rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Nur begrenzter Werbungskostenabzug für häusliches Arbeitszimmer eines Vertriebsbeauftragten. Verfassungsmäßigkeit der Arbeitszimmerregelung. Arbeitszimmer als Mittelpunkt der gesamten Tätigkeit. Einkommensteuer 1996
Leitsatz (amtlich)
1. Ob das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen bildet, bestimmt sich danach, wo er nach allgemeiner Verkehrsauffassung die für seinen unternehmerischen oder beruflichen Erfolg wesentlichen Leistungen erbringt (vgl. Literatur). Nach diesem Maßstab liegt der Tätigkeitsmittelpunkt bei einem nichtselbständigen Vertriebsbeauftragten im Außendienst mit einem überregionalen Außendienstgebiet auch dann nicht im häuslichen Arbeitszimmer, wenn er dort die Vor- und Nachbereitung seiner Außendiensttätigkeit erledigt.
2. § 4 Abs. 5 Nr. 6b EStG ist nicht verfassungswidrig.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 5 Nr. 6b S. 3, § 9 Abs. 5, §§ 19, 4 Abs. 5 Nr. 6b S. 2; GG Art. 3 Abs. 1
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Kläger werden als Ehegatten zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielt als Vertriebsbeauftragter … im Außendienst Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Andere berufliche und betriebliche Tätigkeiten übte er ausweislich der Steuererklärung im Streitjahr nicht aus.
In ihrer Einkommensteuererklärung machten die Kläger Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer des Klägers in Höhe von 4.102,37 DM (anteilige Wohnungsmiete, Nebenkosten und Strom als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend. Dazu führen sie aus, das Arbeitszimmer bilde den Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit, da von hier aus die gesamte Organisation der Außendiensttätigkeit durchgeführt und die Außendiensttätigkeit auch von hier aus angetreten werde. Aus diesem Grunde seien die Kosten ohne Begrenzung abzugsfähig).
Mit dem Einkommensteuerbescheid vom 20.10.1997 berücksichtigten der Beklagte die Kosten des Arbeitszimmers nur mit dem Höchstbetrag des § 4 Abs. 5 Nr. 6 b Satz 3, 1. Halbsatz EStG 2.400,00 DM. Zur Begründung wies er darauf hin, daß bei Arbeitnehmern mit Außendiensttätigkeit der Außendienstbezirk (Reisegebiet), und nicht das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten beruflichen Tätigkeit darstelle. Die Regelung des § 4 Abs. 5 Nr. 6 b Satz 3, 2. Halbsatz EStG sei daher nicht einschlägig.
Mit dem hiergegen erhobenen Einspruch verwiesen die Kläger auf das Urteil des BFH vom 02.02.1994 VI R 109/89 (BStBl II 1994, 422), wonach bei Handelsvertretern, deren Tätigkeit im wesentlichen durch den täglichen mehrfachen Ortswechsel geprägt sei, das Reisegebiet nicht als Tätigkeitsmittelpunkt angesehen werden könne. Da dem Kläger von seinem Arbeitgeber kein Büro zur Verfügung gestellt werde, könne der Mittelpunkt seiner beruflichen Tätigkeit nur in dem häuslichen Arbeitszimmer belegen sein. Die Frage des Tätigkeitsmittelpunktes sei nicht nach zeitlichen, sondern nach qualitativen Gesichtspunkten zu beurteilen. Über eine irgendwie geartete zeitliche Begrenzung sei dem Gesetzeswortlaut nichts zu entnehmen.
Nach Erörterung wies der Beklagte den Einspruch am 03.04.1994 als unbegründet zurück. Zur Begründung bezog er sich auf Tz. des BMF-Schreibens vom 22.01.1998 (BStBl I 1998, 129), wonach der Mittelpunkt der gesamten beruflichen und betrieblichen Betätigung im Sinne des § 4 Abs. 5 Nr. 6 b Satz 3, 2. Halbsatz EStG anzusiedeln sei, wo sich nach dem Gesamtbild der Verhältnisse der Tätigkeitsschwerpunkt befinde. Es sei darauf abzustellen, wo die Tätigkeit tatsächlich nachhaltig ausgeübt werde. Die qualitative Gewichtung der Tätigkeiten sei nicht allein ausschlaggebend. Eine dauerhafte Tätigkeit außerhalb des Arbeitszimmers – und sei es auch an verschiedenen Orten – sei schädlich. Bei Arbeitnehmern, die ihre Arbeitsleistung typischerweise weitgehend im Außendienst erbrachten, liege der Tätigkeitsschwerpunkt demnach nicht im häuslichen Arbeitszimmer. Daß ein anderer Arbeitsplatz nicht zur Verfügung stehe, sei bereits Voraussetzung des begrenzten Abzugs nach § 4 Abs. 5 Nr. 6 b Satz 3, 1. Halbsatz EStG und könne daher den vollen Abzug der entstandenen Kosten nicht rechtfertigen. Das Urteil des BFH vom 02.02.1994, a.a.O., behandele die Frage der regelmäßig Arbeitsstätte im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG, und nicht den Begriff des Tätigkeitsmittelpunkts im Sinne des § 1 Abs. 5 Nr. 6 b EStG. Auch wenn das Außendienstgebiet im Streitfall keine regelmäßige Arbeitsstätte sei, besage dies somit nicht, daß das häusliche Arbeitszimmer den Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit im Sinne des § 4 Abs. 5 Nr. 6 b EStG darstelle.
Mit der vorliegenden Klage tragen die Kläger ergänzend vor, daß bei zeitlicher Abgrenzung der überwiegende Teil der Tätigkeit des Klägers auf den Außendienst entfalle. Zu seiner Tätigkeit gehöre aber auch die Erledigung administrativer Aufgaben, wie z. B. Besuchsvor- und -nachbereitung, telefon...