Entscheidungsstichwort (Thema)
Zuordnung von Einkünften des Insolvenzschuldners aus nichtselbständiger Tätigkeit
Leitsatz (redaktionell)
Einkommensteuerschulden des Insolvenzschuldners aus einer nach Insolvenzeröffnung aufgenommenen nichtselbständigen Tätigkeit ohne Verwendung von Gegenständen aus der Insolvenzmasse sind keine Massekosten oder -schulden und müssen gegenüber dem Insolvenzschuldner selbst durch Leistungsbescheid festgesetzt werden. Sie sind nicht durch eine Handlung des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse entstanden.
Normenkette
InsO §§ 55, 35
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob Einkommensteuer der Insolvenzmasse oder dem insolvenzfreien Vermögen zuzuordnen ist, soweit sie auf Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit des Insolvenzschuldners beruht.
Der Insolvenzschuldner X. (im Folgenden: Insolvenzschuldner) ist mit Y. verheiratet, die im Jahre 2005 keine Einkünfte erzielte.
Der Insolvenzschuldner betrieb hingegen bis zum 31.03.2005 einen metallverarbeitenden Betrieb unter dem Namen X. Metallobjekte. Vom 04.04.2005 bis zum 01.07.2005 erhielt er Insolvenzgeld in Höhe von 3.498,33 EUR wegen der Insolvenz der Z..
Mit Beschluss vom 31.08.2005 eröffnete das Amtsgericht Münster wegen seiner Zahlungsunfähigkeit am selben Tag um 10.00 Uhr das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Insolvenzschuldners handelnd unter X. Metallobjekte. Der Kläger wurde zugleich zum Insolvenzverwalter bestellt.
Am 01.09.2005 nahm der Insolvenzschuldner bei Herrn A. eine Tätigkeit als Arbeitnehmer auf. Hierdurch erzielte er einen Bruttoarbeitslohn in Höhe von 5.615,84 EUR (= 1.403,96 EUR monatlich). Der monatliche Lohn lag unterhalb der Pfändungsfreigrenze. Lohnsteuer führte der Arbeitgeber aufgrund der Höhe der Einkünfte nicht ab.
Weil trotz Aufforderung keine Steuererklärung für 2005 abgegeben wurde, schätzte der Beklagte die Besteuerungsgrundlagen und erließ unter dem Vorbehalt der Nachprüfung am 28.12.2007 einen an den Kläger adressierten entsprechenden Einkommensteuerbescheid, in dem er die Eheleute X. zusammen zur Einkommensteuer veranlagte und eine Einkommensteuerschuld in Höhe von 0 EUR festsetzte.
Am 20.01.2009 reichten der Insolvenzschuldner und seine Frau Steuererklärungen ein, in denen sie die getrennte Veranlagung beantragten. Aufgrund der Steuererklärung erfuhr der Beklagte, dass der Insolvenzschuldner mit seinem metallverarbeitenden Betrieb nicht nur – wie bislang geschätzt – Einkünfte in Höhe von 5.000 EUR erzielt hatte, sondern einen Gewinn in Höhe von 16.748 EUR verzeichnen konnte.
Aufgrund eines zwischenzeitlich gestellten Antrages auf Zusammenveranlagung erließ der Beklagte einen an den Kläger adressierten geänderten Einkommensteuerbescheid 2005, in dem er die Eheleute zusammen zur Einkommensteuer veranlagte. In dem Bescheid setzte der Beklagte eine Einkommensteuerschuld in Höhe von 1.946 EUR, Zinsen in Höhe von 237 EUR, römisch-katholische Kirchensteuer in Höhe von 78,75 EUR und Solidaritätszuschlag in Höhe von 0 EUR fest. Insgesamt ergab sich folglich eine Zahllast in Höhe von 2.261,75 EUR. Zu 8/12 (= 1.507,83 EUR) behandelte der Beklagte die Steuerschuld als Insolvenzforderung, zu 4/12 (= 753,92 EUR) behandelte er sie als Masseforderung.
Gegen diesen Einkommensteuerbescheid erhob der Kläger Einspruch. Während des noch laufenden Einspruchsverfahrens erließ der Beklagte einen Aufteilungsbescheid, in dem er die Steuerschuld insgesamt dem Ehemann zuordnete. Hinsichtlich der Zahlung wies der Beklagte informatorisch darauf hin, dass 1.766 EUR als Insolvenzforderung und 495 EUR als Masseforderung anzusehen seien.
Nachdem der Beklagte den Einspruch am 04.01.2010 zurückgewiesen hatte, stellte der Kläger am 20.01.2010 einen selbständigen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe, dem der Senat durch Beschluss vom 13.07.2010, dem Kläger zugegangen am 16.07.2010, stattgab.
Daraufhin hat der Kläger am 28.07.2010 Klage erhoben und zugleich einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt, den er damit begründet, ohne sein Verschulden daran gehindert gewesen zu sein, rechtzeitig Klage zu erheben, weil er in seiner Stellung als Insolvenzverwalter wegen Masseunzulänglichkeit die Kosten der Prozessführung nicht habe aufbringen können, sodass er zunächst Prozesskostenhilfe habe beantragen müssen.
In der Sache trägt der Kläger vor, die Insolvenzmasse dürfe nicht belastet werden. Die Einkünfte aus Gewerbebetrieb seien dem Insolvenzschuldner bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zugeflossen. Auch die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit seien trotz der Eröffnung des Insolvenzverfahrens dem Insolvenzschuldner zugeflossen. Dessen Bezüge aus dem Arbeitsverhältnis hätten unterhalb der Pfändungsgrenze gelegen. Es könne jedoch nur der pfändbare Teil des Arbeitseinkommens zur Insolvenzmasse gezogen werden.
Der Kläger meint, es sei anerkannt, dass eine Aufteilung der Forderung an den Insolvenzschuldner aus insolvenzfreien Einkünften erfolgen ...