Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer 1987–1991

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 23.08.2000; Aktenzeichen X R 27/98)

 

Tenor

Die Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre 1987 bis 1991 in der Fassung jeweils vom 09.09.1992 und die zugehörige Einspruchsentscheidung vom 16.08.1993 werden aufgehoben.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Finanzamt auferlegt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

Streitig ist, ob ein im Zeitpunkt der Aktenverfügung vorhandener Bekanntgabewille wirksam aufgegeben worden ist, sowie in der Sache, ob Geldzahlungen an die Mutter der Klägerin (Klin.) als dauernde Lasten abzugsfähig sind.

Die Kläger (Kl.) werden als Eheleute zur Einkommensteuer (ESt) zusammenveranlagt. Die Klin. war zusammen mit ihren beiden Brüdern … und … zu je einem Drittel Miteigentümerin eines in … gelegenen Grundstücks, das ihnen ihr Großvater aufgrund einer testamentarischen Verfügung übertragen hatte. Mit privatschriftlichem Vertrag vom 08.11.1967 hatten die drei Geschwister ihrer Mutter … ein Nießbrauchsrecht eingeräumt. Es wurde im Grundbuch als „auflösend bedingtes Recht” eingetragen, wobei zu seiner Löschung „der Nachweis des Todes der Berechtigten oder die Veräußerung des gesamten Grundstücks durch die derzeitigen Eigentümer” genügte. Die Mutter hatte sich u.a. verpflichtet, bei Belastung des Grundstücks mit Grundpfandrechten durch einen oder mehrere der derzeitigen Eigentümer mit ihrem Nießbrauch hinter diese Grundpfandrechte im Rang zurückzutreten.

Später erwarb mit notariellem Vertrag vom 25.03.1983 – UR-Nr. 130/83 des Notars … mit Amtssitz in … – der Miteigentümer … die beiden 1/3-Anteile an dem Grundstück, die der Klin. und dem Bruder … zugestanden hatten. Gleichzeitig bewilligte die Mutter die Löschung des zu ihren Gunsten eingetragenen Nießbrauchsrechts. In § 5 dieses notariellen Vertrages war u.a. folgendes vereinbart :

„Ein jeder der Beteiligten verpflichtet sich, der Mutter … eine lebenslängliche Rente i.H.v. je 700,00 DM …, zu zahlen …”

Die Klin. wandte sich daraufhin mit Schreiben vom 27.07.1983 an das für sie zuständige Wohnsitz-Finanzamt (Wohnsitz-FA). Sie erklärte, daß es sowohl ihr Wille sei als auch der ihrer Mutter, daß das Nießbrauchsrecht weiterhin dergestalt aufrechterhalten werde, daß man es auf den erzielten Kaufpreis erstrecke. Aus den von Bearbeitern des FA gefertigten Vermerken über die daraufhin geführten Verhandlungen ist zu entnehmen, daß die Klin. plante, für das weggefallene Nießbrauchsrecht zugunsten ihrer Mutter eine Unterhaltsverpflichtung auf Lebenszeit zu begründen. Über das Ergebnis der Verhandlungen wurde am 06.10.1983 seitens des FA vermerkt, daß die nunmehr erfolgenden Zahlungen als „dauernde Last” anerkannt werden sollten „vorbehaltlich abweichender Rechtsprechung und Verwaltungsanweisung in der Zukunft”.

Das FA berücksichtigte in den folgenden Veranlagungszeiträumen die Zahlungen der Klin. an die Mutter als dauernde Lasten. Die ESt-Festsetzungen bis zum Jahr 1986 wurden bestandskräftig. In den Streitjahren 1987–1991 hat die Klin. die folgenden Zahlungen geleistet:

1987

1988

1989

1990

1991

(DM)

(DM)

(DM)

(DM)

(DM)

9.288,00

9.511,00

9.740,00

9.983,00

10.582,00

Für die Streitjahre 1987–1990 erkannte das FA die genannten Zahlungen zunächst als dauernde Lasten im Rahmen der Sonderausgaben an, wobei die Veranlagungen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (VdN) gemäß § 164 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) standen.

Mit Bescheiden jeweils vom 06.07.1992 hob das FA für die Streitjahre 1987 bis 1990 die VdN auf. Auch für das Streitjahr 1991 erkannte es die Zahlungen als dauernde Lasten an; es setzte mit Bescheid ebenfalls vom 06.07.1992 die ESt ohne VdN erstmalig fest. Sämtliche zugrunde liegenden Aktenverfügungen hatte der Sachgebietsleister abschließend gezeichnet. Alle genannten Steuerbescheide mit dem Datum 06.07.1992 wurden durch das Rechenzentrum der Finanzverwaltung (RZF) versandt. Mit gleichlautenden Schreiben wiederum vom 06.07.1992 erklärte das FA, daß sämtliche vom RZF versandten Bescheide vom 06.07.1992 der Entscheidung des FA widersprächen und daher unwirksam seien. Die Bescheide, die dem Willen des FA entsprächen, würden noch bekannt gegeben. Unterschrieben wurden diese Erklärungen allein von der Sachbearbeiterin des FA ohne Mitwirkung des Sachgebietsleisters. Lediglich für das Streitjahr 1991 ist aus einer Sollstornierung gegenüber der Finanzkasse zu entnehmen, daß der Sachgebietsleiter eingeschaltet war. Diese trägt das Datum 07.07.1992. Für das Streitjahr 1991 erging daraufhin am 04.08.1992 ein neuer ESt-Bescheid, der gemäß § 164 Abs. 1 AO unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stand und in dem die Zahlung zunächst ebenfalls im Rahmen der Sonderausgaben anerkannt war.

Danach änderte das FA mit Bescheiden jeweils vom 09.09.1992 die ESt-Festsetzungen aller Streitjahre nach § 164 Abs. 2 AO und erkannte die an die Mutter geleisteten Zahlungen nicht mehr als dauernde Lasten an. Es behandelte sie nunmehr als privat veranlaßte Zuwendungen i.S.d. § 12 Nr. 2 Einkommensteuergesetz (E...

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