Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirtschaftliches Eigentum im Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht nach der Erbschaftsteuerreform 2009. Grundbesitzwert des ererbten Grundstücks bei wirtschaftlichem Eigentum des Erben am Gebäude
Leitsatz (redaktionell)
1. Es ist ernstlich zweifelhaft, ob Begriff des wirtschaftlichen Eigentums nach den Änderungen des BewG durch das Erbschaftsteuerreformgesetz 2009 jedenfalls für die Fälle des Gebäudes auf fremdem Grund und Boden auch Bedeutung für die Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer erlangt hat.
2. Ist der Erbe wirtschaftlicher Eigentümer des von ihm auf dem Grundstück des Erblassers errichteten Gebäudes, ist für Zwecke der Aussetzung der Vollziehung davon auszugehen, dass die Feststellung des Grundbesitzwerts des ererbten Grundstücks für die wirtschaftliche Einheit „belastetes Grundstück” nach § 195 Abs. 3 BewG durchgeführt werden muss.
Normenkette
BewG §§ 180, 195; AO § 39 Abs. 2 Nr. 1; FGO § 69 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1
Tenor
Die Vollziehung des Bescheids über die gesonderte Feststellung des Grundbesitzwerts auf den 31.03.2012 vom 31.03.2015 wird bis zum Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung über den Einspruch mit der Maßgabe ausgesetzt, dass der Anteil des Antragstellers am Grundbesitzwert auf 43.470 EUR festgestellt wird.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Antragsteller zu 1/3 und dem Antragsgegner zu 2/3 auferlegt.
Die Beschwerde wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Der Antragsteller ist Erbe nach seiner am 31.03.2012 verstorbenen Mutter. Zum Nachlass gehört das mit einem Einfamilienhaus bebaute Grundstück „B.-straße” in C.. Auf Anforderung des für die Erbschaftsteuerfestsetzung zuständigen Finanzamts – FA – D. führte das Lage-FA E., der Antragsgegner, die gesonderte Feststellung des Grundbesitzwerts für Zwecke der Erbschaftsteuer auf den 31.03.2012 durch. Auf entsprechende Aufforderung hin gab der Antragsteller im Mai 2014 die Erklärung zur Feststellung des Bedarfswerts beim Antragsgegner ab (Bl. 3 – 6 Grundbesitzwertakte); er kreuzte in der Zeile 99 des Vordrucks BBW 2 „Grund und Boden mit fremdem Gebäude” an und trug in der Zeile 100 ein, dass das Nutzungsrecht für das Gebäude auf fremdem Grund und Boden am 31.03.2012 geendet habe. Das vertraglich vereinbarte jährliche Entgelt für die Überlassung des Grund und Bodens gab der Antragsteller mit „0 EUR” an (Zeile 101 des Vordrucks BBW 2, Bl. 5 Rückseite der Grundbesitzwertakte).
Als Anlage zu der Erklärung zur Feststellung des Bedarfswerts fügte der Antragsteller eine zwischen ihm und seiner Mutter, der Erblasserin, am 15.03.2003 abgeschlossene privatschriftliche Vereinbarung bei (Bl. 7 der Grundbesitzwertakte). In der mit „Überlassungsvertrag” überschriebenen Urkunde heißt es wörtlich: „Frau F. überlässt ihrem Sohn A. das Grundstück B.-Straße in C. zur unwiderruflichen und kostenlosen Nutzung und zur Bebauung mit einem Einfamilienhaus.
Nach dem Tode von Frau F. ist der Sohn A. der alleinige Erbe.”
Die maschinenschriftlich erstellte Vereinbarung ist von beiden Vertragspartnern handschriftlich unterzeichnet.
Mit unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 Abgabenordnung – AO – stehendem Bescheid vom 31.03.2015 stellte der Antragsgegner den Grundbesitzwert für die wirtschaftliche Einheit „Einfamilienhaus/Zweifamilienhaus” auf 135.598 EUR fest und rechnete diesen Wert dem Antragsteller zu 1/1 zu (Bl. 23 der Grundbesitzwertakte). Der Antragsgegner ermittelte den Grundbesitzwert (Bedarfswert) im Sachwertverfahren, nachdem die Geschäftsstelle des Gutachterausschusses des Landkreises G. mit Schreiben vom 20.02.2015 (Bl. 11 Grundbesitzwertakte) mitgeteilt hatte, dass für das zu bewertende Grundstück keine geeigneten Vergleichspreise vorlägen. Vor Anwendung der Wertzahl lt. Anlage 25 zum Bewertungsgesetz – BewG –, entfielen 43.470 EUR auf den Grund und Boden (966 m² × 45,00 EUR) und 126.028 EUR auf das Gebäude, in der Summe also 169.498 EUR. Auf diesen Wert wendete der Antragsgegner die Wertzahl 0,8 (lt. Anlage 25 zum BewG) an und gelangte so zu dem Bedarfswert von 135.598 EUR.
In den Erläuterungen des Bescheides heißt es u.a.: „Nach Prüfung der Rechtslage war beim EFH nicht von einem Gebäude auf fremdem Grund und Boden auszugehen” und weiter: „Das EFH wurde durch Herrn A. (Sohn der Erblasserin) auf eigene Kosten errichtet”.
Hiergegen legte der Antragsteller rechtzeitig Einspruch ein, den er wie folgt begründete: Die Bewertung sei nach den Vorschriften für Gebäude auf fremdem Grund und Boden durchzuführen, da ihm, dem Antragsteller, das Gebäude schon vor dem Erbfall gehört habe. Der Antragsgegner habe den Umstand, dass der Antragsteller das Gebäude auf seine Kosten errichtet habe, nicht berücksichtigt. Warum das Finanzamt nicht von einem Gebäude auf fremdem Grund und Boden ausgegangen sei, sei im Bescheid nicht begründet worden.
Des Weiteren beantragte der Antragsteller mit seinem Einspruchsschreiben vom 08.04.2015 die Aussetzung der Vollziehung des Grundbesitzwertbescheides.
Der Antragsgegner erwiderte hierauf, eine steuerli...