Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsschutz gegen die Vollstreckung österreichischer Straferkenntnisse (Geldbußen) wegen Nichterteilung der Lenkerauskunft
Leitsatz (redaktionell)
1. Rechtsgrundlage für die Vollstreckung eines Straferkenntnisses einer österreichischen Bezirkshauptmannschaft wegen einer Verwaltungsübertretung ist der Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über Amts- und Rechtshilfe in Verwaltungssachen.
2. Einwendungen gegen die Rechtswirksamkeit bzw. Rechtmäßigkeit des zu vollstreckenden österreichischen Straferkenntnisses können bei vorbeugendem Rechtsschutz mit einer einstweiligen Anordnung geltend gemacht werden.
3. Will ein Kläger gegen eine drohende inländische Vollstreckung einwenden, dass der ausländische Vollstreckungstitel im Inland nicht vollstreckbar sei, kann dies auch mit einer Feststellungsklage geltend gemacht werden.
4. Das FG ist zu der Prüfung verpflichtet, ob die Vollstreckung des ausländischen Titels in Deutschland gegen die öffentliche Ordnung (ordre public) verstößt, wenn der in Deutschland ansässige Kläger substantiiert besondere Umstände vorträgt, die einen Verstoß gegen den ordre public zumindest möglich erscheinen lassen.
5. Die Vollstreckung einer österreichischen Strafverfügung wegen der Nichterteilung der Lenkerauskunft widerspricht den wesentlichen Rechtsgrundsätzen der verfassungsmäßigen Ordnung der BRD.
Normenkette
FGO § 41 Abs. 1-2, § 40 Abs. 1, § 69 Abs. 3, § 114 Abs. 1 S. 2, § 33 Abs. 1 Nr. 2; AO § 256; BayVwZVG Art. 25 Abs. 2; AHiVwVtr AUT Art. 4 Abs. 1, Art. 9 Abs. 6; StVG § 25a
Tenor
1. Es wird festgestellt, dass die Vollstreckung aus dem Vollstreckungsersuchen der Bezirkshauptmannschaft […] vom 6. Juni 2013 rechtswidrig ist. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger zu 50%, der Beklagte zu 50%.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für den Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten des Klägers die Vollstreckung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
Streitig ist, ob die Vollstreckung einer österreichischen Strafverfügung in Deutschland zulässig ist.
I.
Das auf den Kläger zugelassene Kraftfahrzeug (Kfz) mit dem amtlichen Kennzeichen [… XX-A 9999] war am [00.] März 2012 in der Zeit zwischen 13:02 und 13:17 Uhr in der Gemeinde [… B-Dorf] in Österreich (Tirol) in einer gesondert gekennzeichneten abgabepflichtigen Kurzparkzone abgestellt worden, ohne dass ein Parkschein angebracht worden war. Wegen der Verletzung des § 14 Abs. 1 lit. a i.V.m. § 8 Abs. 1 Tiroler Parkabgabengesetz (tParkAbgG) erließ die Bezirkshauptmannschaft […] gegenüber dem Kläger am 22. August 2012 eine Strafverfügung mit einer Geldstrafe über 40 EUR und für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe eine Ersatzfreiheitsstrafe in Höhe von 12 Stunden. Gegen diese Strafverfügung vom 22. August 2012 erhob der Kläger einen Einspruch und begehrte die Einstellung des Verfahrens mit der Begründung, dass er nicht der Lenker des Kfz gewesen sei.
Darauf forderte die Bezirkshauptmannschaft den Kläger mit Schreiben vom 6. September 2012 auf, mitzuteilen, wer das Fahrzeug am [00]. März 2012 um 13:02 Uhr in [… B-Dorf] zuletzt vor dem genannten Zeitpunkt dort abgestellt habe. In dem Aufforderungsschreiben wurde der Kläger darauf hingewiesen, dass die Nichterteilung der Lenkerauskunft als Verletzung der Auskunftspflicht gem. § 134 Abs. 1 i.V.m. § 103 Abs. 2 österreichisches Kraftfahrgesetz (öKFG) strafbar sei. Die Auskunftspflicht begründete die Bezirkshauptmannschaft mit dem Hinweis auf § 4 Abs. 2 tParkAbgG und dass er als Zulassungsbesitzer zur Auskunft verpflichtet sei. Der Kläger teilte der Bezirkshauptmannschaft mit, dass er bezüglich der Lenker des Kfz zur Tatzeit keine Angaben mache und von seinem Zeugnisverweigerungsrecht gegenüber Angehörigen Gebrauch mache.
Am 10. Oktober 2012 erließ die Bezirkshauptmannschaft eine Strafverfügung gegen den Kläger über eine Geldstrafe in Höhe von 60 EUR bzw. eine Ersatzfreiheitsstrafe von 24 Stunden. Die Strafverfügung begründete die Bezirkshauptmannschaft damit, dass der Kläger es als Zulassungsbesitzer unterlassen habe, auf das schriftliche Auskunftsverlangen vom 6. September 2012 mitzuteilen, wer das Kfz am Tatort zur Tatzeit abgestellt habe. Dadurch seien § 4 Abs. 2 tParkAbgG i.V.m. § 9 Abs. 1 österreichisches Verwaltungsstrafgesetz (öVStG) verletzt und es könne wegen dieser Verwaltungsübertretung eine Geldstrafe gem. § 14 Abs. 1 lit. b tParkAbgG verhängt werden.
Unter Hinweis auf den Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über Amts- und Rechtshilfe in Verwaltungssachen vom 31. Mai 1988 (BGBl II 1990, 358 ff.; in der Folge: Amtshilfeabkommen) richtete die Bezirkshauptmannschaft das Vollstreckungsersuchen vom 6. Juni 2013 an den Beklagten – das Finanzamt (FA) – und ersuchte um die Vollstreckung der verhängten Geldleistung in Höhe vo...