Entscheidungsstichwort (Thema)
Einfuhrverbot für Pkw aus Russland aufgrund der EU-Sanktionsverordnung 833/2014 – Ermöglichung der Destabilisierung der Lage in der Ukraine – Stichtagsregelung für am 19.12.2023 bereits im Gebiet der Union befindliche Fahrzeuge
Leitsatz (redaktionell)
Der EuGH wird um eine Vorabentscheidung zu folgenden Fragen ersucht:
- Ist Artikel 3i Absatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 des Rates vom 31. Juli 2014 über restriktive Maßnahmen angesichts der Handlungen Russlands, die die Lage in der Ukraine destabilisieren (ABl. EU L 229/1) in der Fassung der Verordnung (EU) 2022/576 des Rates vom 8. April 2022 (ABl. EU L 111/1) dahingehend auszulegen, dass das Verbot der Einfuhr oder des Verbringens der in Anhang XXI aufgeführten Güter nur dann gilt, wenn festgestellt werden kann, dass die betreffende Ware Russland erhebliche Einnahmen erbringt und dadurch Handlungen Russlands ermöglicht, welche die Lage in der Ukraine destabilisieren?
- Für den Fall, dass die erste Vorlagefrage zu verneinen ist: Ist Artikel 3i Absatz 3ad der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 des Rates vom 31. Juli 2014 über restriktive Maßnahmen angesichts der Handlungen Russlands, die die Lage in der Ukraine destabilisieren (ABl. EU L 229/1) in der Fassung der Verordnung (EU) 2023/2878 des Rates vom 18. Dezember 2023 (ABl. L, 2023/2878, 18.12.2023) dahingehend auszulegen, dass die danach gestattete Zulassung eines Fahrzeugs, das sich am 19. Dezember 2023 im Gebiet der Union befunden hat, auch für ein Kraftfahrzeug gilt, das nicht unter Artikel 3i Absatz 3ab oder 3ac der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 fällt und dessen Einfuhr oder dessen Verbringen in die Union.
Normenkette
AEUV Art. 267 Unterabs. 2; Verordnung (EU) Nr. 833/2014 Art. 3i Abs. 1, 3aa; Verordnung (EU) Nr. 833/2014 Art. 3i Abs. 3ab; Verordnung (EU) Nr. 833/2014 Art. 3i Abs. 3ad; VO 2022/576/EU Art. 1 Nr. 13; VO (EU) 2023/2878 Art. 1 Nr. 10 Buchst. a
Gründe
I.
[1.] Der Kläger ist russischer Staatsangehöriger mit Wohnsitz in Q.. Er erwarb am 27. Januar 2023 in Russland einen gebrauchten Personenkraftwagen der Marke Mercedes von einem russischen Staatsangehörigen für einen Kaufpreis von 5.000.000 russische Rubel. Das Fahrzeug wurde in Russland am 0. Februar 2023 auf den Kläger als Halter zugelassen. Er fuhr mit dem Fahrzeug am 11. Mai 2023 zunächst nach Polen. Von dort wurde das Fahrzeug auf einem Anhänger ohne Kennzeichen nach Deutschland befördert, wo es noch im Mai am Wohnort des Klägers in Q. eintraf.
[2.] Der Kläger meldete das Fahrzeug am 28. August 2023 beim beklagten Hauptzollamt mit einem Zollwert von 50.390,71 Euro zur Überlassung zum zollrechtlich freien Verkehr an. Das beklagte Hauptzollamt stellte das Fahrzeug mit Verfügung vom 28. August 2023 sicher und erklärte die Zollanmeldung für ungültig, weil die Einfuhr des Fahrzeugs nach Artikel 3i Absatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 des Rates vom 31. Juli 2014 über restriktive Maßnahmen angesichts der Handlungen Russlands, die die Lage in der Ukraine destabilisieren (ABl. EU L 229/1), in der Fassung der Verordnung (EU) 2023/427 des Rates vom 25. Februar 2023 (ABl. EU L 59 I/6) (VO Nr. 833/2014), verboten sei.
[3.] Mit seinem gegen die Sicherstellung des Fahrzeugs gerichteten Einspruch trug der Kläger vor: Die Voraussetzungen des Artikel 3i Absatz 1 VO Nr. 833/2014 seien nicht erfüllt. Bei der Prüfung der Frage, ob Artikel 3i Absatz 1 VO Nr. 833/2014 einer Einfuhr oder einem Verbringen des Fahrzeugs in die Europäische Union entgegenstehe, müsse auch geprüft werden, ob die betreffende Ware Russland erhebliche Einnahmen erbringe und dadurch ermögliche, die Lage in der Ukraine zu destabilisieren. Der Kauf des Fahrzeugs von einer Privatperson habe dem russischen Staat keine Einnahmen erbracht, die es ihm ermöglicht hätten, die Lage in der Ukraine zu destabilisieren. Der Verkäufer habe von dem erhaltenen Kaufpreis keine Steuern zahlen müssen. Die Höhe des Kaufpreises sei im Verhältnis zu den russischen Kriegskosten auch nicht erheblich. Im Übrigen sei nach dem durch die Verordnung (EU) 2023/2878 des Rates vom 18. Dezember 2023 (ABl. L, 2023/2878, 18.12.2023) eingefügten Artikel 3i Absatz 3ad VO Nr. 833/2014 mittlerweile eine Zulassung des Fahrzeugs möglich, weil es sich bereits vor dem 19. Dezember 2023 im Gebiet der Union befunden habe.
[4.] Das beklagte Hauptzollamt wies den Einspruch mit Entscheidung vom 5. April 2023 als unbegründet zurück und führte aus: Die Einfuhr und das Verbringen des Fahrzeugs in die Union seien nach Artikel 3i Absatz 1 VO Nr. 833/2014 verboten. Da das Fahrzeug der Position 8703 der Kombinierten Nomenklatur (KN) in Anhang XXI zur VO Nr. 833/2014 aufgeführt sei, sei nicht mehr zu prüfen, ob es Russland erhebliche Einnahmen erbringe und dadurch ermögliche, die Lage in der Ukraine zu destabilisieren. Hierfür sprächen die Ausnahmeregelungen in Artikel 3i Absatz 3a und 3ab VO Nr. 833/2014, die Waren beträfen, die zum persönlichen Gebrauch von Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten erforderlich se...