rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Vom Erbschein abweichende Auslegung eines Testaments durch das FA; Maßgeblichkeit eines Erbvergleichs
Leitsatz (redaktionell)
1. Zur Auslegung eines Testaments durch das die Erbschaftsteuer festsetzende FA entgegen dem Erbschein: Testamente müssen entsprechend dem wahren Willen des Erblassers ausgelegt werden. Für die Auslegung sind auch außerhalb der Testamentsurkunde liegende Umstände heranzuziehen, sofern sie einen - wenn auch unvollkommenen Ausdruck - im Testament gefunden haben.
2. Bei einem Erbvergleich, bei dem es um die vertragliche Einigung zur Beseitigung von Streit oder Ungewissheit über erbrechtliche Verhältnisse geht, ist die Besteuerung so vorzunehmen als ob der Erblasser durch Vergütung von Todes wegen eine entsprechende Regelung getroffen hätte. Dabei richtet sich der Vermögensanfall nach dem Inhalt der Vereinbarung, d.h. nach dem, was tatsächlich aufgrund des Vergleichs erhalten wurde.
3. Einigen sich die Erben einvernehmlich darauf, ein Testament so auszulegen, dass Vorschenkungen auf die Erbteile anzurechnen sind, so stellt dies einen der Besteuerung zugrundezulegenden Erbvergleich dar.
Normenkette
ErbStG 1974 § 3 Abs. 1 Nr. 1; AO 1977 § 88; BGB §§ 2361, 2365
Gründe
I.
Streitig ist, ob Vorschenkungen auszugleichen sind.
Die am 23.11.1993 verstorbene Erblasserin (geb. 1924) … hatte in einem notariellen Testament vom 9.6.1976 (Bl. 4 FA-Akte) die acht Abkömmlinge ihrer Geschwister, darunter auch die Klin., zu Erben nach gleichen Anteilen eingesetzt.
Mit not. Urkunde vom 26.4.1990 (URNr. 653/90, Bl. 2 SchSt-Akte II überließ die Erblasserin der Klin, die Grundstücke Fl.Nr. 5243/6 und 5243/8 in der Gemarkung … unter Vorbehalt des Nießbrauchs. Mit Urkunden vom gleichen Tage (URNrn. 654/90, Bl. 2 SchSt-Akte I und URNr. 652/90, Bl. 2 SchSt-Akte III) überließ die Erblasserin zwei weiteren Miterbinnen gleichfalls Grundstücke und zwar Frau X. die Fl.Nr. 5243/9 und 5243/10 und Frau Y. die Fl.Nr. 3266/5 jeweils gleichfalls unter Vorbehalt des Nießbrauchs. In den Überlassungsverträgen war keine Klausel über eine Anrechnung bzw. Ausgleichung der Überlassungen enthalten.
In der Folgeurkunde vom gleichen Tage (URNr. 655/90, Bl. 6 FA-Akte) errichtete die Erblasserin ferner ein Testament, mit dem sie ein im Testament vom 9.6.1976 zu Gunsten ihres Ehemannes angeordnetes Vermächtnis aufhob und zugleich anordnete, dass die im Testament vom 9.6.1976 getroffene Erbeinsetzung bestehen bleibe.
Mit Auseinandersetzungs- und Überlassungsvertrag vom 23.7.1994 (Bl. 31 FA-Akte) setzten sich die 8 Miterben hinsichtlich des umfangreichen Grundbesitzes der Erblasserin auseinander. Die Klin, sowie die beiden Miterbinnen, die am 26.4.1990 gleichfalls Grundbesitz von der Erblasserin erhalten hatten, erhielten keinen Grundbesitz, sondern erklärten, dass sie durch die Vorempfänge hinsichtlich des Nachlasses der Verstorbenen mit den anderen Miterben bereits gleichgestellt seien. Sie seien deshalb hinsichtlich ihrer Erbansprüche bereits abgefunden. In einer privatschriftlichen Vorvereinbarung vom 23.4.1994 wurde der Klin, sowie einer weiteren Miterbin lediglich ein Barbetrag i.H. von jeweils 115.000 DM zugesprochen.
Mit Erbschaftsteuerbescheiden vom 25.6.1996 (Bl. 107 ff FA-Akte) setzte der Beklagte (Finanzamt) gegen die Klin, und die 7 Miterben Erbschaftsteuer aus jeweils 1/8 des unstreitigen Gesamtnachlasswertes von 1.326.369 DM + 165.796 DM fest. Bei der Klin, wurde der Vorerwerb i.H. von 206.019 DM einbezogen. Die für die Vorschenkung bezahlte Schenkungsteuer wurde zunächst nicht angerechnet.
Mit ihrem Einspruch machte die Klin. – neben der Anrechnung der Steuer für die Vorschenkung – geltend, dass sie anlässlich des Todes der Erblasserin nur noch 115.000 DM erhalten habe, da sie im übrigen bereits durch die Vorschenkung abgefunden worden sei. Die Erblasserin habe bei der Schenkung vom 26.4.1990 den Willen gehabt, die Klin, sowie die beiden weiteren Miterbinnen hinsichtlich des späteren Erbes abzufinden. Dieser Wille der Erblasserin habe sich in dem Auseinandersetzungsvertrag dokumentiert. Die Klin, legte eine Stellungnahme des die Übertragungen und das zweite Testament beurkundenden Notars vom 25.11.1996 (Bl. 256 FA-Akte) vor. Hiernach habe sein Sachbearbeiter bei der Formulierung des Testaments vom 26.4.1990 nicht daran gedacht, dass am gleichen Tage die Grundstücksüberlassung erfolgt sei. Nach seiner Kenntnis und Erinnerung sei es nicht die Absicht der Erblasserin gewesen, einzelne Nichten zu bevorzugen. Seines Erachtens habe die Erblasserin bei den Übertragungen vom 26.4.1990 lediglich eine vorweggenommene Erbfolgeregelung durchführen wollen. Dies ergebe sich auch aus der von den Erben tatsächlich durchgeführten Auseinandersetzung. Die drei Miterbinnen seien stets der Auffassung gewesen, dass sie nichts mehr zu beanspruchen hätten. Bei Kenntnis von einer zusätzlichen Erbschaftsteuerbelastung wäre wahrscheinlich der Erbteil ausgeschlagen worden. Sein Sachbearbeiter habe es offensichtlich über...