Entscheidungsstichwort (Thema)

Ermittlung des Grundbesitzwerts im Vergleichswertverfahren anhand eines zeitnah erzielten Kaufpreises

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Beim Vergleichswertverfahren gemäß § 183 BewG handelt es sich um eine typisierende Bewertungsmethode, bei der der Vergleichswert aus einer ausreichenden Zahl von geeigneten Vergleichspreisen ermittelt wird. Nur so können erzielte Kaufpreisspitzen zugunsten eines tatsächlichen Verkehrswerts ausgeglichen werden.

2. Bei der Ermittlung des Grundbesitzwerts im Vergleichswertverfahren kann ein zeitnah erzielter Kaufpreis nur dann ausnahmsweise herangezogen werden, wenn von den Gutachterausschüssen mitgeteilte Vergleichspreise fehlen.

 

Normenkette

BewG §§ 9, 177, 182 Abs. 2 Nr. 1, § 183 Abs. 1-2

 

Tenor

1. Unter Änderung des Bescheides über die gesonderte Feststellung des Grundbesitzwertes auf den 21. November 2015 für Zwecke der Erbschaftsteuer vom 5. September 2017 wird der Grundbesitzwert für die wirtschaftliche Einheit in M., Wohnung 643 samt Tiefgaragenstellplatz i.H.v. 342.200 EUR festgestellt.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

 

Tatbestand

I.

Streitig ist, ob der Beklagte den Grundbesitzwert zutreffend ermittelt hat.

Die Klägerin ist Gesamtrechtsnachfolgerin ihrer am 21. November 2015 verstorbenen Mutter, in deren Nachlass sich ein Miteigentumsanteil von 1/2 an einer 57 qm großen Eigentumswohnung samt Tiefgaragenstellplatz in der in M. befand. Die Mutter der Klägerin und ein Dritter hatten die Eigentumswohnung als Neubauwohnung am 20. Februar 2014 zum Kaufpreis von 417.800 EUR zum Miteigentum zu je ½ erworben.

Der Gutachterausschuss für Grundstückswerte im Bereich der Landeshauptstadt wies im Immobilienberichts 2014 für Neubauwohnungen in durchschnittlicher Lage einen Mittelwert von 5.600 EUR/qm und für neu errichtete Tiefgaragenstellplätze einen Kaufpreis von 23.000 EUR/Stellplatz aus. Die streitgegenständliche Wohnung lag ausweislich der Mietspiegel M. für die Jahre 2013 bis 2015 in durchschnittlicher Lage.

Der Beklagte stellte mit Bescheid über die gesonderte Feststellung des Grundbesitzwerts auf den 21. November 2015 für Zwecke der Erbschaftsteuer vom 5. September 2017 den Grundbesitzwert für die Wohnung samt Tiefgaragenstellplatz i.H.v. 417.800 EUR fest. Den Grundstückswert ermittelte er im Vergleichswertverfahren, als Vergleichspreis setzte er den beim Kauf der Wohnung am 20. Februar 2014 bezahlten Kaufpreis an und rechnete den Wert der Klägerin zu ½ zu.

Mit Schreiben vom 19. September 2017 legte die Klägerin gegen die Bedarfswertfeststellung Einspruch ein. Zur Begründung trug sie u.a. vor, für die Ermittlung des Grundbesitzwertes im Vergleichswertverfahren sei nicht der beim Kauf der Wohnung im Jahr 2014 von der Erblasserin bezahlte Kaufpreis, sondern der vom Gutachterausschuss für Grundstückswerte im Bereich der Landeshauptstadt im Immobilienmarktbericht 2014 veröffentlichte Vergleichsfaktor bzw. -Preis von 5.600 EUR/qm für die Wohnung sowie von 23.000 EUR für den Tiefgaragenstellplatz maßgebend. Der Grundbesitzwert betrage daher nur 342.200 EUR.

Mit Einspruchsentscheidung vom 23. September 2019 wies das FA den Einspruch als unbegründet zurück.

Zur Begründung der fristgerecht eingereichten Klage wiederholt die Klägerin ihr Vorbringen im Einspruchsverfahren. Ferner trägt sie vor, der von der Erblasserin bezahlte Kaufpreis könne auch deshalb nicht der Ermittlung des Grundbesitzwertes zugrunde gelegt werden, weil er bereits 21 Monate vor dem Stichtag erzielt worden sei und die Wohnung zwischenzeitlich an Wert verloren habe. So habe die Wohnung am Stichtag z.B. im Hinblick auf die Energieeffizienz nicht mehr den neuesten technischen Anforderungen entsprochen.

Die Klägerin beantragt,

unter Änderung des Bescheides über die gesonderte Feststellung des Grundbesitzwertes auf den 21. November 2015 für Zwecke der Erbschaftsteuer vom 5. September 2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23. September 2019 den Grundbesitzwert für die wirtschaftliche Einheit in M., Wohnung 643 samt TG-Stellplatz i.H.v. 342.200 EUR festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung führt der Beklagte im Wesentlichen Folgendes aus: Zu Recht habe er der Feststellung des Grundbesitzwertes den ca. einundzwanzig Monate vor dem Bewertungsstichtag unter fremden Dritten zustande gekommenen Kaufpreis für die streitgegenständliche Wohnung als Vergleichswert i.S.d. § 183 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes (BewG) zugrunde gelegt. Zwar seien gem. § 183 Abs. 1 und 2 BewG vorrangig die vom Gutachterausschuss mitgeteilten Vergleichspreise bzw. -faktoren maßgeblich. Dieser Grundsatz gelte nach Meinung des Beklagten jedoch nicht, wenn – wie im Streitfall – ein tatsächlich unter fremden Dritten erzielt...

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