Leitsatz
Ansprüche aus einer nur auf den Todesfall abgeschlossenen Lebensversicherung sind, auch wenn die Versicherungssumme 3.579 EUR übersteigt, nach § 850b Abs. 1 Nr. 4 ZPO insoweit unpfändbar, als sie sich auf der Grundlage einer diesen Betrag nicht übersteigenden Versicherungssumme ergeben.
BGH, 12.12.2007 – VII ZB 47/07
1 Der Fall
Der Gläubiger vollstreckt aus einem notariellen Schuldverhältnis und hat mit einem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss eine Sterbegeldversicherung des Schuldners mit einer Versicherungssumme von 5.112 EUR und einem aktuellen Rückkaufswert von rund 2.000 EUR gepfändet. Der Schuldner erstrebt die Aufhebung des PfÜB und ist mit seiner Erinnerung nach § 766 ZPO vor dem AG und der sofortigen Beschwerde nach §§ 793, 567 ff. ZPO vor dem LG gescheitert. Der BGH hat auf die zugelassene Rechtsbeschwerde eine differenzierte Lösung entwickelt.
2 Die Entscheidung
Der BGH leitet aus § 850b Abs. 1 Nr. 4 ZPO ab, dass die Ansprüche aus der Sterbegeldversicherung des Schuldners, soweit sie sich aus einer den Betrag von 3.579 EUR nicht überschreitenden Versicherungssumme ergeben, grundsätzlich unpfändbar sind, was im Umkehrschluss bedeutet, dass die Versicherung wegen der übersteigenden Versicherungssumme sehr wohl pfändbar ist.
Höhe der Versicherungssumme
Gemäß § 850b Abs. 1 Nr. 4 ZPO sind Ansprüche aus Lebensversicherungen, die nur auf den Todesfall des Versicherungsnehmers abgeschlossen sind, unpfändbar, wenn die Versicherungssumme 3.579 EUR nicht übersteigt. In Rechtsprechung und Literatur ist umstritten, ob bei Überschreitung dieser Versicherungssumme die Ansprüche aus der Versicherung insgesamt (so AG Fürth VersR 1982, 59; LG Bochum KKZ 2006, 128; Berner, Rpfleger 1964, 68; Stöber, Forderungspfändung, 14. Aufl., Rn 1120; Zöller/Stöber, ZPO, 27. Aufl., § 850b Rn 10) pfändbar sind oder nur die sich aus dem überschießenden Betrag ergebenden Ansprüche (so OLG Bamberg JurBüro 1985, 1739; MünchKommZPO/Smid, 3. Aufl., § 850b Rn 14; Stein/Jonas/Brehm, 22. Aufl., § 850b Rn 21; Walker, in: Schuschke/Walker, ZPO, 3. Aufl., § 850b Rn 17).
Eine allein am Wortlaut ausgerichtete Auslegung legt das Verständnis nahe, dass es für die Frage der Pfändbarkeit oder Unpfändbarkeit der Ansprüche aus der Lebensversicherung nur darauf ankomme, ob die in § 850b Abs. 1 Nr. 4 ZPO genannte Versicherungssumme eingehalten oder überschritten ist. Denn in dieser Bestimmung ist die Unpfändbarkeit nur vorgesehen, "wenn" und nicht "soweit" die Versicherungssumme 3.579 EUR nicht übersteigt. Bei einer reinen Wortinterpretation darf die Auslegung jedoch nicht haltmachen. Maßgebend für die Auslegung einer Gesetzesvorschrift ist der zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers. Die Leistungen aus der Lebensversicherung sollen nach Sinn und Zweck des Gesetzes die Kosten aus Anlass des Todesfalles decken. Weder die Angehörigen des Versicherungsnehmers noch der Staat sollen mit diesen Kosten belastet werden. Dies fordert eine Auslegung des § 850b Abs. 1 Nr. 4 ZPO dahingehend, dass auf den Todesfall abgeschlossene Versicherungen grundsätzlich bis zur Versicherungssumme von 3.759 EUR unpfändbar sind. Aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift kann gefolgert werden, dass es sich bei der Verwendung des Wortes "wenn" statt eines "soweit" um ein redaktionelles Versehen handelt. Die gegenüber dem ursprünglichen Entwurf sprachlich geänderte Fassung sollte nur deutlich machen, dass von der Pfändbarkeit ausschließlich auf den Todesfall abgeschlossene Lebensversicherungen ausgenommen sind. Dafür, dass mit der geänderten Formulierung eine sonstige Beschränkung der Schutzvorschrift erstrebt wurde, ist nichts ersichtlich. Gesetzgeberisches Ziel war somit trotz der geänderten Fassung des § 850b Abs. 1 Nr. 4 ZPO, die durch die Lebensversicherung abgesicherten Todesfallkosten in der für erforderlich gehaltenen Höhe von damals 1.500 DM grundsätzlich von der Pfändbarkeit auszunehmen. Wenn daher in die endgültige Gesetzesfassung statt des im Entwurf der Bundesregierung vorgesehenen "soweit" ein "wenn" eingeflossen ist, ohne dass sich an der Absicht des Gesetzgebers zur sozialen Absicherung des Schuldners etwas geändert hätte, lässt dies den Schluss zu, dass es sich insoweit um ein redaktionelles Versehen handelt.
3 Der Praxistipp
Die Entscheidung des BGH zwingt zunächst dazu, bei der Pfändung von Lebensversicherungen auf den Todesfall den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss dahin zu ergänzen, dass lediglich auf den 3.759 EUR übersteigenden Betrag zugegriffen werden soll.
Voraussetzungen der Pfändung
Für die Praxis muss der Gläubiger § 850b Abs. 2 ZPO beachten. Danach können die in § 850b Abs. 1 genannten Bezüge, d.h. auch die hier streitgegenständliche Lebensversicherung, dann gepfändet werden, wenn
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die Vollstreckung in das sonstige bewegliche Vermögen des Schuldners nicht zu einer vollständigen Befriedigung des Gläubigers geführt hat oder voraussichtlich nicht führen wird und |
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wenn nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere der Art des beiz... |