Entscheidungsstichwort (Thema)
Begrenzung des Auswertungszeitraums bei Hemmung der Festsetzungsverjährung aufgrund Fahndungsprüfung; Festsetzungsverjährung; Ablaufhemmung; Steuerfahndung; Auswertungsfrist bei Betriebsprüfung; Verwirkung
Leitsatz (redaktionell)
- Eine Begrenzung des zulässigen Auswertungszeitraums bei Hemmung der Festsetzungsverjährung aufgrund Ermittlungen der Steuerfahndung oder der Einleitung eines Strafverfahrens (§ 171 Abs. 5 AO) kann nicht in rechtsanaloger Anwendung der für die Auswertung einer Betriebsprüfung geltenden Regelung (§ 171 Abs. 4 Satz 3 AO), sondern nur aufgrund Verwirkung in Betracht kommen. Hierfür reicht aber der reine Zeitablauf nicht aus.
- Auch bei rechtsanaloger Anwendung des § 171 Abs. 4 Satz 3 AO auf die Ablaufhemmung des § 171 Abs. 5 AO kann keine Festsetzungsverjährung eingetreten sein, wenn die Auswertung der Fahndungsfeststellungen durch Bekanntgabe geänderter Bescheide innerhalb von vier Jahren nach Übersendung des die Fahndungsprüfung abschließenden Ermittlungsberichts erfolgt und dieser Ermittlungsbericht seinerseits nicht später als vier Jahre nach Abschluss der Ermittlungen ergangen ist.
Normenkette
AO § 171 Abs. 4 S. 3, Abs. 5; EGAO Art. 97 § 10 Abs. 3
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist sowohl die Frage, ob der Eintritt der Festsetzungs-/Feststellungsverjährung dem Erlass von Änderungsbescheiden entgegensteht, als auch der Umfang der vom Beklagten vorgenommenen steuererhöhenden Änderungen.
Unternehmensgegenstand der Klägerin ist die Herausgabe und der Abonnement-Vertrieb von Informationsbriefen auch steuerrechtlichen Inhalts. Gesellschafter der Klägerin waren ursprünglich die - auch zu Geschäftsführern bestellten - HerrenHerrA undHerrB zu je 24 v.H.; die übrigen Anteile befanden sich im Besitz verschiedener Personen einer FamilieC.
Am 06.08.1986 begann bei der Klägerin eine steuerliche Außenprüfung durch das Finanzamt für GroßbetriebsprüfungA-Stadt, die den Prüfungszeitraum 1982 bis 1984 umfasste. Prüfungsgegenstand war unter anderem die steuerliche Beurteilung der Veräußerung von Anteilen der Klägerin. Dabei wurden am 18.03.1982 Anteile aus dem FamilienbesitzC (je 14,75 v.H.) aufFrauA undFrauB - die Ehefrauen der GesellschafterA undB - übertragen. Es wurde die Frage aufgeworfen, ob die Veräußerung zu marktüblichen Preisen erfolgt sei oder zu einem zu niedrigen Preis, der durch Zahlungen der Klägerin an ausländische Firmen bzw. mittelbar an die Veräußerer aufgefüllt worden sein könnte. Eine Schlussbesprechung fand am 22.07./31.07.1986 statt; der Außenprüfungsbericht datiert vom 26.09.1986.
Eine Auswertung dieses Prüfungsberichts unterblieb allerdings, da zwischenzeitlich das Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung (im Folgenden: Steuerfahndung)A-Stadt, das ein Ermittlungsverfahren gegen die EheleuteC führte und dabei den Veräußerungsvorgang überprüfte, seine Prüfungshandlungen auch auf die Klägerin ausdehnte (Ermittlungshandlungen für einen Zeitraum ab 1976). Am 21.10.1986 gab die SteuerfahndungA-Stadt die Einleitung des Strafverfahrens "wegen des Verdachts der Umsatz-, Gewerbe- und Körperschaftsteuer-Hinterziehung ab mindestens 1978" bekannt. Ein entsprechender Anfangsverdacht gegen die Geschäftsführer der Klägerin wurde durch das AmtsgerichtA-Stadt mit Durchsuchungs- und Beschlagnahme-Beschluss vom 04.11.1986 unter Hinweis auf "Zahlungen an ausländische Firmen als Betriebsausgaben, obwohl es sich tatsächlich um Gewinnausschüttungen an die Gesellschafter handelte", festgestellt.
In 1987 kam es zu einer weiteren Anteilsübertragung; dabei wurden die restlichen Anteile der ehemals im Familienbesitz befindlichen Anteile an der Klägerin durchFrauC auf die GesellschafterHerrAundFrauA (Anteilsbesitz nunmehr 25/21 v.H.) bzw.HerrBundFrauB (Anteilsbesitz nunmehr 25/21 v.H.) und Kinder der Gesellschafter (je 4 v.H.) übertragen.
Während des Steuerfahndungsverfahrens, das auch auf andere Vorgänge außerhalb des Anteilserwerbs erstreckt wurde (Vermerk der SteuerfahndungA-Stadt vom 13.09.1990), wurden von der Klägerin bzw. deren Geschäftsführer eine Vielzahl von Ermittlungshandlungen durch Rechtsmittel angefochten und vom Amts- bzw. LandgerichtA-Stadt überprüft. Der Geschäftsführer der Klägerin hatte im Übrigen auch gegenüber der Steuerfahndung zu verschiedenen Ermittlungshandlungen Stellung genommen.
Einem Bericht der SteuerfahndungA-Stadt über die steuerlichen Feststellungen vom 14.07.1993 folgte ein strafrechtlicher Ermittlungsbericht derselben Behörde vom 24.12.1993 (im strafrechtlichen Ermittlungsbericht ist bei der Inhaltsangabe zeitlich zuletzt datiert: "Ermittlungen bei derA-BankA-Stadt und derB-BankA-Stadt am 14.02.1991 (Bl.3674)"; die Zusammenstellung der "Verfahrenskosten" beinhaltet u.a. einen Posten "Reisekosten 29.10.86-29.09.92"). Der Bericht vom 14.07.1993 wurde der Klägerin am 09.03.1994 übersandt. Nach verschiedenen Fristverlängerungsanträgen, denen vom Beklagten jeweils entsprochen wurde, ...