Entscheidungsstichwort (Thema)
Erledigungsgebühr
Leitsatz (redaktionell)
Dem Bevollmächtigten steht eine Erledigungsgebühr nach Nr. 1002 VV RVG zu, wenn er darauf hingewirkt hat, dass das ursprüngliche Klagebegehren im Interesse einer außergerichtlichen Beendigung des Rechtsstreits nicht unwesentlich eingeschränkt wurde. Hiervon ist bei einer Einschränkung des ursprünglichen Klagebegehrens von mehr als 10% auszugehen.
Normenkette
VV RVG Nr. 1002
Tatbestand
I. Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Prozessvertreter der Erinnerungsgegnerin eine Erledigungsgebühr zusteht.
Die Erinnerungsgegnerin hatte im Verfahren 4 K 3184/07 einen Bescheid über die gesonderte Feststellung des Grundbesitzwertes für Zwecke der Erbschaftsteuer auf 1.683.000 EUR angefochten. In der Einspruchsentscheidung vom 25. Juli 2007 hatte der Erinnerungsführer den Grundbesitzwert auf 1.238.000 EUR herabgesetzt. Die Klägerin beantragte im Klageverfahren eine weitere Herabsetzung auf 547.500 EUR.
Die Berichterstatterin stellte den Beteiligten im Rahmen eines Erörterungstermins vom 30. Oktober 2008 eine eigene Berechnung vor, in welcher sie den Grundbesitzwert mit 743.000 EUR ermittelte. Die Beteiligten erklärten sich mit einer tatsächlichen Verständigung auf dieser Grundlage einverstanden und erklärten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt. Die Kosten des Verfahrens wurden mit Beschluss vom gleichen Tage der Erinnerungsgegnerin zu 28% unter dem Erinnerungsführer zu 72% auferlegt.
Im vorliegend streitgegenständlichen Kostenfestsetzungsbeschluss vom 10. Dezember 2008 wurden die der Erinnerungsgegnerin zu erstattenden Kosten auf 5.072,26 EUR festgesetzt. Dabei berücksichtigte die Kostenbeamtin auch eine Erledigungsgebühr. Die für das Entstehen einer Erledigungsgebühr erforderliche Mitwirkung liege auch dann vor, wenn der Bevollmächtigte – etwa im Anschluss an einen Erledigungsvorschlag des Gerichts – das ursprüngliche Klagebegehren im Interesse der außergerichtlichen Beendigung des Rechtsstreits um mehr als 10% einschränke.
Der Erinnerungsführer macht geltend, das es an der für das Entstehen einer Erledigungsgebühr erforderlichen Mitwirkung des Bevollmächtigten fehle. Die Berichterstatterin habe ihren Vorschlag aufgrund der bereits in der Akte befindlichen Schriftsätze gefertigt. Nach Vorstellung des Vorschlags hätten sich die Beteiligten ohne weitere Diskussion damit einverstanden erklärt. Eine eingehende Erörterung habe zu keiner Zeit stattgefunden. Die Erinnerungsgegnerin habe dazu nicht befragt werden müssen und sei auch ohnehin nicht anwesend gewesen.
Entscheidungsgründe
II. Die Erinnerung ist unbegründet.
1. Dem Bevollmächtigten steht eine Erledigungsgebühr zu, weil der Bevollmächtigte darauf hingewirkt hat, dass die Erinnerungsgegnerin ihr ursprüngliches Klagebegehren im Interesse der außergerichtlichen Beendigung des Rechtsstreits um mehr als 10% eingeschränkt hat.
a) Da über Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis wegen des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung nicht vertraglich verfügt werden kann, ist die Entstehung einer Einigungsgebühr nach Nr. 1000 VV RVG regelmäßig ausgeschlossen (VV Nr. 1000 Abs. 4). Stattdessen sieht Nr. 1002 VV RVG die Entstehung eine Erledigungsgebühr vor, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise nach Aufhebung oder Änderung des mit einem Rechtsbehelf angefochtenen Verwaltungsakts durch die anwaltliche Mitwirkung erledigt (Nummer 1003 i.V.m. Nummer 1002 VV). Das Gleiche gilt, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise durch den Erlass eines bisher abgelehnten Verwaltungsakts erledigt.
b) Das RVG hat die BRAGO ab 1. Juli 2004 abgelöst. In der BRAGO war die Erledigungsgebühr in § 24 geregelt. Danach erhielt der Rechtsanwalt eine Erledigungsgebühr, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise nach Zurücknahme oder Änderung des mit einem Rechtsbehelf angefochtenen Verwaltungsakts erledigte und der Rechtsanwalt bei der Erledigung mitgewirkt hatte. Um den Prozessbevollmächtigten im finanzgerichtlichen Verfahren nicht gegenüber einem Rechtsanwalt zu privilegieren, der im Zivilprozess eine auf einen Vergleich gerichtete Tätigkeit entfaltet hatte, wurde für eine „Mitwirkung bei der Erledigung” nach altem Recht in ständiger Rechtsprechung eine besondere Tätigkeit des Bevollmächtigten verlangt, die die materielle Erledigung des Rechtsstreits ohne Urteil herbeiführte und die über die bereits mit der Prozess- oder Verhandlungsgebühr abgegoltene Einlegung und Begründung des Rechtsbehelfs hinausging (FG Köln, Beschluss vom 28. Juni 2004 10 Ko 1603/04, EFG 2004, 1642, FG Baden-Württemberg, Beschluss vom 4. September 1995 1 Ko 2/95, EFG 1995, 1077, jeweils m.w.N.).
c) Ebenso wie § 24 BRAGO erfordert Nr. 1002 VV RVG die anwaltliche Mitwirkung bei der Erledigung. Die Erledigungsgebühr ist eine zusätzliche Vergütung dafür, dass der Rechtsanwalt durch seine Tätigkeit, insbesondere Verhandlungen mit der Verwaltungsbehörde, erreicht, dass die Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt aufhebt oder zugunsten des Ma...