Entscheidungsstichwort (Thema)
teilweisem Erlaß von Körperschaftsteuer 1982
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf … DM festgesetzt.
Tatbestand
Gegen die Rechtsvorgängerin … der Klägerin (Klägerin –Klin–) wurde seit 1980 ein Bußgeldverfahren wegen Ordnungswidrigkeiten nach dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) durchgeführt. Das Bundeskartellamt setzte schließlich gegen die GmbH im Februar 1982 eine Geldbuße nach § 30 Abs. 1 Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG) i.V.m. § 38 Abs. 1 Nr. 1, § 1 GWB von … DM fest, und zwar wegen absprachebedingter Verbesserung der erzielten Durchschnittspreise. Das Bundeskartellamt ging bei der Bemessung der Geldbuße von dem nach § 38 Abs. 3 GWB erzielten Mehrerlös in Höhe von … DM aus. Unter Berücksichtigung der durch die Ordnungswidrigkeit verursachten Aufwendungen in Höhe von rund … DM setzte es den Bußgeldbetrag von … DM fest. Der Bußgeldbescheid wurde bestandskräftig.
Im Rahmen einer bei der GmbH durchgeführten Betriebsprüfung erhöhte diese die nichtabziehbaren Aufwendungen des Wirtschaftsjahres 1982 unter Hinweis auf § 10 Nr. 3 Körperschaftsteuergesetz (KStG) u.a. um die bezeichnete Geldbuße in Höhe von … DM (vgl. Bp-Bericht vom 14.3.1988 Seite 34, Ziffer 33.2).
Nach Tz. 36.2 dieses Berichts behielt sich der Wirtschaftsprüfer der Klin wegen des BFH-Beschlusses vom 21.10.1986 VIII R 1/85, BFHE 148, 271, BStBl II 1987, 212 eine Stellungnahme vor. Er beantragte gleichzeitig Verfahrensaussetzung bis zur Entscheidung durch das Bundesverfassungsgericht.
Am 27.6.1988 erließ das Finanzamt (FA) einen entsprechend geänderten Körperschaftsteuer(KSt)-Bescheid 1982. Der Bescheid wurde ebenfalls bestandskräftig.
Am 11.3.1991 stellte die Klin einen Antrag auf Erlaß (§ 227 AO) der KSt 1982 in Höhe von … DM. Die Klin machte eine aus verfassungsrechtlichen Gründen sachlich unbillige Doppelbelastung geltend, weil die Geldbuße nach dem erzielten Mehrerlös bemessen wurde und weil die Geldbuße nicht als Betriebsausgabe abziehbar sei.
Das FA lehnte den Erlaß durch Entscheidung vom 7.6.1993 ab.
Dagegen legte die Klin beim FA am 8.7.1993 eingehend Beschwerde ein.
Die OFD wies die Beschwerde als unbegründet zurück.
Die OFD meinte, daß im Streitfall keine sachliche Unbilligkeit vorliege. Zum Zeitpunkt des Ergehens des KSt-Änderungsbescheids für 1982 am 27.6.1988 habe das Steueränderungsgesetz vom 25.7.1984 (StÄndG 1984; BStBl I 1984, 401) in § 4 Abs. 5 Nr. 8 EStG die Nichtabziehbarkeit von Geldbußen vorgeschrieben; dies habe gemäß § 52 Abs. 3 a EStG rückwirkend für alle noch offenen Fälle gegolten. Ein Betriebsausgabenabzug sei auch nicht in Betracht gekommen, wenn bei der Bemessung der Geldbuße die auf den abgeschöpften Mehrerlös entfallene KSt und Gewerbesteuer (GewSt) nicht berücksichtigt worden sei (BFH-Urteil vom 24.7.1990 VIII R 194/84, BFHE 161, 509, BStBl II 1992, 508).
Das BVerfG habe § 4 Abs. 5 Nr. 8 EStG in der Fassung vom 25.7.1984 für verfassungsgemäß erklärt, soweit die Ordnungsbehörden bzw. Strafgerichte die Steuerbelastung bei Abschöpfung des wirtschaftlichen Vorteils berücksichtigten (BVerfG, Beschluß vom 23.1.1990 1 BVL 4–7/87, BStBl II 1990, 483).
Nach der Wertentscheidung des § 79 BVerfGG rechtfertige allein die Verfassungswidrigkeit der doppelten Abschöpfung des wirtschaftlichen Vorteils keine Billigkeitsentscheidung aus sachlichen Gründen. Derartige Billigkeitsmaßnahmen kämen bei bestandskräftigen Bescheiden nur in Betracht, wenn die Einlegung von Rechtsmitteln aus Gründen unterblieben sei, die dem Steuerpflichtigen nicht angelastet werden könnten, oder wenn eine den gegebenen Fall berührende besondere gesetzliche Regelung im Sinne des § 79 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG ergangen sei. Diese Voraussetzungen lägen nicht vor. Der vertretenen GmbH wäre die Einlegung eines Rechtsmittels gegen den geänderten KSt-Bescheid für 1982 vom 27.6.1988 durchaus zuzumuten gewesen.
Ein Erlaß wegen sachlicher Unbilligkeit entspräche auch nicht dem gesetzgeberischen Willen bei der Schaffung der §§ 4 Abs. 5 Nr. 8, 52 Abs. 3 a StÄndG 1984. Der Gesetzgeber habe die mit diesen Vorschriften verbundenen Härten bedacht und bewußt in Kauf genommen. Der Gesetzgeber habe damit eine durch höchstrichterliche Rechtsprechung bestätigte Rechtsauffassung kodifiziert. Auch die Rückwirkung sei nach höchstrichterlicher Rechtsprechung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden gewesen, weil das Gesetz insoweit lediglich eine bereits bestehende Rechtsüberzeugung kodifiziert habe (BFH-Urteile vom 14.4.1986 IV R 260/84, BFHE 146, 411, BStBl II 1986, 518; vom 22.7.1986 VIII R 93/85, BFHE 147, 346, BStBl II 1986, 854; BVerfG-Beschluß vom 29.11.1989 1 BvR 1402/87, 1528/87, BStBl II 1990, 479).
Der Gesetzgeber habe insoweit eine auch von der Finanzverwaltung bis dahin bereits vertretene Rechtsauffassung kodifiziert.
Auch in der Vergangenheit sei bei der Bemessung der Bußgelder die auf den wirtschaftlichen Vorteil entfallene Steuerbelastung regelmäßig nicht berücksichtigt worden. ...