Entscheidungsstichwort (Thema)
Vereinbarkeit des § 16 Abs. 2 ErbStG mit EG-Recht. Zur Verfassungsmäßigkeit bzw. Vereinbarkeit mit EG-Recht des § 16 Abs. 2 ErbStG.. Erbschaftsteuer
Leitsatz (redaktionell)
Lediglich wenn der gesamte oder nahezu der gesamte Erwerb (ab 90 v.H. des gesamten Vermögens) aus im Inland der Erbschaftsbesteuerung unterliegendem Inlandsvermögen besteht, könnte die Freibetragsregelung des § 16 Abs. 2 ErbStG zu einer mittelbaren Diskriminierung im Ausland wohnender EG-Bürger führen.
Normenkette
ErbStG § 16 Abs. 2, § 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a, Nr. 3; EGV Art. 12; EGVtr Art. 43; EGV Art. 73b; EStG § 1 Abs. 3 S. 2; BewG § 121
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist nur noch, ob § 2 Abs. 1 Ziffer 1 i.V.m. §§ 16 Abs. 2 und 19 Erbschaftsteuergesetz (ErbStG) das Europäische Gemeinschaftsrecht verletzt.
I.
Die am 26.06.2000 in Innsbruck (Österreich) verstorbene Erblasserin … würde von ihrer Tochter, der Klägerin allein beerbt.
Sowohl die Erblasserin als auch die Klägerin hatten am Todestag ihren Wohnsitz in Innsbruck; sie hielten sich in den letzten fünf Jahren vor dem Todestag dauernd im Ausland auf, ohne in der Bundesrepublik Deutschland einen Wohnsitz zu haben. Beide besaßen ausschließlich die österreichische Staatsangehörigkeit.
Mit Erbschaftsteuerbescheid vom 30.05.2001 setzte das Finanzamt die Erbschaftsteuer wie folgt fest:
Wert des Erwerbs:
Landsgrundstück … 1/3-Anteil |
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Wert lt. Feststellungsbescheid des Finanzamts M. und Verkehrsteuern vom 13.03.2001 |
1.088.000,00 DM |
./. Darlehen |
5.455,00 DM |
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1.082.545,00 DM |
./. Freibetrag gemäß § 16 Abs. … ErbStG |
2.000,00 DM |
steuerpflichtiger Erwerb – abgerundet |
1.080.500,00 DM |
Steuerklasse I, Steuersatz gem. § 19 Abs. 3 AO: 15 % × 1.000.000,00 DM = 150.000,00 DM 1/2 × 80.000,00 DM = 40.250,00 DM |
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190.250,00 DM |
Der Bescheid erging vorläufig gemäß § 165 Abs. 1 AO hinsichtlich der Kosten für den Erbfall, da diese noch nicht bekannt waren.
Ihren Einspruch begründete die Klägerin damit, dass – obwohl die festgesetzte Erbschaftsteuer, beruhend auf dem Feststellungsbescheid rein rechnerisch richtig errechnet sei – der vorliegende Erbschaftsteuerbescheid das Europäische Gemeinschaftsrecht in gravierendem Ausmaß verletze, und zwar hinsichtlich der Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit und des Diskriminierungsverbots aufgrund der Staatsangehörigkeit des Art. 6 EG-Vertrag.
Der Einspruch blieb im Wesentlichen erfolglos. Lediglich wegen der Anerkennung im Einspruchsverfahren geltend gemachten Nachlaßverbindlichkeiten setzte das Finanzamt die Erbschaftsteuer auf 183.100 DM herab, weiterhin vorläufig gemäß § 165 Ab 1 AO bezüglich der Erbfallkosten (s. Einspruchsentscheidung vom 12.10.2001, Bl. 83 FA-Akte).
Mit der Klage trägt die Klägerin wiederum vor, dass die Bestimmung des § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG i.V.m. §§ 16, 19 ErbStG gravierend gemeinschaftswidrig sei.
Der normative Inhalt, der für den gegenständlichen Fall maßgeblich sei, besage, dass der nicht deutsche Staatsbürger, der auch keinen Wohnsitz in Deutschland habe, keinen Freibetrag im Sinne des § 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG zugebilligt erhalte. Diesen Freibetrag erhalte dagegen der deutsche Staatsbürger wie auch jener ausländische Staatsbürger, der in Deutschland seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt habe.
Die Bestimmung des § 2 ErbStG beinhalte demnach eine Diskriminierung hinsichtlich der Staatsangehörigkeit wie auch hinsichtlich des Grundrechtes der Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit, weil deutsche Staatsbürger und nicht deutsche Staatsbürger unterschiedlich behandelt würden.
Auch der deutsche Staatsbürger, der seit mehr als fünf Jahren keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland habe, werde im Erbschaftsteuerrecht schlechter behandelt als ein deutscher Staatsbürger im Inland oder ein Ausländer, der in Deutschland lebe und seinen gewöhnlichen Aufenthalt habe. In diesem Umfang werde daher die Grundsäule des Gemeinschaftsrechtes der Niederlassungsfreiheit gravierend verletzt.
Die Klägerin verweist in diesem Zusammenhang auf zwei Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes, nämlich auf die Entscheidung C 35/98, woraus hervorginge, dass der Freibetrag für Dividenden im Einkommensteuergesetz im Gemeinschaftsbereich der Europäischen Gemeinschaft gleichhoch sein müsse. Unterschiedliche Freibeträge seien demnach verbotswidrig und verletzten den Grundsatz der Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit. Aber auch die Entscheidung C 251/98 sei auf den gegenständlichen Fall anwendbar, welche besagt, dass jede Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit unterlassen werden müsse. In diesem Bezugsfall sei es um einen Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates gegangen, der in diesem wohnte und sämtliche Anteile an einer Gesellschaft gehalten habe, die ihren Sitz in einem anderen Mitgliedstaa...