Entscheidungsstichwort (Thema)
Fehlende Gemeinnützigkeit und Körperschaftsteuerpflicht eines als Verein organisierten Netzwerks für Frauen in IT-Berufen. Schätzungsweise Aufteilung der Mietgliedsbeiträge des Vereins in echte und steuerpflichtige „unechte” Mitgliedsbeiträge
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein eingetragener Verein mit Sitz im Inland, der als berufsorientiertes Netzwerk für Frauen, die in IT-Berufen arbeiten oder eine Tätigkeit in diesen anstreben, das Ziel verfolgt, diese Frauen zu vernetzen, um zum einen ihre berufliche Weiterentwicklung und zum anderen ihre Präsenz und ihren Einfluss innerhalb der Branche zu fördern, wird in erster Linie im Interesse seiner Mitglieder tätig und ist daher weder gemeinnützig noch nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG steuerbefreit, sondern unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig.
2. Soweit der Verein die Mitgliedsbeiträge für unentgeltliche Leistungen an seine Mitglieder verwendet, die diesen einen unmittelbaren wirtschaftlichen Vorteil bringen (z. B. weil sie für Nichtmitglieder nur gegen Entgelt erhältlich sind; Vorträge und Seminare mit individuellem Nutzen für die Mitglieder; Angebot an die Mitglieder, sich oder ihre Unternehmen auf dem Internet-Marktplatz des Vereins vorzustellen), liegen unechte Mitgliedsbeiträge vor, mit denen der Verein bei Bestehen einer Gewinnerzielungsabsicht gewerbliche Einkünfte erzielt (hier: Schätzung des steuerpflichtigen Anteils der Mitgliedsbeiträge mit 20 % entsprechend der für Haus- und Grundeigentümervereine, Mietervereine und Obst- und Gartenbauvereine geltenden Regelungen in R 43 Abs. 1 und R 44 Abs. 1 KStR).
3. Echte Mitgliederbeiträge i. S. v. § 8 Abs. 5 KStG sind Beiträge, die die Mitglieder einer Personenvereinigung lediglich in ihrer Eigenschaft als Mitglieder nach der Satzung zu entrichten haben. Sie dürfen der Personenvereinigung nicht für die Wahrnehmung besonderer geschäftlicher Interessen oder für Leistungen zugunsten ihrer Mitglieder zufließen.
Normenkette
KStG § 8 Abs. 5, 1, § 5 Abs. 1 Nr. 9, § 1 Abs. 1 Nr. 4; AO § 52; EStG § 15 Abs. 2; KStR R 43 Abs. 1; KStR R 44 Abs. 1
Tenor
1. Die angefochtenen Bescheide und die Einspruchsentscheidung vom 10. Januar 2008 werden dahingehend geändert, dass die Körperschaftsteuer 2004 und der Gewerbesteuermessbetrag 2004 jeweils auf … herabgesetzt werden.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für den Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten des Klägers die Vollstreckung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
I.
Der Kläger ist ein eingetragener Verein. Es handelt sich um ein berufsorientiertes Netzwerk für Frauen, die in IT-Berufen arbeiten oder eine Tätigkeit in diesen anstreben. Nach seiner Satzung verfolgt er das Ziel, diese Frauen zu vernetzen, um zum einen ihre berufliche Weiterentwicklung und zum anderen ihre Präsenz und ihren Einfluss innerhalb der Branche zu fördern. Zu diesem Zweck bietet der Kläger ein Forum für Wissenstransfer, Erfahrungsaustausch, Jobvermittlung, Weiterbildung und Networking. Grundgedanke dieses Forums ist das „Geben und Nehmen” der Mitglieder zur gegenseitigen Förderung. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Vereinssatzung Bezug genommen. Der Kläger wurde im Jahr 2000 gegründet und ist seit dem 29. Januar 2001 in das Vereinsregister eingetragen. Der Jahresbeitrag betrug im Streitjahr 60 EUR pro Mitglied.
Der Kläger unterhält einen Internetauftritt. Er hat dort verschiedene Sparten zur Information über sich selbst und die Vereinsaktivitäten, zur Mitgliederwerbung und zur Förderung des Vereinszwecks eingerichtet. Folgendes Angebot stellt der Kläger den Vereinsmitgliedern kostenlos zur Verfügung:
- Nutzung der Mailinglisten zur Kontaktaufnahme und Erfahrungsaustausch,
- Besuch der Face2Face-Veranstaltungen der Regionalgruppen,
- Mitgliederbrief,
- Einstellen eines Mitgliedsprofil im internen Bereich der Website und auf den Marktplatz im
- öffentlichen Bereich,
- Newsletter,
- Nutzung des Members-Bereichs der Site mit umfangreichem Wissens- und Erfahrungspool.
An Veranstaltungen führt er Seminare und Workshops durch. Daran konnten sowohl Mitglieder als auch Nichtmitglieder teilnehmen. Es wurde dann und wann ein kleiner Kostenbeitrag zur Deckung der Kosten sowohl von Mitgliedern als auch von Nichtmitgliedern erhoben. Die Referentinnen erhielten nur ihre Fahrtkosten erstattet. Stammtische fanden ebenfalls statt, sie waren kostenfrei und offen für alle. Der Kläger ist Mitglied im Deutschen Frauenrat und setzt sich dort für die Berufssparte IT übergreifende Ziele von Frauen ein, beispielsweise Beseitigung der Lohnungleichheit bei gleicher Beschäftigung zwischen Männern und Frauen.
Der Kläger erklärte einen Verlust aus Gewerbebetrieb in Höhe von … EUR. Die Mitgliedsbeiträge ließ er gemäß § 8 Abs. 5 Körperschaftsteuergesetz (KStG) außer Ansatz. Dem folgte der Beklagte (nachfolgend: das Finanzamt) nicht, sondern behan...