50 EUR – 167 EUR), im Jahr 2017 nach einem Steuerklassenwechsel auf 1.558 EUR.
Das Oberlandesgericht hat den Beschluss des Amtsgerichts, mit dem der Antragstellerin Kindesunterhalt für A i.H.v. 387 EUR (für das Jahr 2016: 495 EUR – 95 EUR anteiliges Kindergeld = 400 EUR, beantragt waren nur 387 EUR; für das Jahr 2017: 483 EUR – 96 EUR anteiliges Kindergeld) monatlich zugesprochen wurde, bis einschließlich August 2017 bestätigt und der Antragstellerin für die Zeit von September 2017 bis Dezember 2017 Unterhalt für A in Höhe von monatlich 245 EUR (483 EUR – 96 EUR anteiliges Kindergeld = 387 EUR – 142,50 EUR hälftiger Eigenverdienst von A nach Abzug von 5 % ausbildungsbedingtem Mehrbedarf [300 – 15 = 285 EUR : 2]) und in der Zeit von Januar 2018 bis März 2018 in Höhe von monatlich 213 EUR (483 EUR – 96 EUR anteiliges Kindergeld = 387 EUR – 156,75 EUR hälftiger Eigenverdienst von A nach Abzug von 5 % ausbildungsbedingtem Mehrbedarf [330 – 15 = 315 EUR : 2]) zuerkannt. Für die Zeit ab April 2018 hat das OLG den Antrag der Antragstellerin zurückgewiesen.
3. Einordnung der Entscheidung
Das Oberlandesgericht hat das Bestehen eines Unterhaltsanspruchs eines Kindes A während eines freiwilligen sozialen Jahres ausdrücklich bejaht. Ferner hat das Oberlandesgericht die Unterhaltslast des betreuenden Elternteils – hier der Antragstellerin und Kindesmutter – für das nicht privilegierte volljährige Kind B bei der Beurteilung, ob der barunterhaltspflichtige Elternteil – hier der Antragsgegner – wegen des höheren Einkommens der Kindesmutter von seiner gesteigerten Erwerbsobliegenheit nach § 1603 Abs. 2 S. 3 BGB gegenüber dem minderjährigen Kind A befreit ist, ausdrücklich berücksichtigt. Zu beiden Fragen hat das Oberlandesgericht die Rechtsbeschwerde zum BGH zugelassen.
4. Bedeutung der Entscheidung des OLG für die Praxis
Es ist zwischen den beiden Hauptthemen der Entscheidung zu differenzieren:
a) Unterhaltsanspruch während eines freiwilligen sozialen Jahres
Ob ein minderjähriges oder volljähriges Kind während der Ableistung eines freiwilligen sozialen Jahres dem Grunde nach einen Unterhaltsanspruch hat, ist umstritten.
Nach überwiegender Auffassung soll unterschieden werden, ob diese soziale ...