Auch wenn es dem Arbeitgeber obliegt, Lohnzuschüsse der ARGE nach dem Hamburger Modell zusammen mit dem Lohn an den Arbeitnehmer auszukehren, bleibt der Zuschuss öffentlich-rechtliche Sozialleistung und ist bei der Ermittlung der Pfändungsfreigrenze nur dann zu berücksichtigen, wenn eine entsprechende Entscheidung des Vollstreckungsgerichtes besteht.
LAG Hamburg, 18.11.2009 – 5 Sa 39/09
I. Der Fall
Schuldner erhält neben Arbeitslohn Eingliederungsleistungen …
Der ledige, kinderlose Schuldner war seit dem 1.9.2007 bei dem Beklagten als Fahrer beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis wurde von der Hamburger Arbeitsgemeinschaft SGB II "T. Hamburg" nach den Richtlinien des Hamburger Modells zur Beschäftigungsförderung gefördert. Nach Nr. 5 und 6 der Richtlinien erhält der Arbeitnehmer einen zwei Monate gültigen "Eingliederungsscheck" mit der Zusage der Förderung, der durch den Arbeitgeber und den Arbeitnehmer zu unterschreiben ist und den Förderungsantrag darstellt. Daraufhin erfolgt die Bescheiderteilung durch die ARGE. Der Beklagte als Arbeitgeber und der Schuldner als Arbeitnehmer erhielten den Richtlinien entsprechend monatlich einen – steuer- und sozialversicherungsfrei gezahlten – Pauschalbetrag von je 250,00 EUR als Förderungsbetrag. Der Zuschuss wurde insgesamt an den Beklagten ausgezahlt; der Beklagte war verpflichtet, den dem Schuldner zustehenden Anteil an der Förderung spätestens jeweils am Monatsende auszuzahlen. Der Kläger setzte den Beklagten über das Insolvenzverfahren in Kenntnis und forderte ihn unter Bezugnahme auf den Insolvenzeröffnungsbeschluss auf, einen pfändbaren Lohnanteil an ihn, den Kläger, zu zahlen.
... die der AG bei der Berechnung nach § 850c nicht berücksichtigt
Der Beklagte rechnete das Arbeitsverhältnis mit dem Schuldner für die Monate Januar bis Juni 2008 auf der Basis eines Entgelts in Höhe von 1.602,93 EUR (Januar 2008) bzw. 1.318,09 EUR (Februar 2008 bis Juni 2008) zzgl. des "Zuschusses Hamburger Modell" ab und zahlte den sich aus der Abrechnung ergebenden Nettobetrag von 1.358,88 EUR (Januar 2008) bzw. 1.220,00 EUR (Februar 2008 bis Juni 2008) an den Schuldner aus.
Der Unterschied für den Gläubiger: fast 1.100 EUR
Einen Antrag nach § 36 Abs. 4 InsO hat der Kläger nicht gestellt. Würden die Zuzahlungen nach dem Hamburger Modell bei der Berechnung des pfändbaren Gehaltsanteils berücksichtigt, ergäbe sich für die Monate Januar bis Juni 2008 ein pfändbarer Gesamtbetrag von 1.077,40 EUR. Die Beteiligten streiten nun darum, ob und unter welchen Voraussetzungen der Zuschuss der ARGE bei der Berechnung des pfändbaren Einkommens zu berücksichtigen ist. Das ArbG hat den Arbeitgeber zur Zahlung verurteilt. Hiergegen wendet dieser sich mit der Berufung.
II. Die Entscheidung
LAG: Keine Einziehungsbefugnis
Die Berufung ist begründet. Es fehlt die nach der InsO erforderliche Einziehungsbefugnis des Klägers. Gemäß § 35 InsO erfasst das Insolvenzverfahren das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt (Insolvenzmasse). Gegenstände, die nicht der Zwangsvollstreckung unterliegen, gehören gemäß § 36 Abs. 1 Satz 1 InsO nicht zur Insolvenzmasse. Die §§ 850 ff. ZPO gelten entsprechend (§ 36 Abs. 1 Satz 2 InsO). Die §§ 808 bis 812 ZPO regeln, inwieweit Vermögensgegenstände des Schuldners der Zwangsvollstreckung und damit auch dem Insolvenzbeschlag unterliegen. Einkünfte aus nicht selbstständiger Tätigkeit (Arbeitseinkommen, Lohn, Gehalt) fallen nur in dem Umfang in die Insolvenzmasse, in dem sie gem. §§ 850 ff. ZPO der Pfändung unterliegen. Beschlagnahmefrei bleiben die nach § 850c ZPO unpfändbaren Teile des Arbeitseinkommens. Der Insolvenzverwalter/Treuhänder ist nicht befugt, das der Zwangsvollstreckung nicht unterliegende Arbeitseinkommen des Schuldners zur Masse einzuziehen (LAG Schleswig-Holstein NZA-RR 2006, 309 m.w.N.). Soweit das unpfändbare Arbeitseinkommen nicht in die Insolvenzmasse fällt, fehlt die Einziehungsbefugnis des Insolvenzverwalters.
Eingliederungshilfe ist kein Arbeitseinkommen…
Der hier im Streit befindliche Zuschuss der Hamburger Arbeitsgemeinschaft SGB II ist kein Arbeitseinkommen i.S.d.. § 850 Abs. 2 und 3 ZPO. Es handelt sich um eine Geldleistung i.S.d. § 4 SGB II nach Maßgabe der im SGB II vorgesehenen Förderungsmöglichkeiten für Langzeitarbeitslose. Hieran ändert sich auch nichts dadurch, dass der Zuschuss insgesamt dem Arbeitgeber überwiesen und der dem Arbeitnehmer zustehende Teil sodann mit dem Lohn ausgezahlt wird und auf der Lohnabrechnung erscheint. Das Verhältnis des Arbeitnehmers bleibt im Verhältnis zur ARGE öffentlich-rechtlich. Der "Eingliederungsscheck" stellt sich als Zusicherung i.S.d. § 34 SGB X dar und ist selbst schon ein Verwaltungsakt (Kreikebohm, Kommentar zum Sozialrecht, 2009, Nr. 5 zu § 34 SGB X). Auch der darauf gestützte Bescheid nach Ziffer 6 der Richtlinien ist ein Arbeitnehmer und Arbeitgeber begünstigender Verwaltungsakt i.S.d. § 31 SGB X. Der Arbeitnehmer bleibt Inhaber eines öffen...