vorläufig nicht rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Erweiterte Kürzung des Gewerbeertrags im Organkreis
Leitsatz (redaktionell)
- Verpachten Organgesellschaften ihren Grundbesitz an eine andere Organgesellschaft desselben Organkreises, die ihrerseits nach außen auf dem Mietmarkt als Vermieterin dieser Grundstücke an fremde Dritte fungiert („Weitervermietungsmodell”), ist den die Pachteinkünfte erzielenden Organgesellschaften die Inanspruchnahme der erweiterten Kürzung des Gewerbeertrags nach § 9 Nr. 1 Satz 2 f. GewStG insoweit zu gewähren, als sie den jeweiligen Betrag einer hypothetischen Hinzurechnung der Hälfte der verausgabten Pachtzinsen bei der als Pächterin agierenden Organgesellschaft nach § 8 Nr. 1 Buchst. e GewStG übersteigt.
- Das Prinzip, dass Geschäftsbeziehungen innerhalb des Organkreises grundsätzlich nicht zu gewerbesteuerrechtlichen Hinzurechnungen und Kürzungen führen (vgl. BFH-Urteile vom 18.5.2011 X R 4/10, BStBl II 2011, 887 und vom 30.10.2014 IV R 9/11, BFH/NV 2015, 227), gebietet in dieser Konstellation keine (vollständige) Versagung der erweiterten Kürzung des Gewerbeertrags im Wege einer teleologischen Gesetzesauslegung.
Normenkette
GewStG § 2 Abs. 2 S. 2, § 8 Nr. 1 e, § 9 Nr. 1 Sätze 2, 5
Nachgehend
Tatbestand
Die Klägerin hat gegen die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrages 2016 mit (Änderungs-) Bescheid vom 3.12.2021 am 23.12.2021 Sprungklage erhoben. Der Beklagte hat hierzu seine Zustimmung erteilt.
Ursprünglich war der Gewerbesteuermessbetrag 2016 mit Bescheid vom 10.11.2021 unter Vornahme der erweiterten Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) (=…Euro) festgesetzt worden. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Kürzung auf 1,2 Prozent des Einheitswerts des zum Betriebsvermögen gehörenden und nicht von der Grundsteuer befreiten Grundbesitzes beschränkt gemäß § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG (=…Euro). Hiergegen wendet sich die Klägerin.
Die geänderte Festsetzung beruht auf den Ergebnissen einer steuerlichen Außenprüfung für die Jahre 2016 bis 2018. Streitig ist, ob die Klägerin die sog. erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG im Organkreis beanspruchen kann. Die Frage wurde von den vorangegangenen Betriebsprüfungen (zuletzt für die Wirtschaftsjahre 2013 bis 2015) bejaht, jedoch für das Streitjahr bei im Wesentlichen unverändertem Sachverhalt unter Hinweis auf die Urteile des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 18.5.2011 X R 4/10, Bundessteuerblatt (BStBl) II 2011, 887, und vom 30.10.2014 IV R 9/11, Sammlung der Entscheidungen des BFH (BFH/NV) 2015, 227, erstmals negativ beschieden.
Die Klägerin ist…(Konzernmutter) und ertragsteuerlich wie umsatzsteuerlich Organträgerin. Die…GmbH (im Folgenden A -GmbH) ist eine ihrer Organtöchter.
Die weiteren .. Organtöchter der Klägerin haben jeweils einen eigenen Immobilienbestand. Diese Immobilienbestände werden von den Töchtern zur Weitervermietung an die A -GmbH verpachtet. Die A -GmbH wiederum verpachtet bzw. vermietet sodann die Immobilien im eigenen Namen an fremde Dritte außerhalb des Organkreises, trägt Aufwendungen und kümmert sich um die Verwaltung der Grundstücke (sog. „Weitervermietungsmodell”). Diese Konzernstruktur besteht seit 2007.
Die A -GmbH hat die Pachtzahlungen an die Organtöchter als Aufwand verbucht und hierfür unter Hinweis auf den Beschluss des BFH vom 29.7.2004 I B 69/03, BFH/NV 2005, 72 und auf H 2.3 Ermittlung des Gewerbeertrags von Organträger und Organgesellschaft i.V.m. R 7.1 Abs. 5 Satz 3 der Gewerbesteuerrichtlinien (GewStR) keine Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 e GewStG vorgenommen. Die Organtöchter (lt. Schreiben der Klägerin vom 7.3.2022, Seite 5: nur die Organtöchter Nr.…bis ...) begehren für sich die erweiterte Kürzung gem. § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG.
Die Klägerin vertritt die insbesondere in ihrem Schreiben vom 7.3.2022, ergänzt mit Schriftsatz vom 5.9.2022, ausführlich dargelegte Auffassung:
Die Zugehörigkeit einer Organgesellschaft zum Organkreis werde lediglich auf der Ebene des Organträgers dergestalt berücksichtigt, dass es für organkreisinterne Vorgänge grundsätzlich keine Hinzurechnungen nach § 8 GewStG und keine Kürzungen nach § 9 GewStG gebe. Damit sollten doppelte Be- und Entlastungen vermieden werden, die eine Zusammenrechnung der Einzelergebnisse der Unternehmen mit sich bringe, wenn diese Aufwendungen und Erträge aus Geschäftsbeziehungen zwischen Gesellschaften desselben Organkreises enthalten.
Vor diesem Hintergrund seien die Entscheidungen des BFH aus den Jahren 2011 und 2014 verständlich. In diesen Fällen sei im Ergebnis ein Geschäftsbetrieb derart aufgespalten worden, dass der Gewerbeertrag aus der Immobilienvermietung gewerbesteuerbefreit und der Mietaufwand dennoch bei dem operativen Geschäftsbetrieb gewerbesteuerlich vollständig abzugsfähig geblieben sei. Es wäre mithin ohne die Korrektur zu der vom BFH festgestellten doppelten gewerbesteuerlichen Begünstigung gekommen. Die Aufspaltung des einheitlichen Geschäftsbetrieb...