Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer 1993
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
3. Die Revision wird zugelassen.
Beschluß:
Der Streitwert wird auf 1.249,– DM festgesetzt. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
Gründe
Der Kläger erzielte im Jahre 1993 als Fußbodenleger Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 33.773,– DM. Seine Ehefrau bezog im Streitjahr Unterhaltsgeld in Höhe von 14.033,80 DM. Mit Bescheid vom 12.08.1994 wurden der Kläger und seine Ehefrau unter Berücksichtigung des Progressionsvorbehalts auf Lohnersatzleistungen zusammen zur Einkommensteuer 1993 veranlagt. Die festgesetzte Einkommensteuer beträgt 1.249,– DM. Der Bescheid ist u. a. wegen der Höhe der Kinderfreibeträge vorläufig.
Mit Schreiben vom 26.08.1994 legte der Kläger gegen den Einkommensteuerbescheid Einspruch ein. Zur Begründung wurde geltend, gemacht, die Hinzurechnung der Erwerbsbezüge verstoße gegen Art. 3 Grundgesetz (GG), da u. a. Sozialhilfeleistungen in dem Katalog des § 32 d Abs. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) nicht erwähnt seien. Auch habe der Gesetzgeber das steuerliche Existenzminimum zu niedrig angesetzt.
Der Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 06.12.1994 als unbegründet zurückgewiesen. Mit der am 31.12.1994 erhobenen Klage macht der Kläger geltend, das steuerlich zu verschonende Existenzminimum habe im Jahre 1993 mindestens 13.500,– DM für eine Person betragen. Da dieser Betrag bei Verheirateten zu verdoppeln sei, müsse das Existenzminimum für ein Ehepaar im Jahre 1993 mit ca. 27.000,– DM angesetzt werden.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
- unter Abänderung des Einkommensteuerbescheides vom 12.08.1994 und der Einspruchsentscheidung vom 06.12.1994 die Einkommensteuer 1993 auf 0,– DM festzusetzen,
- die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären,
- die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der. Beklagte tritt dem Vorbringen des Klägers entgegen.
Die Klage ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung.
Der Beklagte hat zu Recht die Einkommensteuer für 1993 auf 1.249,– DM festgesetzt. Das zu versteuernde Einkommen beträgt nach der zutreffenden Berechnung des Beklagten 12.112,– DM. Bei Anwendung des § 32 a Abs. 1, Abs. 5 EStG ergäbe sich insofern eine Steuer von 164,– DM. Da jedoch die Ehefrau des Klägers Lohnersatzleistungen in Höhe von 14.033,– DM bezogen hat, war die tarifliche Einkommensteuer gemäß §§ 32 a Abs. 1 Satz 2, 32 b Abs. 2 Nr. 1 EStG unter Berücksichtigung der Summe der Lohnersatzleistungen nach einem besonderen Steuersatz (Progressionsvorbehalt) zu ermitteln. Der Progressionsvorbehalt des § 32 b EStG geht § 32 a EStG im Range vor (BFH, Urteil vom 01.08.1988 – VI R 181/83, BStBl. II 1986, 902; Finanzgericht Münster, Urteil vom 13.06.1989 – VI 7815/88 E, EFG 1990, 110). Die Einbeziehung von Lohnersatzleistungen in den Progressionsvorbehalt begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, da insoweit dem Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit Rechnung getragen und die Schlechterstellung gegenüber Steuerpflichtigen, die gleich hohe Einkünfte ohne Lohnersatzleistungen erzielt haben, verhindert wird Bundesverfassungsgericht (BVerfG, Beschluß vom 03.05.1995 – 1 BvR 1176/88, BStBl. II 1995, 758; BFH, Urteil vom 29.04.1988 – VI R 74/86, BStBl. II 1988, 674).
Entgegen der Ansicht des Klägers ist die Vorschrift des § 32 d EStG verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, insbesondere ist die steuerliche Entlastung des Existenzminimums von Ehegatten durch § 32 d EStG sichergestellt.
Das BVerfG hat mit Beschluß vom 25.09.1992 – 2 BvL 5/91, 2 BvL 8/91, 2 BvL 14/91, BVerfGE 87, 153, 155, BSTBl. II 1993, 413, die Regelung des § 32 a Abs. 1 Satz 2 EStG in der für die Jahre 1978 bis 1984, 1986, 1988 und 1991 jeweils geltenden Fassung – für die Veranlagungszeiträume 1978 bis 1980 im Zusammenhang mit § 32 Abs. 8 EStG – für verfassungswidrig erklärt, da sie mit der grundrechtlichen Garantie des einkommensteuerlichen Existenzminimums unvereinbar sei. Der Gesetzgeber wurde verpflichtet, mit Wirkung zum 01.01.1996 eine Neuregelung zu treffen. Bis zu diesem Zeitpunkt sind die als verfassungswidrig erkannten Vorschriften weiter anzuwenden. Gleichzeitig hat das BVerfG dem Gesetzgeber den Auftrag erteilt, mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 1993 die steuerliche Verschonung des existenznotwendigen Bedarfs sicherzustellen (vgl. BVerfG, Beschluß vom 25.09.1992 – 2 BvL 5/91, 2 BvL 8/91, 2 BvL 14/91, BVerfGE 87, 153, 155; in BStBl. II 1993, 413 insoweit nicht abgedruckt). Zur Erfüllung dieses Auftrages hat der Gesetzgeber die Vorschrift des § 32 d (ursprünglich § 32 c EStG) durch das Gesetz zur Umsetzung des Föderalen Konsolidierungsprogramms – FKPG – vom 23.06.1993, BGBl. I 1993, 944, eingeführt.
Im Streitfall beruht die festgesetzte Steuer nicht auf § 32 d EStG, d...