Entscheidungsstichwort (Thema)

Wohnungsbegriff i.S. des § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG

 

Leitsatz (redaktionell)

Bei der Auslegung des Begriffs „eine Wohnung” ist restriktiv von einem streng numerischen Verständnis des Rechtsbegriffs auszugehen. Die Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG erfasst nur eine Wohnung.

 

Normenkette

ErbStG § 13 Abs. 1 Nr. 4c

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger die Steuerbefreiung gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4c des Erbschaftsteuergesetzes – ErbStG – für eine weitere Wohnung in Anspruch nehmen kann.

Der Kläger ist von Beruf … und …. Er ist Alleinerbe seiner am ….09.2015 verstorbenen Mutter, Frau A (Erblasserin). Der Nachlass setzt sich aus diversen Bankguthaben sowie hälftigen Miteigentumsanteilen an drei Grundstücken zusammen. In dem streitgegenständlichen Mehrfamilienhaus B-Straße … in F (Gesamtwohnfläche 490 qm) hatte die Erblasserin bis zu ihrem Tode zwei Wohnungen für sich und ihren Sohn, den Kläger, inne. Die Wohnung im Erdgeschoss ist 115 qm groß und räumlich nicht mit der Wohnung im Obergeschoss (125 qm) verbunden. Beide Wohnungen sind nur über das gemeinschaftliche Treppenhaus, welches auch von den übrigen Mietern genutzt wird, erreichbar. Der anliegende Garten, welcher ausschließlich von der Familie des Klägers genutzt werden durfte, konnte nur durch die Erdgeschosswohnung betreten werden. Beide Wohnungen wurden von der Erblasserin und dem Kläger gemeinsam genutzt. In der oberen Wohnung befanden sich die Schlafzimmer der Familienmitglieder (auch des Klägers), ein Badezimmer, die Küche und ein Wohnzimmer. Diese Wohnung wurde bereits vor dem Tod des Ehemanns der Erblasserin im Jahr 1995 ausschließlich privat in der oben beschriebenen Art und Weise genutzt. In der Wohnung im Erdgeschoss befanden sich zwei Arbeitszimmer, welche früher vom Kläger und von dessen Vater für dessen Berufsausübung als … genutzt wurden. Nach dem Tod des Vaters blieb dessen Arbeitszimmer unverändert eingerichtet. Zudem befanden sich ein Wohnzimmer, ein Badezimmer und eine Küche in der Erdgeschosswohnung. Wenn Gäste zu Besuch waren, wurden diese ausschließlich in der Erdgeschosswohnung empfangen.

Seit Oktober 2010 hielt sich die Klägerin überwiegend in der oberen Wohnung (1. Obergeschoss) auf.

Nach dem Tod der Erblasserin hielt der Kläger an der räumlichen Aufteilung und Nutzungsweise der beiden Wohnungen unverändert fest.

Mit Bescheid vom 29.08.2016 setzte der Beklagte erstmalig die Erbschaftsteuer unter dem Vorbehalt der Nachprüfung fest. Diesen Bescheid änderte er am 25.10.2016 wegen gesonderter Feststellungen der Grundstückswerte und hob zugleich den Vorbehalt der Nachprüfung auf. Im Änderungsbescheid berücksichtigte der Beklagte die gesetzliche Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG im streitgegenständlichen Objekt nur hinsichtlich der Wohnung im Obergeschoss in Höhe von 103.066 €. Dieser Betrag berechnete sich nach dem für den Miteigentumsanteil an dem Objekt B-Straße … in F gesondert festgestellten Grundstückswert von 404.015 € (s. Feststellungsbescheid vom 11.10.2016) bezogen auf 125 qm im Verhältnis zu einer Gesamtwohnfläche von 490 qm. Eine Steuerbefreiung für die 115 qm große Erdgeschosswohnung wurde nicht berücksichtigt.

Mit seinem gegen den Änderungsbescheid eingelegten Einspruch begehrte der Kläger die Steuerfreistellung für beide Wohnungen, begrenzt auf 200 qm. Mit Einspruchsentscheidung vom 21.03.2017 hat der Beklagte den Einspruch als teilweise unbegründet zurückgewiesen und die Erbschaftsteuer auf 194.028 € festgesetzt. Er vertrat die Ansicht, dass eine Steuerbefreiung nur für eine der beiden Wohnungen in Betracht kommen könne. § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG spräche in seinem Wortlaut nur davon, dass „eine Wohnung zu eigenen Wohnzwecken” genutzt werden würde. Das Wort „eine Wohnung” sei dabei nummerisch zu verstehen. Daher sei dem Gesetz das Merkmal der Singularität des Familienheims als abgeschlossenen Bereich zu entnehmen. Beide Wohnungen an der B-Straße … würden jedoch eigene abgeschlossene Einheiten darstellen. Eine Steuerbefreiung käme daher nur für eine, nicht jedoch für beide Wohnungen in Betracht.

Hiergegen hat der Kläger am 13.04.2017 die vorliegende Klage erhoben, mit der er sein Begehren aus dem Verwaltungsverfahren weiter verfolgt und zudem erstmals den Pflegefreibetrag für die jahrelange Pflege seiner Mutter in Höhe von 20.000 € geltend macht. Der Kläger ist weiterhin der Ansicht, die Vorschrift des § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG sei gerade nicht nummerisch zu interpretieren. Vielmehr sei auf ihren Zweck abzustellen. Das Wort „eine” stelle lediglich einen unbestimmten Artikel dar, welcher sich auch auf eine Gesamtheit beziehen könne. Einzige vom Gesetzgeber in das Gesetz aufgenommene Beschränkung sei die Quadratmeterregelung. Zur Begründung verweist der Kläger auf die Gesetzesbegründung, welche nur von einer „an die Quadratmeterzahl gebundenen Regelung” spreche.

Am 05.09.2018 hat die Berichterstatterin einen Erörterungstermin mit den Beteiligten durchgeführt. Auf den...

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