Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Verrechnungsstundung bei bestrittenem Anspruch gegen andere Finanzbehörde
Leitsatz (redaktionell)
Eine Verrechnungsstundung kann ermessensgerecht abgelehnt werden, wenn der zur Verrechnung gestellte Gegenanspruch nicht der Überprüfung des entscheidenden Finanzamtes unterliegt und das für den Gegenanspruch zuständige Finanzamt den Gegenanspruch bestreitet.
Normenkette
AO § 226 Abs. 3; FGO § 102; AO § 234 Abs. 2
Tatbestand
Streitig ist, ob das beklagte Finanzamt (Bekl.) zu Recht den Antrag der Klägerin (Klin.) auf Verzicht der für den Umsatzsteuer(USt)-Voranmeldungszeitraum (VZ) 10/2011 festgesetzten Stundungszinsen abgelehnt hat.
Die Klin. reichte am 12.12.2011 beim Bekl. für den VZ 10/2011 ihre USt-Voranmeldung ein und beantragte gleichzeitig unter Vorlage einer auf amtlichen Vordruck erstellten Abtretungsanzeige vom 12.12.2011 zu der in der USt-Voranmeldung ausgewiesenen Zahllast eine zinslose Verrechnungsstundung mit der Begründung, dass sie gegen die Zahllast einen der Q Sarl, Luxemburg (Sarl), in gleicher Höhe zustehenden Vorsteuererstattungsanspruch verrechne, den die Sarl bei ihrem Betriebsstättenfinanzamt T geltend gemacht habe. Laut der Abtretungserklärung war die Sarl in der … geschäftsansässig. Die Zahllast der Klin. wie der erklärte Vorsteuerüberhang der Sarl beruhten laut dem Stundungsantrag auf Warenlieferungen der Klin. an die Sarl. Da der von Sarl erklärte Erstattungsanspruch Gegenstand einer USt-Sonderprüfung (Sp) des Finanzamtes T war, bewilligte der Bekl. mit Verfügung vom 28.12.2011 eine bis zum 15.03.2012 befristete Stundung der für den VZ 10/2011 von der Klin. in Höhe von xxx € geschuldeten USt. Angesichts der noch nicht beendeten Sp verlängerte der Bekl. mit Verfügung vom 22.03.2012 die Stundung zunächst bis zum 15.05.2012 und angesichts von Verzögerungen bei der Sp mit Verfügung vom 18.05.2012 bis zum 30.08.2012. In den Stundungsverfügungen, gegen die die Klin. nach Aktenlage keinen Einspruch einlegte, fehlte eine ausdrückliche Bestimmung, dass die Stundungen zinslos gewährt wurden. Zu den Stundungsbescheiden ergingen auch keine gesonderten Bescheide, in denen der Bekl. auf die Festsetzung von Stundungszinsen verzichtete.
Laut seines Aktenvermerks teilte der Bekl. am 30.05.2012 der Klin. telefonisch mit, dass eine Verlängerung der Verrechnungsstundung über den 30.08.2012 hinaus nicht in Betracht komme, und dass der Bekl. von dem Widerrufsvorbehalt in der Stundungsverfügung Gebrauch machen müsse, wenn das Finanzamt T zu neuen Erkenntnissen gelange, die die Freigabe des von der Sarl erklärten USt-Guthabens unwahrscheinlich mache. Laut Aktenvermerk erklärte die Gesprächspartnerin auf Seiten der Klin., dass die Klin. „in der Sache in T Druck” machen werde. Das Finanzamt T teilte am 18.06.2012 dem Bekl. telefonisch mit, dass nach den bisherigen Feststellungen der noch nicht abgeschlossenen Sp die Sarl ihren eigentlichen Sitz in der Schweiz unterhalte. Bei der Anschrift in Luxemburg handele es sich um eine vorsteuerabzugsschädliche Briefkastenadresse. Unter Bezug auf den der Stundungsverfügung vom 18.05.2012 beigegebenen Widerrufsvorbehalt widerrief der Bekl. mit Verfügung vom 27.06.2012 gemäß § 131 Abs. 2 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) die Stundungsverfügung vom 18.05.2012, die sie an die Prozessbevollmächtigte der Klin. als deren Empfangsbevollmächtigte adressierte: Laut der Auskunft des Finanzamtes T sei es zweifelhaft, ob angesichts der in der laufenden Sp getroffenen Feststellungen das von der Sarl an die Klin. für den VZ 10/2011 abgetretene USt-Guthaben von xxx € tatsächlich in Kürze zur Verrechnung zur Verfügung stehe. Hinsichtlich zur Verrechnung abgetretener Ansprüche seien erhöhte Anforderungen an die Prüfung der Frage zu stellen, ob der abgetretene Anspruch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit als verrechenbarer Gegenanspruch zur Verfügung stehe. Die Klärung dieser Frage obliege ausschließlich dem Abtretenden im Verhältnis zu seinem Betriebsstättenfinanzamt (Hinweis auf BFH, Urteil vom 30.05.1990 I R 115/86, BFH/NV 1990, 757). Die Sarl sei offenkundig nicht in der Lage gewesen, Zweifel des Finanzamtes T an der Existenz des von der Sarl erklärten Steuerüberschusses zu beseitigen. Die Klin. legte gegen die Widerrufsverfügung vom 27.06.2012 Einspruch ein, den sie mit Schreiben vom 13.12.2012 zurücknahm.
Mit Bescheid vom 27.06.2012 setzte der Bekl. für einen zu verzinsenden Zeitraum vom 12.12.2011 bis zum 06.07.2012 nach einer Bemessungsgrundlage von xxx € nach den §§ 234, 238, 239 AO Stundungszinsen von xxx € fest. Gegen den Bescheid legte die Klin. Einspruch ein und beantragte mit Schriftsatz vom 05.07.2012, nach § 234 Abs. 2 AO auf die Stundungszinsen zu verzichten. Der Bekl. erließ am 16.10.2012 eine abschlägige Einspruchsentscheidung (EE), die sich dem Rubrum nach nur gegen den Festsetzungsbescheid vom 27.06.2012 richtete. Gegen die EE erhob die Klin. am 16.11.2012 die unter dem Aktenzeichen Finanzgericht (FG) Münster 15 K 3970/12 U geführt...