Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Leitsatz
Beseitigung eines vom Bauamt geforderten Sicherheitsaustritts (2. Fluchtweg) nach planwidrigem Ausbau des Dachgeschosses zu Wohnzwecken in einer Reihenhausanlage?
Normenkette
§ 15 WEG, § 21 WEG, § 22 Abs. 1 WEG, § 1004 BGB
Kommentar
1. Lässt der teilende Eigentümer vor Entstehung der sog. werdenden Wohnungseigentümergemeinschaft im Rahmen der Errichtung der Wohnanlage abweichend von dem Aufteilungsplan einen als Abstellraum ausgewiesenen Spitzboden auf Erwerbersonderwunsch zu Wohnzwecken ausbauen und macht die Bauaufsichtsbehörde diese Nutzung aus Sicherheitsgründen später von der Schaffung eines Austritts (Fluchtweges) in der Dachfläche abhängig, so ist der Sondereigentümer des ausgebauten Dachbodens auch dann nicht nach § 1004 Abs. 1 BGB i.V.m. § 15 Abs. 3 WEG zu dessen Beseitigung verpflichtet, wenn der Austritt zwar erst nach Entstehung der werdenden Eigentümergemeinschaft ohne Zustimmung der übrigen Eigentümer angebracht worden ist, der Ausbau des Spitzbodens selbst aber schon vor deren Entstehung (also vor der Entstehung der werdenden/faktischen Gemeinschaft) im Wesentlichen abgeschlossen war.
Veränderungen des Dachbereiches (z. B. zusätzliche Fenstereinbauten, Sicherheitsaustritte balkon- oder treppenartig aus Metall) betreffen auch bei Reihenhausdächern gemeinschaftliches Eigentum (vgl. schon BGH, NJW 1968, 1230 und OLG Hamm, Entscheidung vom 6. 5. 1993, Az.: 15 W 307/92). Nach h. M. ist dann nicht von einer baulichen Veränderung im Sinne des § 22 Abs. 1 S. 1 WEG auszugehen, wenn eine Wohnanlage vom Bauträger von vornherein abweichend vom ursprünglichen Plan und zugleich auch abweichend vom Aufteilungsplan errichtet wird. Vor Entstehung zumindest einer faktischen Gemeinschaft kann der teilende Alleineigentümer ein Grundstück baulich ausgestalten, wie er will; er ist nicht Störer; neue Eigentümer sind auch hier durch bauliche Maßnahmen nicht im Sinne des § 1004 BGB beeinträchtigt. Neuen Eigentümern verbleiben insoweit schuldrechtliche Ansprüche auf erstmalige Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes (h. M.). Im vorliegenden Fall muss also noch tatsachengerichtlich festgestellt werden, wann die planwidrige bauliche Maßnahme als im Wesentlichen zeitlich abgeschlossen wurde und wann die werdende Gemeinschaft entstand. Erstmalige plangerechte und ggf. mangelfreie Herstellung des Gemeinschaftseigentums ist Sache aller Eigentümer, kann von jedem Eigentümer verlangt werden und obliegt den Eigentümern in ihrer Gesamtheit als Gemeinschaft (vgl. auch § 21 Abs. 4 und Abs. 5 Nr. 2 WEG). Zu prüfen ist auch noch, welche Arbeiten als "eine" Maßnahme (im Unterschied zu mehreren verschiedenen Baumaßnahmen) anzusehen sind. Wird vor Entstehung der werdenden Gemeinschaft in der Bauphase eine öffentlich-rechtlich vorgeschriebene bauliche Veränderung (durch den Alleineigentümer) vorgenommen, unterliegt diese Maßnahme (hier: Errichtung des vom Bauaufsichtsamt angeordneten Sicherheitsaustritts) damit nicht der Einstimmigkeitsregelung des § 22 WEG.
Erfolgte demgegenüber der planwidrige Ausbau des Spitzbodens im Wesentlichen zu einem Zeitpunkt, als die werdende Gemeinschaft durch Inbesitznahme des Wohnungseigentums bereits entstanden war, können hier von Miteigentümerseite Beseitigungsansprüche geltend gemacht werden.
2. Zurückverweisung bei Geschäftswert für alle Instanzen von DM 20.000,- unter Berücksichtigung der wechselseitigen Interessen und damit auch des zusätzlichen Wohnwertinteresses an den streitigen Spitzbodenräumlichkeiten.
Link zur Entscheidung
( OLG Hamm, Beschluss vom 21.06.1993, 15 W 386/92)
zu Gruppe 5: Rechte und Pflichten der Miteigentümer