Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuerliche Behandlung der Vermittlung von Brokerleistungen
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein im Inland ansässiger Steuerpflichtiger, der gegen Provisionszahlungen eines ausländischen Börsenmaklers deutsche Anleger für Börsentermingeschäfte anwirbt, kann ungeachtet seiner nicht steuerbaren ausländischen Verwendungsumsätze die hierauf entfallende Vorsteuer abziehen, wenn die vermittelte Maklerleistung mit einer umfassenden Betreuung und Beratung der Anleger einher geht und deshalb als einheitliche Leistung im Falle ihrer Ausführung im Inland steuerpflichtig wäre.
2. Der Begriff „steuerfreie Umsätze” in § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG beschränkt sich auf im Inland ausgeführte Verwendungsumsätze, so dass der Ausschluss des Vorsteuerabzugs nach dieser Vorschrift bei nicht steuerbaren Umsätzen i. S. d. § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UStG nicht eingreifen kann.
Normenkette
UStG § 1 Abs. 1 Nr. 1 S. 1, § 3a Abs. 2 Nr. 4 Sätze 1, 3, § 3 Abs. 11, § 15 Abs. 1, 2 S. 1 Nrn. 1-2
Nachgehend
Tatbestand
Die Klägerin - Klin. - war in den Streitjahren 1994 und 1995 in A-Stadt als Agent für die Firma 'Fa 1' - FA 1 - tätig, die ihren Sitz in B-Stadt hat. Derzeit ist die Klin. im Stadium der Liquidation. Sie war zuvor vereinbarungsgemäß nur für die FA 1 tätig. Die Klin. suchte unter der Mitwirkung von für sie tätigen Telefonverkäufern potentielle Interessenten für Börsengeschäfte. Bei gewecktem Interesse übernahm - nach den Feststellungen einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung - ein weiteres Unternehmen, die Firma 'Fa 2' (FA 2), die weitere Beratung und Betreuung der potentiellen Anleger, indem ihnen Prospekte und Vertragsmaterial überlassen wurden. Hatte der Kunde sich zum Abschluss von über Börsen abgewickelten Termingeschäften betreffend bestimmte Waren, Wertpapiere oder Devisen entschlossen, so schickte er einen unterschriebenen Vertrag und das "Orderticket" über den ersten Geschäftsauftrag an die Klin. zurück. Diese leitete die Tickets an die Fa. 'FA 2' weiter, die diese Belege gesammelt nach B-Stadt übermittelte. Die Klin. erhielt von der FA 1 pro abgeschlossenen Erstkontrakt einen festen Betrag und ein wesentlich geringfügigeres, von der Höhe des Kontrakts abhängiges Agio. Außerdem bezog die Klin. sog. Kick backs, nämlich nachträgliche Provisionen aus den Folgegeschäften, die die Kunden in Auftrag gaben. Nach dem Prüfungsbericht vom 23.12.1994 erhielt die Klin. in dem Prüfungszeitraum (Januar - Juli 1994) an Kommissionen 931.831,07 DM und an Agios 76.850 DM. Die Klin. erzielte außerdem monatliche Einnahmen von 2.000 DM aus der Vermietung von Mobiliar an die Fa. FA 2, die in dem gleichen Gebäude residierte wie die Klin.
Wie die Klin. in der letzten mündlichen Verhandlung angegeben hat, erhielt auch die Firma 'FA 2' Vergütungen für ihre Tätigkeit ausschließlich von der Fa. FA 1 und nicht von den deutschen Anlegern.
Die Prüfung ging davon aus, dass die Klin. eine ausländische Brokerleistung, und zwar genauer das „Ermöglichen eines Spiels”, vermittelt habe mit der Folge, dass die Umsätze der Klin. nicht steuerbar seien. Wegen abziehbarer Vorsteuern unterschied die Prüfung zwischen Vermittlungsleistungen, die zu Warenterminkontrakten geführt hatten (im einzelnen betreffend Produkt A C-Stadt, Produkt B, Produkt C, Produkt D, Produkt E und Produkt F, alle D-Stadt, sowie Produkt B B-Stadt) und Terminkontrakten betreffend Wertpapiere, Gold und Devisen (Gold D-Stadt; DM, Japanische Yen, T-Bond, alle C-Stadt; German Bunds B-Stadt; DAX Frankfurt). Den Vorsteuerabzug betreffend die ersten Geschäfte hielt die Prüfung für abzugsfähig, denjenigen für die letzteren nicht. Die Aufteilung schlug sie zur Vereinfachung nach der absoluten Anzahl der Kontrakte (89,7 v.H. zu 10,3 v.H.) vor, da die Summe der eingenommenen Festbeträge pro Kontrakt die höhenabhängigen Agios bei Weitem überwogen. Dies führte insoweit im Prüfungsbericht zur Nichtanerkennung von 3.288,94 DM. Einen größeren nicht anerkannten Vorsteuerabzug machte dagegen die Nichtberücksichtung von Rechnungen der Untervertreter/Telefonverkäufer aus (10.798,02 DM), die nach Meinung der Prüfung ebenfalls nicht steuerbare Umsätze erzielt hätten und deshalb MWSt nicht gesondert ausweisen bzw. keine entsprechenden Gutschriften erhalten dürften.
Der Beklagte - Bekl. - folgte den Prüfungsergebnissen insoweit, als er von der eingereichten Steuererklärung für 1994 eine Vorsteuerkürzung von 10,0 v.H. (=10.497,90 DM) vornahm und zur Begründung auf den Bericht verwies. In der Umsatzsteuerveranlagung 1995 kürzte der Bekl. die vorangemeldeten Vorsteuerabzüge für Januar - März (23.264,55 DM) um 12,436 v.H (= 2.894,02 DM) und gab dazu die Erläuterung, dass die Klin. ab April 1995 mit der Fa 3. D-Stadt, zusammenarbeite, so dass „nach dem mit dieser Firma vereinbarten Geschäftsablauf keine Vorsteuerkürzung stattfinde”.
Mit dem dagegen eingelegten Einsprüchen beanstandete die Klin. zunächst, dass der Prüfungsbericht keinerlei Begründung...