Entscheidungsstichwort (Thema)
Anrechnung der Geschäftsgebühr des Vorverfahrens auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens
Leitsatz (redaktionell)
1) Die Anrechnung der Geschäftsgebühr des Vorverfahrens auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens gemäß Abs. 4 der Vorbemerkung 3 zu Teil 3 des VV RVG galt unabhängig von der mangelnden Koordinierung der Vorschriften auf eine im Vorverfahren nach § 40 StBGebVO entstandene Geschäftsgebühr entsprechend.
2) Daran ist auch nach der inhaltlichen Anpassung der Regelungen der StBGebVO durch das JStG 2007 festzuhalten.
Normenkette
StBGebVO § 40; VV RVG Abs. 4 der Vorbemerkung 3 zu Teil 3; VV RVG Nrn. 2300 bis 2303; StBGebVO § 45
Tatbestand
I. Die Erinnerungsgegnerin klagte im Verfahren 5 K 1336/05 gegen einen Bescheid über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer vom 20. August 2003 in Form der Einspruchsentscheidung vom 28. Februar 2005, da eine Änderung des Gesellschafterbestandes i.S. § 1 Abs. 2a GrErwStG nicht vorliege. Sie wurde dabei durch die Bevollmächtigte im Erinnerungsverfahren vertreten, die sie auch schon während des außergerichtlichen Vorverfahrens vertreten hatte. Nachdem der Erinnerungsführer einen entsprechenden Änderungsbescheid erlassen hatte, erklärten die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt. Die Kosten des Verfahrens wurden mit Beschluss vom 11. September 2009 dem Erinnerungsführer auferlegt; die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wurde für notwendig erklärt.
In seinem Kostenfestsetzungsantrag beantragte der Bevollmächtigte der Erinnerungsgegnerin auf der Basis eines Gegenstandswerts von unstreitig 3.256.843 EUR u.a. den Ansatz einer 5,5/10 Geschäftsgebühr gemäß § 41 Abs. 3 StBGebVO für das Vorverfahren sowie eine 1,6 Verfahrensgebühr für das Klageverfahren.
Mit dem vorliegend streitgegenständlichen Kostenfestsetzungsbeschluss vom 17. September 2009 wurden die der Erinnerungsgegnerin zu erstattenden Kosten unter Berücksichtigung beider Gebühren auf 27.312,14 EUR festgesetzt; eine Anrechnung erfolgte nicht.
Der Erinnerungsführer ist unter Bezugnahme auf die Vorbemerkung 3 Abs. 4 zum 3. Teil VV RVG der Auffassung, die Geschäftsgebühr für das Vorverfahren habe zur Hälfte, jedoch höchstens mit einem Gebührensatz von 0,75 auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens angerechnet werden müssen, weil derselbe Vertreter im Vorverfahren und im Klageverfahren tätig gewesen sei. Dementsprechend habe ein Betrag von 5.548 EUR angerechnet werden müssen.
Die Erinnerungsgegnerin führt aus, die vorgeschriebene Anrechnung trage dem Umstand Rechnung, dass für die vorgerichtliche Tätigkeit des Rechtsanwalts nur eine einheitliche Gebühr mit weitem Rahmen vorgesehen sei. Im Streitfall hätten sich die Gebühren des Steuerberaters im außergerichtlichen Vorverfahren jedoch nach der StBGebVO alter Fassung gerichtet, die abweichend von den Gebühren eines Rechtsanwalts für die Geschäftsgebühr einen Rahmen von 5/10 bis 10/10 vorsehe. Erst mit dem Jahressteuergesetz 2007 seien die Gebühren der StBGebVO für das Vorverfahren inhaltlich den Regelungen des RVG angepasst und in § 40 StBGebVO auf einen Rahmen von 05/10 bis 25/10 angehoben worden. Wegen der im Streitfall gültigen alten Fassung der StBGebVO sei die Anrechnung auf die Verfahrensgebühr im Klageverfahren ausgeschlossen. Aber selbst wenn die Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr zulässig wäre, betrage die Hälfte der Geschäftsgebühr 3.051,40 EUR
Entscheidungsgründe
II. Die Erinnerung ist nur in dem sich aus dem Tenor ergebenden Umfang begründet; im Übrigen ist sie unbegründet.
1. Nach § 45 StBGebVO richtet sich die Vergütung des Steuerberaters für die Vertretung im finanzgerichtlichen Verfahren nach den Vorschriften des RVG. Nach Abs. 4 der Vorbemerkung 3 zu Teil 3 des VV RVG wird eine Geschäftsgebühr, die wegen desselben Verfahrensgegenstandes nach den Nummern 2300 bis 2303 VV RVG entstanden ist, zur Hälfte, jedoch höchstens mit einem Gebührensatz von 0,75, auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens angerechnet.
2. Zweck der Anrechnungsvorschriften ist es, zu verhindern, dass die gleiche oder annähernd gleiche Tätigkeit zweimal honoriert wird, wenn die Angelegenheit zunächst als außergerichtliche und später als gerichtliche betrieben wird, während sie nur einmal honoriert worden wäre, wenn die Angelegenheit sofort vor das Gericht gebracht worden wäre. Die Anrechnung mindert dabei nicht die schon entstandene Geschäftsgebühr, sondern die im späteren gerichtlichen Verfahren anfallende Verfahrensgebühr (Gerold/Schmidt/Madert, RVG, 18. Auflage 2008, VV 2300, 2301, Rz 40; Hartmann, Kostengesetze, 39. Auflage 2009, Vorbemerkung zum 3. Teil VV RVG, VV 3100, Rz 56).
3. Im Streitfall weist die Erinnerungsgegnerin zwar zutreffend darauf hin, dass die StBGebVO alter Fassung abweichend von den Gebühren eines Rechtsanwalts im Vorverfahren für die Geschäftsgebühr noch einen Rahmen von 5/10 bis 10/10 vorsah und da...