Rz. 40
Hinsichtlich der Umstände, die in der Satzung fakultativ geregelt werden könnten, aber dort nicht geregelt sind, gelten gesetzliche Vermutungen. Diese werden angewandt, wenn die Satzung nichts Abweichendes regelt. Die Möglichkeiten für den fakultativen Inhalt der Satzung werden im Folgenden grundsätzlich bei den entsprechenden inhaltlichen Kapiteln erwähnt. Eine grundlegende Möglichkeit für den fakultativen Inhalt sind jedoch die Bestimmungen über die Aktien der Gesellschaft.
Rz. 41
Grundsätzlich gewähren alle Aktien einer Aktiengesellschaft gleiche Rechte. Die Satzung kann jedoch bestimmen, dass die Gesellschaft Aktien haben kann, die sich hinsichtlich der Rechte und Pflichten unterscheiden (OYL 3:1.1). Es gibt drei Grundsätze, nach denen die Satzung Aktien mit unterschiedlich ausgestatteten Rechten und/oder Pflichten ausweisen kann:
1. Unterschiedliche Aktiengattungen
Rz. 42
Die Aktiengesellschaft kann verschiedene Aktiengattungen haben. Wenn die Aktien sich entweder hinsichtlich des durch sie gewährten Stimmrechts oder des Rechts bei der Vermögensverteilung der Aktiengesellschaft unterscheiden, liegen von Gesetzes wegen unterschiedliche Aktiengattungen vor. Die Satzung kann in diesem Fall nicht bestimmen, dass die Aktien zur gleichen Gattung gehören (OYL 3:1.2 Nr. 1). Es ist aber möglich, Aktiengattungen hinsichtlich anderer Rechte und/oder Pflichten durch die Satzung zu bestimmen (OYL 3:1.2 Nr. 2). In den Aktiengattungen können auch mehrere verschiedene Rechte und/oder Pflichten kombiniert werden. In der Satzung können die Voraussetzungen für die Umwandlung von Aktien in eine andere Aktiengattung sowie das entsprechende Verfahren bestimmt werden (OYL 3:1.3).
Rz. 43
Aktien, die unterschiedliche Stimmrechte gewähren, gehören von Gesetzes wegen unterschiedlichen Aktiengattungen an. Bei diesen sog. Mehrstimmrechtsaktien kann die Satzung nunmehr die unterschiedliche Stimmrechtsverteilung variabel regeln und dabei auch eine progressive oder degressive Skala für jeden Aktionär vorsehen.
Beispiele:
Mehrstimmrechtsaktien |
Progressive Skala |
Degressive Skala |
Variante 1: |
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A-Aktie: |
1 Stimme |
Aktien 1–10: |
1 Stimme |
Aktien 1–10: |
50 Stimmen |
B-Aktie: |
5 Stimmen |
Aktien 11–20: |
5 Stimmen |
Aktien 11–20: |
15 Stimmen |
C-Aktie: |
200 Stimmen |
Aktien 21–30: |
15 Stimmen |
Aktien 21–30: |
5 Stimmen |
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Aktien 31 –>: |
50 Stimmen |
Aktien 31 –>: |
1 Stimme |
Hier gewähren Aktien der Gattung A nur 1 Stimme, der Gattung B 5 Stimmen und der Gattung C 200 Stimmen. |
Hier gewähren die ersten 10 Aktien eines Aktionärs eine Stimme pro Aktie, die Aktien 11–20 fünf Stimmen pro Aktie, die Aktien 21–30 je 15 Stimmen und die Aktien 31 aufwärts 50 Stimmen. Hierdurch wird der Besitz größerer Aktienpakete attraktiver gemacht. |
Hier gewähren die ersten 10 Aktien eines Aktionärs 50 Stimmen pro Aktie, die Aktien 11–20 je 15 Stimmen, die Aktien 21–30 je fünf Stimmen, die Aktien 31 aufwärts je eine Stimme. Hierdurch wird der Besitz größerer Aktienpakete unattraktiver gemacht. |
Rz. 44
Die unterschiedlichen Rechte verschiedener Aktiengattungen bei der Vermögensverteilung der Aktiengesellschaft können sich z.B. bei der Dividendenausschüttung oder bei der Kapitalherabsetzung, der Einlösung oder dem Erwerb der eigenen Aktien sowie bei der Liquidation der Gesellschaft auswirken.
Rz. 45
Der Anteil der Aktien an einer Aktiengattung kann in der Satzung entweder durch feste Beträge oder durch Mindest- oder Höchstbeträge bestimmt werden:
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Feste Beträge: "200 Aktien der Gattung A und 800 Aktien der Gattung B" oder "A- und B-Aktien im Verhältnis 2:8"; |
▪ |
Mindestbeträge: "mindestens 100 A-Aktien und 200 B-Aktien"; |
▪ |
Höchstbeträge: "mindestens 1 und höchstens 300 Aktien". |
Die Satzung muss bestimmen, welche Aktiengattungen welche Rechte bei der Kapitalerhöhung gewähren.
2. Aktien gleicher Aktiengattung, die verschiedene Rechte gewähren
Rz. 46
Außer in den oben genannten Fällen können die Aktien unterschiedliche Rechte gewähren, ohne dass die Satzung bestimmt, dass sie unterschiedlichen Aktiengattungen angehören (vgl. OYL 3:15.1). Die Unterschiede im buchhalterischen Nennwert der nennwertlosen Aktien führen nicht dazu, dass die Aktien unterschiedlicher Gattung wären.
3. Vorzugsaktien
Rz. 47
In der Satzung kann bestimmt werden, dass sog. Vorzugsaktien ausgegeben werden. Dabei kann bestimmt werden, dass die Vorzugsaktien den Aktionären entweder gar keine Stimmrechte oder nur in bestimmten Angelegenheiten keine Stimmrechte gewähren (OYL 3:3.2). Für grundlegende Änderungen hinsichtlich der Vorzugsaktien ist die Zustimmung jedes einzelnen Vorzugsaktionärs erforderlich (OYL 5:29). Als Kompensation für das fehlende Stimmrecht wird die Vorzugsaktie meistens mit einem besonderen wirtschaftlichen Vorteil, der Vorzugsdividende, ausgestattet sein.