rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Annahme einer gemischen Schenkung bei grobem Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung. Aussetzung der Vollziehung
Leitsatz (redaktionell)
Bei dem Erwerb eines nießbrauchbelasteten Grundstücks mit einem Verkehrswert von 252.000 DM für einen Kaufpreis von 120.000 DM besteht ein auffallend grobes Missverhältniss zwischen Leistung und Gegenleistung, welches den Vertragschließenden - auch bei einem voll geschäftsfähigen 85-jährigen Verkäufer - bekannt und bewusst sein muss, so dass die Zuwendung im Umfang der Bereicherung des Bedachten unentgeltlich und damit schenkungsteuerpflichtig ist (hier summarische Beurteilung im Verfahren der Aussetzung der Vollziehung).
Normenkette
ErbStG 1997 § 7 Abs. 1 Nr. 1; FGO § 69 Abs. 2-3
Gründe
I.
Streitig ist im Einspruchsverfahren, ob eine gemischte Grundstücksschenkung vorliegt, weil ein grobes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung gegeben sei (75, 68 %).
Wegen des Sachverhalts im Einzelnen wird auf die Akten und die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.
Der Antragsteller (ASt) beantragt die Aussetzung der Vollziehung des SchenkSt-Bescheids vom 05.06.2000 in Höhe von 82.616 DM wegen ernstlicher Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit.
Der Antragsgegner (Finanzamt-FA-) beantragt die Ablehnung des Antrags.
II.
Der Antrag ist teilweise begründet.
Bei der im Aussetzungsverfahren gebotenen und auch ausreichenden summarischen Beurteilung des aktenkundigen Sachverhalts treten neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, dagegen sprechende Gründe zutage, die eine Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Streitsache in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht bewirken (§ 69 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 Finanzgerichtsordnung -FGO-; Bundesfinanzhof-BFH-Beschlüsse vom 15. Januar 1998 IX B 25/97, BFH/NV 1998, 994; vom 24. Februar 2000 IV B 83/99, BStBl II 2000, 298).
Streitig ist im vorliegenden Fall eigentlich nur, ab welchem Missverhältnis der Verkehrswerte von Leistung und Gegenleistung (sog. gemischte Schenkung) auf einen Willen des Zuwendenden zur Unentgeltlichkeit geschlossen werden kann. Nachdem es jedoch im vorliegenden Fall um die Rechtmäßigkeit des Steuerbescheids auch der Höhe nach geht, ist der Anspruch zum Teil begründet.
Nach der BFH-Rspr. (s. BFH-Urteil vom 01.07.1992 II R 70/88, BStBl II 1992, 921 a.E.) ist bei einemauffallenden Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung (im Zeitpunkt des Rechtsgeschäfts) davon auszugehen, dass die Zuwendung im Umfang der Bereicherung unentgeltlich war, d.h. dass dem Zuwendenden der Wertunterschied bekannt und bewusst war (s. Troll, ErbStG § 7 Rz. 289 m.w.N.). Selbst wenn man aufgrund des BFH-Urteils vom 10.09.1986 II R 81/84, BStBl II 1987, 80, 81 einauffallend grobes Missverhältnis voraussetzen sollte und darin eine strengere Anforderung sehen sollte, obwohl in den Gründen wiederum nur von einem auffallenden Missverhältnis die Rede ist, liegt nach Auffassung des Senats ein solches hier vor. Entgegen der Auffassung des ASt kann man nicht entsprechend der BGH-Rspr. zum Wuchertatbestand des § 138 BGB (s. Palandt, BGB, 60. Aufl., § 138 Anm. 68) ein solches Missverhältnis erst ab 100 % Wertunterschied bejahen. Bei der Bejahung des Wuchertatbestands geht es schließlich um die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts als solches, also um eine Ausnahmeregelung. Bei summarischer Prüfung ergibt sich aus dem vom ASt vorgelegten Gutachten ein Verkehrswert des nießbrauchbelasteten bebauten Grundstücks bzw. Erbbaurechts von 252 000 DM (Bl. 31 des Gutachtens), dem ein Kaufpreis von 120.000 DM (Bl. 91) gegenübersteht. Ein Missverhältnis von weit über 51 % (zu den Wertgrenzen vgl. Troll DStR 1984, 11, 16, der in Anlehnung an A 44 und 123 EStR im Gegensatz zu anderen Autoren, die nur 20 – 25 % fordern, dieses Missverhältnis fordert). Auch der Vergleich mit dem Kaufpreis für den zwischenzeitlich erfolgten Erwerb der anderen Erbbaurechtshälfte in Höhe von 280 000 DM am 16.04.1999 deutet auf ein solches Missverhältnis hin. Der damalige auf die Lebensdauer des 85-jährigen Verkäufers beschränkte Nießbrauchsvorbehalt sowie die theoretische Möglichkeit einer Zwangsversteigerung durch die betreute Miteigentümerin und Ehefrau, die der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts bedurft hätte, sind keine wesentlich wertmindernden Faktoren.
Dass lediglich der Gebäudewert bei der Bemessung der Gegenleistung eine Rolle gespielt haben soll und nicht der Umstand, dass das Haus noch auf einem über 50 Jahre dauernden Erbbaurecht stand, und demnach infolge dieses Irrtums ein Wille zur Unentgeltlichkeit nicht vorgelegen habe, erscheint unglaubwürdig. Auch ein voll geschäftsfähiger 85-jähriger ist sich wohl aufgrund einer sog. Parallelwertung in der Laiensphäre (s. BFH-Urteil vom 02.03.1994 II R 59/92, BStBl II 1994, 366, 369) bewusst, dass bei Veräußerung eines Gebäudes auch Grund und Boden bzw. das Erbbaurecht wesentlicher Preisfaktor ist. Eine etwaige Einv...