OLG sieht Anspruch dem Grunde, aber nicht der Höhe nach
Die Beklagte ist gegenüber dem Kläger nicht gem. § 850h Abs. 2 ZPO zur Zahlung von pfändbarem Arbeitseinkommen an die Masse verpflichtet. Die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit dieser Vorschrift liegen nicht vor, da die vom LG als angemessen angenommene Vergütung des Schuldners jedenfalls nicht die jeweils maßgeblichen Pfändungsfreigrenzen übersteigt.
Verschleiertes Arbeitseinkommen als Zugriffsobjekt
§ 850h Abs. 2 S. 1 ZPO bestimmt für den Fall, dass der Schuldner einem Dritten in einem ständigen Dienstverhältnis Arbeiten oder Dienste, die nach Art und Umfang üblicherweise vergütet werden, unentgeltlich oder gegen eine unverhältnismäßig geringe Vergütung leistet, im Verhältnis des Gläubigers zu dem Empfänger der Arbeits- und Dienstleistungen eine angemessene Vergütung als geschuldet gilt. Arbeitseinkommen fällt nach §§ 35 Abs. 1, 36 Abs. 1 S. 2 InsO in die Insolvenzmasse, soweit es pfändbar ist. Auch verschleiertes Arbeitseinkommen i.S.v. § 850h Abs. 2 ZPO, der nach § 36 Abs. 1 S. 2 InsO entsprechend anwendbar ist, gehört in Höhe des pfändbaren Teils der angemessenen Vergütung zur Insolvenzmasse (vgl. BAG, 16.5.2013 – 6 AZR 556/11, Rn 40 m.w.N.).
Bei der Prüfung, ob die Voraussetzungen des § 850h Abs. 2 S. 1 ZPO vorliegen, sowie bei der Bemessung der Vergütung ist nach § 850h Abs. 2 S. 2 ZPO auf alle Umstände des Einzelfalles, insbesondere die Art der Arbeits- und Dienstleistung, die verwandtschaftlichen oder sonstigen Beziehungen zwischen dem Dienstberechtigten und dem Dienstverpflichteten und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Dienstberechtigten Rücksicht zu nehmen.
Drei Prüfungsschritte
Aus dieser Regelung des Gesetzes ergibt sich, dass zunächst die übliche Vergütung für die Dienste, die der Schuldner leistet, ermittelt werden muss. Ist die übliche Vergütung gefunden, so muss das zwischen Arbeitgeber und Schuldner vereinbarte Arbeitsentgelt damit verglichen und festgestellt werden, ob der Schuldner gegen eine unverhältnismäßig geringe Vergütung arbeitet. Erst wenn diese Voraussetzung erfüllt ist, kann das Gericht eine angemessene Vergütung festsetzen. Dabei obliegt die Darlegungs- und Beweislast bezüglich der Voraussetzungen des § 850h Abs. 2 S. 1 ZPO der klagenden Partei (LAG Hamm, v. 16.12.2016 – 16 Sa 636/16, Rn 25, juris m.w.N.).
Tatsächlicher Lohn ist unangemessen
Die Beklagte hat mit dem Schuldner ein Brutto-Arbeitsentgelt von 700 EUR vereinbart, das als unangemessen niedrige Vergütung anzusehen ist. Der beweisbelastete Kläger hat aber demgegenüber den Beweis nicht führen können, dass das vom LG ohne Fehler bei der Beweiswürdigung für die Tätigkeit des Schuldners als angemessene Vergütung angesetzte Bruttoentgelt einen pfändbaren Betrag erreicht.
Auf der Grundlage der vom Kläger vorgetragenen Umstände des Geschäftsbetriebes der Beklagten und des erforderlichen Arbeitsaufwandes des Schuldners ist der Beurteilung einer angemessenen Vergütung zugrunde zu legen, dass der Schuldner wöchentlich mindestens 30 Stunden für die Beklagte tätig und diese Tätigkeit mit dem jeweils geltenden Mindestlohn zu vergüten ist, wie das LG mit überzeugenden Erwägungen ausgeführt hat. Ferner ist für die Geschäftsführertätigkeit und insbesondere das damit einhergehende Haftungsrisiko ein weiterer Betrag von 300 EUR in die Vergütung einzustellen.
Keine Berücksichtigung des geldwerten Vorteils
Entgegen der Ansicht des Klägers erhöht sich der pfändbare Betrag aber nicht im Fall der – vorliegend streitigen – Privatnutzung des Firmen-Pkws durch den Schuldner um einen geldwerten Vorteil. Ein dem Schuldner vom Drittschuldner gewährter geldwerter Vorteil ist nur bei der Berechnung des pfändbaren realen Arbeitseinkommens, nicht auch bei der Ermittlung des höheren pfändbaren fiktiven Arbeitseinkommens zu berücksichtigen (vgl. BAG, v. 23.4.2008 – 10 AZR 168/07, Rn 21, m.w.N., juris).
Höhere Arbeitsleistung nicht bewiesen
Entgegen der Ansicht des Klägers steht der Annahme einer wöchentlichen Arbeitszeit von mindestens 30 Stunden nicht entgegen, dass das Ladengeschäft der Beklagten ausweislich einer Internetrecherche auch samstags und damit insgesamt 43 Stunden pro Woche geöffnet hat. Da einer solchen Internetrecherche auch veraltete Daten zugrunde liegen können, steht bereits nicht fest, dass das Ladengeschäft der Beklagten tatsächlich regelmäßig samstags geöffnet hat. Insbesondere ist aber nicht nachgewiesen, dass gerade der Schuldner diese weiteren Ladenöffnungszeiten abdeckt. Vielmehr hat sich das LG nach Anhörung des Schuldners davon überzeugt gezeigt, dass dessen Eltern ebenfalls in erheblichem Umfang im Geschäft mitarbeiten. Der für den Umfang der Tätigkeit des Schuldners beweisbelastete Kläger hat demgegenüber keine weiteren Tatsachen vorgetragen und mit Beweisangeboten untersetzt, die es rechtfertigen könnten, von einem höheren Arbeitsaufwand des Schuldners auszugehen.
Gerichte gehen meist vom Mindestlohn aus
Ebenso wenig ist es zu beanstanden, dass das LG für die geleistete...