Entscheidungsstichwort (Thema)

Bildung einer Rückstellung für Beihilfeverpflichtungen an Pensionäre

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Die Verpflichtung zur Gewährung von Beihilfen an Pensionäre ist eine nach Grund undHöhe ungewisse Verbindlichkeit, für die eine Rückstellung zu bilden ist.

2) Die wirtschaftlich wesentlichen Tatbestandsmerkmale für das Entstehen dieserVerbindlichkeit sind der Eintritt der Beihilfeberechtigten in den Dienst des Arbeitgebersbzw. bei Vorständen der Abschluß der einzelvertraglichen Regelungen über dieBeihilfegewährung sowie die während der aktiven Zeit tatsächlich erbrachtenArbeitsleistungen.

 

Normenkette

EStG § 5 Abs. 1; KStG § 8 Abs. 1; HGB § 249 Abs. 1 S. 1; EGHGB Art. 28

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 30.01.2002; Aktenzeichen I R 59/00)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob eine Rückstellung für die Verpflichtung zur Gewährung von Beihilfen anPensionäre zu bilden ist.

Die Klägerin (Klin.) ist eine Anstalt des öffentlichen Rechts (Sparkasse). Ihr Gewährträger ist dieStadt … . Die Klin. ist ihren Pensionären und deren Witwen verpflichtet, Beihilfen nach den fürdie Beamten des öffentlichen Dienstes im Lande Nordrhein-Westfalen geltenden Vorschriften zugewähren. Die Verpflichtung beruht, soweit es sich bei den Beihilfeberechtigten um pensionierteBeamte handelt, auf der nordrhein-westfälischen Verordnung über die Gewährung von Beihilfenin Krankheits-, Geburts- und Todesfall (Beihilfeverordnung) vom 27.03.1975, bei pensioniertenVorständen auf vertraglichen Regelungen. Erstmals in ihrer Bilanz auf den 31.12.1996 bildetedie Klin. für künftig zu erbringende Beihilfen an Pensionäre und deren Witwen eineRückstellung in Höhe von 433.000,00 DM. Bei der Berechnung der Höhe der Rückstellung legtesie für jeden Beihilfeberechtigten den durchschnittlichen Aufwand für gezahlte Beihilfen derletzten fünf Jahre zugrunde und multiplizierte diesen mit dem Faktor, der sich aus demVerhältnis der jeweiligen nach versicherungsmathematischen Grundsätzen ermitteltenPensionsrückstellung und den in 1996 geleisteten Versorgungsbezügen ergibt. Wegen derBerechnung im einzelnen wird auf das Gutachten des Diplom-Mathematikers … vom19.12.1996 Bezug genommen.

Das beklagte Finanzamt (der Beklagte – Bekl.) folgte dem zunächst und legte bei Durchführungder Körperschaftsteuer (KSt) – Veranlagung 1996 den erklärten Steuerbilanzgewinn von2.729.416,26 DM zugrunde – unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (VdN) nach § 164 Abs. 1Abgabenordnung (AO) ergangener KSt-Bescheid vom 01.10.1997–.

1998/99 fand bei der Klin. u. a. für die KSt 1993 bis 1997 eine Betriebsprüfung (Bp) durch dasFinanzamt (FA) für Großbetriebsprüfung (Groß-Bp) … statt. Der Prüfer vertrat die Ansicht, dieRückstellung könne steuerlich nicht anerkannt werden. Zwar habe das Finanzgericht Münster indem rechtskräftigen Urteil vom 17.09.1998 9 K 8064/97 F, EFG 1999, 63 in einemgleichgelagerten Fall die Auffassung vertreten, eine öffentlich-rechtliche Sparkasse müsse für dieVerpflichtung, ihren Pensionären in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen Beihilfen zugewähren, eine Rückstellung bilden. Nach dem Schreiben des FinanzministeriumsNordrhein-Westfalen vom 04.03.1999 S 2176 – 60 – VB1 und des Bundesfinanzministeriumsvom 19.03.1999 IV C 2 – S 2137 – 30/99 sei dieses Urteil jedoch nicht über den entschiedenenEinzelfall hinaus anzuwenden (Textziffer 20 des Bp-Berichts vom 30.08.1999).

Der Bekl. schloß sich der Auffassung des Betriebsprüfers an und erließ am 26.11.1999 unterAufhebung des VdN einen nach § 164 Abs. 2 AO entsprechend geänderten KSt-Bescheid.

Mit der hiergegen erhobenen Sprungklage, die mangels rechtzeitiger Zustimmung desFinanzamtes als Einspruch zu behandeln war, vertrat die Klin. die Auffassung, die Rückstellungfür künftige Beihilfeleistungen an Pensionäre und deren Witwen sei sowohl handels- als auchsteuerrechtlich geboten.

Handelsrechtlich handele es sich um eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten i. S. des§ 249 Abs. 1 Satz 1 Handelsgesetzbuch (HGB). Die handelsrechtlich zu bildende Rückstellungsei infolge des Grundsatzes der Maßgeblichkeit (§ 5 Abs. 1 Satz 1 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG)auch in der Steuerbilanz auszuweisen. Das Bilanzierungsverbot für schwebende Geschäfte steheder Bildung dieser Rückstellung nicht entgegen. Zum einen bestehe bei Arbeitnehmern imRuhestand kein schwebendes Geschäft mehr, da diese Arbeitnehmer ihre Leistungen vollständigerbracht haben.

Zum anderen sei auch bei Annahme eines schwebenden Geschäftes die Bildung der Rückstellungnicht ausgeschlossen. Zwar sei bei Arbeitsverhältnissen im allgemeinen zu vermuten, daß diegegenseitigen Rechte und Pflichten ausgewogen seien (BFH-Urteile vom 25. Januar 1984 I R7/80, BStBl II 1984, 344; vom 25. Februar 1986 VIII R 377/83, BStBl II 1986, 465). DieVermutung der Ausgeglichenheit von Leistung und Gegenleistung umfasse auch dieGehaltsaufwendungen des Arbeitgebers für künftige Krankheitstage. Daher habe auch die Klin.für die Verpflichtung zur Gewährung von Beihilfen für noch aktiv tätige Arbeitnehmer keineRückst...

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