Entscheidungsstichwort (Thema)
DBA-Brasilien. Mittelpunkt der Lebensinteressen. gewöhnlicher Aufenthalt. doppelte Haushaltsführung. Reisekostenübernahme durch Arbeitgeber
Leitsatz (redaktionell)
1. Personen, die ihre berufliche Ausbildung bereits abgeschlossen haben und lediglich ihre Kenntnisse auf einem Spezialgebiet erwerben oder erweitern wollen, zählen nicht zu dem nach Art. 21 Abs. 1 DBA-Brasilien begünstigten Personenkreis, auch wenn sie von ihrem Arbeitgeber als „Praktikant” bezeichnet werden.
2. Der Mittelpunkt der Lebensinteressen eines brasilianischen Geschäftsreisenden mit Wohnsitz und Daueraufenthalt der Kernfamilie in Deutschland befindet sich auch dann in Deutschland, wenn ein weiterer Wohnsitz in Brasilien besteht und der Arbeitgeber in Brasilien ansässig ist.
3. Der gewöhnliche Aufenthalt liegt nach dem DBA-Brasilien in dem Vertragstaat, in dem der Steuerpflichtige normalerweise und überwiegend lebt.
4. Eine doppelte Haushaltsführung i. S. d. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG setzt voraus, dass der Kläger am Ort seines eigegnen Hausstands den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen unterhält.
5. Vom Arbeitgeber gezahlte Heimatflüge sind vom Arbeitnehmer als geldwerter Vorteil zu versteuern.
Normenkette
DBA-Brasilien Art. 15 Abs. 1, Art. 21 Abs. 1, Art. 4 Abs. 1-2, Art. 24 Abs. 1 S. 2; DBA-Österreich Art. 9 Abs. 1; DBA-Österreich Art. 9 Abs. 2, Art. 15 Abs. 3; DBA-Schweden Art. 15 Abs. 1, Art. 46 Abs. 2b, 4, Art. 19 Abs. 2 S. 2; EStG § 1 Abs. 1 S. 1, § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 4, § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 3 Nr. 16, § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5, § 8 Abs. 1, 2 S. 1, § 32b Abs. 1 Nr. 2; AO §§ 8, 162, 90 Abs. 1
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darum, ob der Kläger seine Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit in den Streitjahren (1991 bis 1995) in Deutschland oder in Brasilien versteuern muss.
Der im Jahre 1940 geborene Kläger ist – ebenso wie seine Ehefrau, die Klägerin – brasilianischer Staatsangehöriger. Er ist deutscher Abstammung und hatte in den sechziger Jahren des ausgegangenen Jahrhunderts seine Studienzeit zum Teil in Deutschland verbracht. Seit dem Jahre 1961 ist der Kläger bei dem brasilianischen Unternehmen X., einer Aktiengesellschaft mit Sitz in Y (Brasilien), beschäftigt, das zu einem US-amerikanischen Konzern gehört und Bauteile für die Produktion von Kraftfahrzeugen herstellt. Nach Abschluss seines Ingenieurstudiums war der Kläger dort bis 1981 als Leiter der Produktion von Gelenkwellen tätig. Im Jahre 1981 übernahm der Kläger bei seinem Arbeitgeber die Funktion des Leiters für Entwicklung und Export im Auslandsgeschäft.
Am 1. Dezember 1987 reiste der Kläger gemeinsam mit der Klägerin und ihrer jüngsten gemeinsamen Tochter, der im Jahre 1983 geborenen A.B., in das Bundesgebiet ein. Von der zuständigen Ausländerbehörde erhielt der Kläger zunächst eine bis Dezember 1989 gültige befristete Aufenthaltsgenehmigung. Grundlage hierfür war, dass der Kläger gegenüber der Behörde angegeben hatte, für seinen Arbeitgeber fortan in Deutschland als „Praktikant” tätig sein zu wollen. Der Kläger bezog mit seiner Familie zunächst eine Wohnung in T. im G. Raum. Die beiden älteren Töchter der Kläger, die im Jahre 1970 geborene D.B. und die ein Jahr jüngere C.B., waren in Brasilien geblieben, wo sie fortan gemeinsam mit der im Jahre 1920 geborenen Mutter des Klägers ein im Eigentum der Kläger stehendes, 243 qm große Einfamilienhaus in Y bewohnten. In diesem Haus hatten auch die Kläger bei ihrer Abreise nach Deutschland eigene Räumlichkeiten in Gestalt eines Wohnzimmers, eines Schlafzimmers, einer Küche und eines Bades zu ihrer weiteren persönlichen Verfügung zurückbehalten.
In der Folgezeit war der Kläger für seinen Arbeitgeber in Deutschland und im europäischen Ausland als Geschäftsreisender tätig. Seine Aufgabe bestand darin, Anfragen des Arbeitgebers an deutsche und andere europäische Unternehmen für den Einkauf von Produktionsmaschinen, Ersatzteilen, Rohstoffen und Ausrüstungsgegenständen zu vermitteln und die eingeholten Angebote an die Einkaufszentrale des Arbeitgebers in Brasilien weiterzuleiten. Hierbei hatte der Kläger auch Einzelheiten wie den Preis, den Liefertermin, die Mengen und die Zahlungsbedingungen mit den Lieferanten abzuklären. Kamen im Rahmen des Einkaufs technische Fachkräfte des Arbeitgebers nach Deutschland, so hatte der Kläger bei den Verhandlungen dieser Kollegen mit ihren deutschen Ansprechpartnern als Übersetzer tätig zu werden. Teilweise war der Kläger anstelle solcher Techniker auch selbst mit der Abnahme der bestellten Maschinen in Deutschland befasst. Seine Tätigkeiten koordinierte der Kläger von seinem Wohnsitz in Deutschland aus; angestelltes Personal beschäftigte der Kläger für diese Bürotätigkeit jedoch nicht. Das Gehalt seines Arbeitgebers erhielt der Kläger weiterhin – nach Abzug der brasilianischen Lohn- bzw. Einkommensteuer – in brasilianischer Währung auf ein in Brasilien geführtes Bankkonto ausgezahlt.
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