Nachgehend
Tatbestand
Der Kläger ist Niederländer und hat mit seiner Familie in den Niederlanden seiner Wohnsitz. Er war im Streitjahr als Arbeitnehmer einer niederländischen Firma an 223 Tagen für ein im Inland ansässiges Unternehmen tätig. Unstreitig kehrte er täglich an seinen Wohnsitz in den Niederlanden zurück und hat dort übernachtet.
Der Beklagte betrachtete den Arbeitslohn des Klägers, der im Inland nicht dem Lohnsteuerabzug unterworfen worden war, als beschränkt steuerpflichtige Einkünfte im Sinne des § 49 Abs. 1 Nr. 4 EStG. Die Ausnahmeregelung des Artikels 10 Abs. 2 DBA-Niederlande, wonach das Besteuerungsrecht dem Wohnsitzstaat zusteht, hielt er nicht für anwendbar. Dementsprechend forderte er mit Bescheid vom … vom Kläger die auf den Arbeitslohn aus der inländischen Tätigkeit entfallende Lohnsteuer nach. Den hiergegen eingelegten Einspruch vom …, mit dem der Kläger sich auf die Ausführungen des BFH im Urteil vom 10.5.1989 I R 50/85, BStBl II 1989, 755 zur Auslegung des Artikels 10 Abs. 2 DBA-Niederlande berief, wies er mit Einspruchsentscheidung vom 27.3.1992 zurück. Zur Begründung führte er aus, nach Artikel 10 Abs. 2 Nr. 1 DBA-NL sei unter anderem Voraussetzung, daß sich der Arbeitnehmer vorübergehend, zusammen nicht mehr als 183 Tage im Laufe eines Kalenderjahres, in dem anderen Staat aufhalte. Diese Voraussetzung sei im Streitfall nicht erfüllt, da der Kläger an 223 Tagen in der Bundesrepublik nichtselbständig tätig gewesen sei. Er habe sich mithin an mehr, als 183 Tagen im Sinne des DBA-NL in der Bundesrepublik Deutschland aufgehalten. Soweit der BFH im Urteil vom 10.5.1989 die Auffassung vertrete, Arbeitnehmer, die arbeitstäglich zu ihrem Wohnsitz im Ausland zurückkehrten, hielten sich nicht im Sinne des Artikels 10 Abs. 2 Nr. 1 DBA-NL in der Bundesrepublik auf, könne dem nicht gefolgt werden. Nach Sinn und Zweck der DBA-Regelung reiche es aus, daß der Arbeitnehmer zur Arbeitsausübung gegenwärtig sei, um den Begriff des „sich Aufenthaltes” zu erfüllen. Das Vorliegen eines „gewöhnlichen Aufenthalts” im Sinne des § 9 AO sei nicht erforderlich. Dies ergebe sich schon aus der englischen Fassung des OECD Musterabkommens. Die dort verwendete Formulierung „the recipient is present in the other state”, in der deutschen Fassung mit „sich aufhält” übersetzt, könne nicht wie der Begriff „gewöhnlicher Aufenthalt” im Sinne des § 9 AO ausgelegt werden.
Mit seiner hiergegen am … erhobenen Klage vertritt der Kläger die Auffassung, nicht die englische Fassung des OECD-Musterabkommens sei maßgebend für die Auslegung des DBA-NL, sondern dessen Wortlaut in deutscher und niederländischer Sprache.
Der Kläger beantragt,
den Lohnsteuernachforderungsbescheid 1989 vom … nebst Einspruchsentscheidung vom … aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er meint, die Ausnahmeregelung des Artikels 10 Abs. 2 DBA-NL wolle für „Bagatellfälle” die Besteuerung beim Wohnsitzstaat belassen und den Grundsatz der Besteuerung im Tätigkeitsstaat nicht auch für derartige Fälle von geringerer steuerlicher Bedeutung durchsetzen. Von einem Bagatellfall könne aber dann nicht mehr gesprochen werden, wenn die 183-Tage-Grenze überschritten werde, der Steuerpflichtige also nicht nur vorübergehend in dem anderen Staate tätig werde. In diesem Fall solle das Besteuerungsrecht – dem Grundsatz des Artikels 10 Abs. 1 DBA-NL folgend – dem Tätigkeitsstaat zustehen. Dabei könne es nicht darauf ankommen, ob der Arbeitnehmer arbeitstäglich nach Hause fahre oder nicht. Die Auslegung im BFH-Urteil vom 10.5.1989 sei sinnwidrig, da sie im Ergebnis die unbeschränkte Steuerpflicht (gewöhnlicher Aufenthalt, § 1 Abs. 1 Satz 1 EStG) verlange, um zur Anwendung des Grundsatzes (Artikel 10 Abs. 1 DBA-NL: Besteuerung im Tätigkeitsstaat) zu gelangen.
Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Der angefochtene Lohnsteuernachforderungsbescheid ist rechtswidrig, da das Besteuerungsrecht für die streitigen Einkünfte nicht der Bundesrepublik zusteht.
Nach Artikel 10 Abs. 1 DBA-NL steht das Besteuerungsrecht der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, die – wie im Streitfall – in der Bundesrepublik ausgeübt wird, grundsätzlich der Bundesrepublik zu. Allerdings erfährt dieser Grundsatz durch Artikel 10 Abs. 2 DBA-NL eine Ausnahme. Die Ausnahme greift jedoch nur dann ein, wenn alle in der Vorschrift genannten Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind.
Zu Unrecht hält der Beklagte Artikel 10 Abs. 2 DBA-NL für nicht anwendbar, weil der Kläger an mehr als 183 Tagen in der Bundesrepublik nichtselbständig tätig gewesen ist. Dieser Auslegung steht nicht im Einklang mit dem Wortlaut des Artikels 10 Abs. 2 Nr. 1 DBA-NL, wonach der Arbeitnehmer sich vorübergehend, zusammen nicht mehr als 183 Tage im Laufe eines Kalenderjahres, in dem anderen Staat „aufhalten” muß. Aufenthalt ist nicht gleichbedeutend mit Tätigkeit, wie der Vergleich mit den Formulierungen in Nr. 2 und N...