rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Verzinsung nur bei rechtshängiger Steuervergütung
Leitsatz (redaktionell)
1) Prozesszinsen sind nur im Falle der Rechtshängigkeit des Steuervergütungsanspruchs zu zahlen.
2) Nur wer selbst einen (Muster-)Prozess geführt hat, kann die Zahlung von Prozesszinsen verlangen. Demgegenüber haben Steuerpflichtige, die aufgrund des günstigen Ausgangs eines Musterprozesses einen Nachzahlung erhalten, keinen Anspruch auf Verzinsung, selbst wenn ihr Einspruch im Hinblick auf den Musterprozess vom FA ausgesetzt worden ist.
Normenkette
AO 1977 § 236 Abs. 1, 1 S. 1; FGO § 66 Abs. 1; AO 1977 § 233 S. 1
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Festsetzung von Prozesszinsen.
Der Kläger ist Vater eines am 00.00.0000 geborenen behinderten Kindes. Er bezieht für dieses Kind, dessen anrechenbare eigenen Einkünfte die im Einkommensteuergesetz (-EStG-) genannten Höchstbeträge nicht überschreiten, Kindergeld.
Mit Bescheid vom 21.07.1998 hob der Beklagte die Festsetzung des Kindergeldes mit Wirkung ab Juni 1998 gemäß § 70 Absatz 3 EStG auf, da für das Kind Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz gezahlt wurden. Diese wurden für die Deckung des Lebensunterhaltes des Kindes als ausreichend erachtet. Das Vorliegen der Voraussetzungen des § 32 Absatz 4 Satz 1 Nr. 3 EStG wurde verneint.
Mit Schriftsatz vom 11.12.1999 beantragte der Kläger erneut Kindergeld. Mit Bescheid vom 28.07.2000 wurde, nachdem die Einkommensverhältnisse des Kindes erneut überprüft waren, rückwirkend für die Zeit ab Juni 1998 wieder Kindergeld für das behinderte Kind festgesetzt. Dem Kläger wurde eine Kindergeldnachzahlung von Juni 1998 bis Juli 2000 in Höhe von 6.430,00 DM gewährt, die bei diesem am 04.08.2000 einging.
Der Kläger beantragte nunmehr mit Schreiben vom 30.03.2001 für das nachgezahlte Kindergeld „Verzugszinsen” auf der Grundlage des § 236 Abgabenordnung (-AO-). Diesen Antrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 09.04.2001 ab. Zur Begründung führte er an, dass die Voraussetzungen des § 236 AO nicht vorlägen, da die Zuerkennung des Kindergeldanspruchs nicht durch oder während eines gerichtlichen Verfahrens erfolgte.
Nach einem erfolglosen Einspruchsverfahren gegen diesen Bescheid erhob der Kläger am 23.07.2001 Klage, mit der er im Wesentlichen folgendes vorträgt:
Schon durch die lückenlose Neufestsetzung des Kindergeldes ab Juni 1998 sei erwiesen, dass die Kindergeldaufhebung im Juli 1998 widerrechtlich erfolgt sei. Er habe gegen diese Kindergeldaufhebung Einspruch erhoben, der abgelehnt wurde. Unterlagen darüber seien jedoch nicht mehr vorhanden.
Ein Anspruch auf Prozesszinsen auf Erstattungsbeträge bestehe aber immer dann, wenn die Gewährung der Steuervergütung aufgrund einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung erfolgt sei. Dies sei auch beim Kläger der Fall, da die Nachzahlung aufgrund einer Grundsatzentscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 15.10.1999, Az.: VI R 183/97, VI R 40/98 und VI R 182/98 erfolgt sei, und nicht wie vom Beklagten behauptet aufgrund eines Antrags des Klägers.
In diesem Zusammenhang dürfe man sich nicht am Begriff der „Rechtshängigkeit” festhalten. Dieser sei im Zusammenhang mit § 236 AO nicht als Anspruchsvoraussetzung, sondern als Terminbestimmung zu verstehen.
Zudem habe die Familienkasse C in gleichgelagerten Fällen (Az.: … und …) Prozeßzinsen gezahlt. In beiden Fällen hätten die Kindergeldberechtigten zwar geklagt, es sei aber in keinem Fall zu einer mündlichen Verhandlung gekommen, da der Beklagte dem Begehren der Kläger jeweils in vollem Umfang entsprochen habe und beide Beteiligte anschließend die Hauptsache für erledigt erklärt hätten. Insoweit sei auch in diesen Fällen die Kindergeldnachzahlung nicht erstritten worden.
Da in diesen Fällen Prozesszinsen gezahlt worden seien, hier jedoch nicht, obwohl in allen Sachverhalten die Nachzahlung des Kindergeldes aufgrund der Grundsatzentscheidung des BFH erfolgt sei, liege ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG vor. Ihm dürften die Prozesszinsen nicht verweigert werden, nur weil er nicht geklagt habe. Im Übrigen handele es sich bei der Aufhebung der Kindergeldzahlung um einen reinen Willkürakt der Behörde, der einer Hinterziehung des Kindergeldes gegenüber den Berechtigten gleichstehe.
Der Kläger beantragt (sinngemäß),
den Beklagten zu verpflichten, zu seinen Gunsten unter Aufhebung des Bescheids vom 09.04.2001 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27.06.2001 Prozesszinsen für eine Kindergeldnachzahlung aus den Monaten Juni 1998 bis Juli 2000 in Höhe von 351,– DM festzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er trägt dazu vor, dass Prozesszinsen gemäß § 236 Absatz 1 AO immer dann entstünden, wenn das Kindergeld durch eine rechtskräftige Entscheidung oder auf Grund einer solchen Entscheidung gewährt werde. Diese Voraussetzungen seien vorliegend nicht erfüllt. Es reiche nicht aus, dass Kindergeld aufgrund eines Musterprozesses, den ein anderer Kindergeldberechtigter geführt habe, rückwirkend festgesetzt...