Leitsatz
Die Prozesskosten für eine Drittschuldner-Einziehungsklage fallen nicht unter die Risikobegrenzungsklausel des § 2 Abs. 3 Buchst. b ARB 75.
Der Ausschluss einer Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus Ansprüchen Dritter, die vom Versicherungsnehmer im eigenen Namen geltend gemacht werden (§ 4 Abs. 2 Buchst. c ARB 75), erfasst seinem Sinn und Zweck nach die Einziehungsklage des Pfändungspfandgläubigers gegen den Drittschuldner nicht.
BGH, 29.10.2008 – IV ZR 128/07
1 Der Fall
Fall betraf ARB 75 und ARB 92
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Leistung aus einer Rechtsschutzversicherung in Anspruch. Dem Versicherungsvertrag liegen die ARB 92 zugrunde, die soweit streitentscheidend den ARB 75 entsprechen. Versicherungsschutz ist u.a. vereinbart für Gewerbetreibende und freiberuflich Tätige (gemäß § 24 Abs. 1, 2, 4 und 5 ARB 92) einschließlich des "Firmen-Vertragsrechtsschutzes" gemäß § 24 Abs. 3 Nr. 1 ARB 92.
Die Klägerin hatte ein rechtskräftiges Urteil auf Auszahlung ihres Kontoguthabens aus einem Unternehmenspool erwirkt. Drei Vollstreckungsversuche bei der Schuldnerin scheiterten. Die Klägerin erfuhr dann, dass nicht mehr die Schuldnerin das Konto der Klägerin führte, sondern ein anderes Unternehmen. Daraufhin ließ die Klägerin den Anspruch der Schuldnerin auf Rückübertragung und Auszahlung des Guthabens pfänden und sich zur Einziehung überweisen. Nach Zustellung des PfÜB weigerte sich die Drittschuldnerin, das Guthaben an die Klägerin auszuzahlen. Diese ging deshalb mit einer Einziehungsklage gegen die Drittschuldnerin vor, hatte aber keinen Erfolg. Aus der Rechtsverfolgung über zwei Instanzen entstanden der Klägerin Kosten von insgesamt 5.247,92 EUR. Die Beklagte verweigert die Erstattung dieser Kosten. Sie stützt sich u. a. auf § 2 Abs. 3 Buchst. b ARB 92. Diese Bestimmung lautet: "Der Versicherer trägt nicht ... die Kosten der Zwangsvollstreckung für mehr als drei Anträge auf Vollstreckung oder Vollstreckungsabwehr je Vollstreckungstitel und die Kosten für solche Anträge, soweit diese später als fünf Jahre nach Rechtskraft des Vollstreckungstitels gestellt werden." Ferner beruft sich die Beklagte auf § 4 Abs. 2 Buchst. c ARB 92: "Ausgeschlossen vom Versicherungsschutz ist die Wahrnehmung rechtlicher Interessen ... b) aus Ansprüchen, die nach Eintritt des Versicherungsfalles auf den Versicherungsnehmer übertragen worden sind; c) aus Ansprüchen Dritter, die vom Versicherungsnehmer im eigenen Namen geltend gemacht werden."
Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Auch der BGH folgt dem und weist die Revision der Versicherung zurück.
2 Die Entscheidung
Klägerin zieht gewerbliche Forderung ein
1. Die Klägerin hat mit der Einziehungsklage, für die hier Rechtsschutz verlangt wird, rechtliche Interessen in ihrer im Versicherungsschein bezeichneten Eigenschaft als Gewerbetreibende wahrgenommen und festgestellt, dass der geltend gemachte Anspruch auf schuldrechtliche Verträge gestützt war (§ 24 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Nr. 1 ARB 92). Es fehlt aber auch nicht an einem inneren sachlichen Zusammenhang zwischen der versicherten gewerblichen Tätigkeit und der aus schuldrechtlichen Verträgen hergeleiteten Einziehungsforderung. Es mag sein, dass mit der Einziehungsklage Inkasso- und Finanzierungsgeschäfte abgewickelt werden. Dabei geht es aber um im Betrieb der Klägerin entstandene Ansprüche insbesondere auf Gegenleistungen für ihre gewerbliche Tätigkeit, die wegen der Vereinbarung des Barter-Handels zu dem bei der Vollstreckungsschuldnerin entstandenen und auf die Drittschuldnerin weiter übertragenen Guthaben geführt haben. Für diese Einordnung der mit der Einziehungsklage wahrgenommenen rechtlichen Interessen unter das speziell versicherte Risiko spielt keine Rolle, dass die Klägerin die Einziehungsforderung gegen die Drittschuldnerin vor ihrer gerichtlichen Geltendmachung durch Pfändung und Überweisung (§§ 829, 835 f. ZPO) und insoweit kraft öffentlichen Rechts erworben hatte.
2. Dem Anspruch auf Versicherungsleistungen steht auch nicht entgegen, dass die Klägerin vor Erhebung der Einziehungsklage gegen die Drittschuldnerin schon dreimal vergeblich versucht hatte, bei der Schuldnerin zu vollstrecken. Nach § 2 Abs. 3 Buchst. b ARB 92 ist zwar die Leistungspflicht des Versicherers auf drei "Anträge auf Vollstreckung oder Vollstreckungsabwehr je Vollstreckungstitel" beschränkt. Die Einziehungsklage ist jedoch – wie die Auslegung der Klausel ergibt – kein solcher Vollstreckungsantrag.
Einziehungsklage ist keine Vollstreckungshandlung!
Die Klausel verwendet zur Kennzeichnung der Vollstreckungskosten auslösenden Maßnahmen, auf die sich die Beschränkung bezieht, mit der Wendung "Anträge auf Vollstreckung oder Vollstreckungsabwehr" Begriffe der Rechtssprache. Deshalb erfährt der Grundsatz, dass Allgemeine Versicherungsbedingungen so auszulegen sind, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss (st. Rspr., vgl. BGHZ 123, 83, 85), eine Ausna...