Entscheidungsstichwort (Thema)
Pfändungsschutz bei der Pfändung einer Lebensversicherung mit Gewinnbeteiligung und Rentenwahlrecht
Leitsatz (redaktionell)
1. Wird die gepfändete Forderung bereits während des außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens eingezogen, tritt die Erledigung vor Erhebung der Anfechtungsklage ein. In diesem Fall kann mit der Fortsetzungsfeststellungsklage die Feststellung der Rechtswidrigkeit des erledigten Verwaltungsakts begehrt werden.
2. Wird der Verstoß gegen eines der Pfändungsverbote für Lebensversicherungen substantiiert dargelegt, begründet dies regelmäßig das Feststellungsinteresse.
3. Alleingesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH sind vollstreckungsrechtlich als Selbstständige zu behandeln und genießen nicht den Pfändungsschutz für Arbeitnehmereinkommen gem. § 850 Abs. 3 Buchst. b ZPO.
4. Der Pfändungsschutz bei der Forderungspfändung erfasst grundsätzlich lediglich das Arbeitseinkommen und bestimmte gleichgestellte fortlaufende Bezüge des Vollstreckungsschuldners, nicht aber auch Einkommen u.a. aus Kapitalvermögen.
5. Pfändungsschutz nach § 851c Abs. 1 ZPO besteht grundsätzlich nur dann, wenn die genannten Voraussetzungen kumulativ im Zeitpunkt der Pfändung vorliegen. Dieses Erfordernis schließt die Kapitallebensversicherung mit Einmalzahlung im Erlebensfall aus dem Pfändungsschutz aus.
Normenkette
AO §§ 314, 319; ZPO § 850b Abs. 1 Nr. 4, § 850 Abs. 3b, § 851c Abs. 1; FGO § 100 Abs. 1 S. 4
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Streitig ist, ob die Vollstreckungsmaßnahme in eine Lebensversicherung rechtmäßig ist.
I.
Der Kläger ist Alleingesellschafter und Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH). Im Rahmen der Betriebsprüfung bei der GmbH stellte der Betriebsprüfer verdeckte Gewinnausschüttungen fest, die dem Kläger als Einkünfte aus Kapitalvermögen zugerechnet wurden. Aufgrund dieser Feststellungen änderte der Beklagte – das Finanzamt (FA) – die Einkommensteuerbescheide gegenüber dem Kläger im Jahr 2007 und fertigte Aufteilungsbescheide, nach denen die Rückstände vollständig auf den Kläger entfielen. Da der Kläger seiner Verpflichtung zur Bezahlung seiner Einkommensteuerschulden nicht nachkam, betrieb das FA, nachdem Mahnung und Vollstreckungsankündigung erteilt worden waren, gegen ihn die Zwangsvollstreckung wegen der Abgabenrückstände.
Der Kläger hat bei der [… AG] (Drittschuldner) im Jahr 1995 eine Lebensversicherung mit Gewinnbeteiligung und Rentenwahlrecht abgeschlossen. Ausweislich des Versicherungsscheins ist der Kläger die versicherte Person und der Leistungsempfänger im Erlebensfall; Leistungsempfänger im Todesfall ist die Ehefrau des Klägers.
Der Kläger schuldete am […] Oktober 2007 dem Freistaat Bayern Abgaben in Höhe von […100.000 EUR]. Wegen dieser rückständigen Abgaben pfändete das FA mit Verfügung vom […] Oktober 2007 alle Ansprüche, Forderungen und Rechte, die dem Kläger aus auf den Erlebens- und Todesfall abgeschlossenen Versicherungsverträgen gegenüber dem Drittschuldner zustehen und ordnete die Einziehung der gepfändeten Ansprüche, Forderungen und Rechte an. Die Pfändungs- und Einziehungsverfügung wurde dem Drittschuldner am […] Oktober 2007 zugestellt.
Mit Drittschuldnererklärung vom […] Oktober 2007 wurde dem FA u.a. mitgeteilt, dass die gepfändete Forderung als begründet anerkannt wird, der Kläger Versicherungsnehmer einer Lebensversicherung ist und zum […] November 2007 der Rückkaufswert [… 40.000 EUR] sowie das Überschussguthaben [… 4.000 EUR] beträgt. Mit Schreiben vom […] Oktober 2007 kündigte das FA gegenüber dem Drittschuldner die Lebensversicherung zum nächstmöglichen Termin. Der Drittschuldner teilte dem FA mit, dass er die Kündigung zum […] Dezember 2007 annehme. Zum Kündigungstermin erstellte der Drittschuldner eine Abrechnung über den Auszahlungsbetrag von [… 44.000 EUR] und kündigte an, dass er den Betrag zum […] Dezember 2007 überweisen werde.
Mit Schreiben vom […] November 2007 erhob der Kläger Einspruch gegen die Pfändungsund Einziehungsverfügung und beantragte die Aussetzung der Vollziehung. Die Pfändung und Einziehung der Lebensversicherung sei unzulässig. Er habe das Wahlrecht, das angesammelte Kapital in eine monatliche Altersrentenzahlung umzuwandeln. Da er über keine weitere Altersversorgung verfüge, werde mit hoher Wahrscheinlichkeit die Umwandlung erfolgen. Der Aufbau einer Altersrente genieße Pfändungsschutz nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung (ZPO). Außerdem seien die Ansprüche aus der Lebensversicherung für den Erlebensfall an die Ehefrau abgetreten.
Mit Schreiben vom […] November 2007 teilte der Drittschuldner dem FA und dem Kläger mit, dass ihm die Abtretung der Ansprüche an die Ehefrau erstmals am […] November 2007 mitgeteilt worden sei und eine Abtretung der Versicherungsleistungen erst mit der schriftlichen Anzeige bei ihm wirksam sei. Da die Pfändungs- und Einziehungsverfügung bereits am […] Oktober 2007 vorgelegen habe, sei diese gegenüb...