rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Entstehung einer Differenzverfahrensgebühr im finanzgerichtlichen Verfahren. Kostenerstattung nach dem RVG bei Erledigung mehrerer, nicht förmlich verbundener Verfahren in einem Erörterungstermin und nur teilweisem Obsiegen

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Da ein Vergleich i.S. von § 278 Abs. 6 ZPO in Steuersachen unzulässig ist, kann eine Differenzverfahrensgebühr gemäß Anmerkung I Satz 1 Nr. 2 zu Nr. 3201 des Vergütungsverzeichnisses zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG-VV) im finanzgerichtlichen Verfahren nicht entstehen.

2. Werden mehrere Sachen in einem Erörterungstermin verhandelt, sind für die Höhe der Terminsgebühr gemäß Anmerkung I zu RVG-VV Nr. 3202 i. V. mit Anmerkung II zu RVG-VV Nr. 3104 die Gegenstandswerte der verhandelten Sachen auch dann zusammenzurechnen „Gesamt-Gegenstandswert”), wenn es einer förmlichen Verbindung der verhandelten Sachen fehlt. Der so berechnete „Gesamt-Gegenstandswert ist auf die einzelnen Verfahren im Verhältnis der Teil-Gegenstandswerte aufzuteilen, wenn der Kläger nur in einer Sache teilweise obsiegt, in der anderen Sache dagegen die Klage zurücknimmt. Dieser Berechnungsweg gilt ebenso für die Berechnung der Höhe der Erledigungsgebühr.

 

Normenkette

RVG § 2 Abs. 2; RVG Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 Nrn. 3201-3202, Abs. 2 1002, Abs. 2 Nr. 1004; RVG-VV Nrn. 3201-3202, 1002, 1004; FGO § 139 Abs. 1, §§ 3, 149 Abs. 1

 

Tenor

1. Die Erinnerung wird zurückgewiesen.

2. Die Erinnerung ergeht gerichtsgebührenfrei.

3. Die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens trägt der Erinnerungsführer.

 

Tatbestand

I.

Der Erinnerungsführer hatte mit Schreiben vom 18. April 2005 gegen einen Ablehnungsbescheid des Erinnerungsgegners vom 6. April 2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 1. April 2005 Klage erhoben (14 K 86/05). Streitig war die wirksame Bekanntgabe von Einkommensteuerbescheiden. Am 7. Juli 2005 hatte er einen Prozessbevollmächtigten u.a. mit seiner Vertretung vor Gericht beauftragt. Im Laufe eines Erörterungstermins in diesem Verfahren am 15. Februar 2006 entsprach der Erinnerungsgegner dem Begehren des Erinnerungsführers teilweise. Die Beteiligten erklärten in dem Termin den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt und schlugen hinsichtlich der zu treffenden Kostenentscheidung vor, dass der Erinnerungsführer 3/5 und der Erinnerungsgegner 2/5 der Kosten des Verfahrens tragen solle.

Mit Beschluss vom gleichen Tage hatte das Gericht nach Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache die Kosten des Verfahrens entsprechend dem Vorschlag der Beteiligten zu 3/5 dem Erinnerungsführer und zu 2/5 dem Erinnerungsgegner auferlegt.

In dem Erörterungstermin vom 15. Februar 2006 war außerdem das Verfahren 14 K 195/03 (Erlass von Einkommen- und Umsatzsteuer 1995 bis 2000), das nicht geladen worden war, beendet worden. Sowohl der Erinnerungsführer als auch der Erinnerungsgegner hatten verschiedene Zusicherungen gemacht und der Erinnerungsführer im Ergebnis in diesem Termin die Klage 14 K 195/03 zurückgenommen.

Im Antrag auf Kostenfestsetzung vom 23. Februar 2006 begehrte der Erinnerungsführer, vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten, u.a. den Ansatz einer Differenzverfahrensgebühr (Vergütungsverzeichnis – VV – Nr. 3201, Gebührensatz 1,1) in Höhe von 584,– EUR, einer Terminsgebühr (VV Nr. 3202, Gebührensatz 1,2) in Höhe von 1.347,60 EUR und einer Einigungsgebühr (VV Nr. 1000 und 1004, Gebührensatz 1,3) in Höhe von 1.459,90 EUR. Der Ermittlung der Termins- und der Einigungsgebühr hatte er den Gegenstandswert der Verfahren 14 K 86/05 (25.436,77 EUR) und 14 K 195/03 (38.164,41 EUR) zu Grunde gelegt.

Der geänderte Kostenfestsetzungsantrag vom 2. Mai 2006 variierte lediglich in der Höhe der Differenzverfahrens-, der Termins- und der Einigungsgebühr. Die Differenzverfahrensgebühr berechnete er nun mit 830,40 EUR, die Terminsgebühr mit 1.532,40 EUR und die Einigungsgebühr mit 1.660,10 EUR Grund für diese Änderung war ein höher anzusetzender Streitwert im Verfahren 14 K 195/03 (jetzt: 67.986,91 EUR, siehe Schreiben der zuständigen Urkundsbeamtin vom 3. März 2006 im Verfahren 14 K 195/03, Finanzgerichtsakte – FG-Akte – Blatt 28).

Das Entstehen der Terminsgebühr in der angegebenen Höhe begründete er damit, dass in dem Erörterungstermin vom 15. Februar 2006 neben dem Gegenstand des Verfahrens 14 K 86/05 auch der des Verfahrens 14 K 195/03 erörtert worden sei. Die Terminsgebühr sei daher aus dem kumulierten Streitwert zu berechnen. Dies ergebe sich auch aus der finanzgerichtlichen Rechtsprechung, die festgestellt habe, dass für die Berechnung der Erörterungsgebühr die Gegenstandswerte der erörterten Verfahren zusammenzurechnen seien (Beschluss des Hessischen Finanzgerichts – FG – vom 26. November 2002 12 Ko 1552/00, Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG – 2003, 490).

Die Differenzverfahrensgebühr sei entstanden, weil im anhängigen Rechtsstreit Ansprüche mit behandelt worden seien, obwohl sie überhaupt nicht oder jedenfalls nicht in dem verhandelten Rechtsstreit anhän...

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