Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt (BFH VII B 153/18)
Entscheidungsstichwort (Thema)
Anfechtung der Übertragung eines Hausgrundstücks im Gesamtgut von Eheleuten bei gleichzeitigem Pflichtteilsverzicht
Leitsatz (amtlich)
1. Die Unentgeltlichkeit i.S.v. § 4 AnfG der Grundstücksübertragung ist auch bei Bestellung eines Wohnrechts zugunsten des Übertragenden, der Übernahme von Grundpfandrechten und von weiteren rechtlichen Verpflichtungen sowie bei Pflichtteilsverzicht möglich.
2. Unentgeltlich i.S.v. § 4 AnfG ist die Leistung, wenn sie nicht von einer ausgleichenden Zuwendung abhängt; der Verzicht auf das gesetzliche Erb- und Pflichtteilsrecht kann Gegenleistung einer Zuwendung sein (Nachweise zur Rechtsprechung von BGH und BFH).
3. Der Duldung der Zwangsvollstreckung in das Grundstück als Rechtsfolge der Anfechtung steht nicht entgegen, dass das übertragene Grundstück im Gesamtgut von Eheleuten stand.
4. Im abgabenrechtlichen Verfahren erfolgt die gerichtliche Geltendmachung der Anfechtung i.S.v. §§ 7, 13 AnfG ausschließlich in Form eines Duldungsbescheides.
5. Durch die nach Anfechtung der Übertragung erfolgte Veräußerung des Grundstücks wandelt sich der Anspruch auf Duldung der Zwangsvollstreckung in einen Anspruch auf Wertersatz.
6. Eine Verböserung in der Einspruchsentscheidung liegt nicht vor, wenn in der Tenorierung die Rechtslage klargestellt wird.
Normenkette
AO § 191 Abs. 1; AnfG §§ 1-2, 4, 7-8, 11, 13; BGB § 818 Abs. 4, § 819 Abs. 1, §§ 989, 990 Abs. 1, §§ 292, 1416, 1419, 1437, 2346; ZPO §§ 740-741
Nachgehend
BFH (Beschluss vom 18.06.2019; Aktenzeichen VII B 153/18) |
Tatbestand
Streitig ist, ob der Kläger zu Recht auf Grund des Duldungsbescheides vom 08.04.2014 wegen Steuerschulden von B, seiner Mutter, die Vollstreckung in das übertragene Grundvermögen Str. 1 in 1 und Str. 2 in 2 zu dulden hat.
B, die Mutter des Klägers, war in 3 in der Str. 3 von Oktober 2011 bis Januar 2013 unternehmerisch tätig (Büroservice, Montage für Haustechnik) und blieb dem beklagten Finanzamt bestandskräftig festgesetzte Umsatzsteuern aus 2012 und aus 2013 mit Verspätungszuschlag und Säumniszuschlägen hierzu von insgesamt 22.580,97 € schuldig. Beitreibungsmaßnahmen gegenüber B, sowohl in ihr Unternehmensvermögen als auch in ihr Privatvermögen an ihrem Wohnsitz in 1, Str. 1 blieben ohne Erfolg (vgl. die Niederschrift vom 22.10.2013 über eine fruchtlose Pfändung).
B und ihr Ehemann C waren in Gütergemeinschaft Eigentümer der Hausgrundstücke in 1, Grundbuchband xx Bl. xxx (Str. 1 in 1) und in 2, Grundbuch Bl. xxxx (Str. 2 in 2). Mit dem notariellen Überlassungsvertrag vom 26.03.2010 hatten die Eheleute C und B ihrem Sohn A, dem Kläger, diese beiden in ihrem Gesamtgut stehenden Hausgrundstücke mit allen Rechten, Pflichten und gesetzlichen Bestandteilen zum Alleineigentum übertragen. Als Gegenleistungen waren u.a. ein dauerndes unentgeltliches Wohnrecht im Wohnhaus 1 zu Gunsten der veräußernden Eltern, eine Verpflichtung des Erwerbers zu Lebzeiten der Veräußerer den Vertragsbesitz weder ganz noch teilweise ohne deren Zustimmung zu veräußern oder zu belasten, die Übernahme eines Wohnrechts zu Gunsten von D und E, den Eltern des Vaters des Klägers, auf dem Grundstück in 2, die Übernahme eines Grundpfandrechts auf dem Grundstück in 1, eingetragen als Buchgrundschuld i.H.v. 187.000 € zu Gunsten der Bank 1 in 4, zum Übertragungszeitpunkt noch valutiert i.H.v. 154.000 €, wobei die Veräußerer sich verpflichteten, die Darlehensverbindlichkeit noch selbst wegzufertigen. Die Übertragung sollte ohne weitere Gegenleistungen im Wege der vorweggenommenen Erbfolge und zur Abgeltung der gesetzlichen Pflichtteilsansprüche des Klägers gegenüber dem künftigen Nachlass der Veräußerer, seinen Eltern, erfolgen. Die Besitzübergabe hinsichtlich des Grundstücks 2 sollte am Tag der Beendigung der Rechte zu Gunsten D's eintreten, die Besitzübergabe hinsichtlich des Grundstücks 1 sollte am Übertragungstag erfolgen.
Wegen der Regelungen im Überlassungsvertrag vom 26.03.2010 im Einzelnen wird auf die notarielle Urkunde verwiesen.
Die Eigentumseintragungen zu Gunsten des Klägers hinsichtlich der Grundstücke in 1 und 2 erfolgten in den Grundbüchern jeweils am 03.08.2010.
Mit den Schreiben zunächst vom 08.01.2014 und dann vom 28.01.2014 kündigte das beklagte Finanzamt die Anfechtung der Grundstücksübertragungen zur Wahrung der Anfechtungsfrist gegenüber dem Kläger an. In den Schreiben, in denen eine Frist zur Stellungnahme bis zuletzt 21.02.2014 gewährt wurde, führt das beklagte Finanzamt aus, er, der Kläger, habe von seiner Mutter B neben deren Hälfteanteil am Grundstück Str. 1 in 1 auch deren Hälfteanteil am Grundstück Str. 2 in 2 übereignet bekommen. Dies sei unentgeltlich erfolgt und es sei kein Gelegenheitsgeschenk geringen Werts gewesen. Da die Grundstücke dadurch dem Zugriff des Finanzamts entzogen worden seien, liege eine Gläubigerbenachteiligung vor. B schulde Steuern und steuerliche Nebenleistungen i.H.v. 23.265,89 €. Zur Wahrung der in § 4 AnfG genannten Frist wer...