Widerspruch – Klagebegründung – Widerspruchsrücknahme
Kommt es im gerichtlichen Mahnverfahren zu einem Widerspruch oder einem Einspruch, ist für das Verfahrensrecht zu unterscheiden:
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Bei einem Widerspruch gegen den Mahnbescheid nach § 694 ZPO bleibt das gerichtliche Mahnverfahren zunächst beim zentralen Mahngericht anhängig. Eine automatisierte Abgabe an das Streitgericht erfolgt nicht. |
Hinweis
Da Widerspruch erhoben ist, kommt § 701 ZPO nicht zur Anwendung. Der Mahnbescheid behält also auch über die Frist von sechs Monaten ab seiner Zustellung hinaus seine Wirkung. Allerdings muss der Lauf der Verjährungsfrist nach § 204 Abs. 2 S. 3 BGB im Auge behalten werden, wenn das Verfahren (zunächst) nicht weiter betreiben wird. Die Hemmung der Verjährung nach § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB endet dann trotz weiter anhängigen Mahnverfahrens.
Nun hat auf den Widerspruch jede Partei – mithin nicht nur der Antragsteller und Gläubiger, sondern auch der Schuldner als Antragsgegner nach § 696 Abs. 1 ZPO – das Recht, die Abgabe des Verfahrens an das Streitgericht zu beantragen. Welches Streitgericht sachlich zuständig ist, bestimmt sich nach §§ 23, 71 GVG. Die örtliche Zuständigkeit bestimmt sich nach den §§ 12 ff. ZPO, wobei bei einem Zusammentreffen von allgemeinem und besonderem Gerichtsstand dem Gläubiger nach § 35 ZPO das Wahlrecht zukommt. Wurde im Mahnbescheidsantrag schon ein Streitgericht angegeben – wobei davon abzuraten ist, die unmittelbare Abgabe an das Streitgericht zu beantragen –, gilt die Wahl damit als ausgeübt (BGH NJW 1993, 1273; BGH v. 10.9.2002 – X ARZ 299/02).
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Anders verhält sich dies, wenn auf den Mahnbescheid noch Vollstreckungsbescheid ergeht und der Schuldner als Antragsgegner erst jetzt reagiert und Einspruch einlegt. Hier erfolgt nach § 700 Abs. 3 ZPO eine unmittelbare Abgabe des Verfahrens an das Streitgericht. |
Hinweis
Der Grund für die unterschiedliche Behandlung liegt darin, dass mit dem Vollstreckungsbescheid, anders als mit dem Mahnbescheid, schon ein vollstreckbarer Titel nach § 794 Abs. 1 Nr. 4 ZPO vorliegt.
Auf die Abgabe erfolgt die Begründung
Mit der Abgabe der Streitsache an das Streitgericht erfolgt von dort die Aufforderung zur Anspruchsbegründung. Hierfür wird eine Frist gesetzt. Erfolgt kein fristgerechter Eingang einer Anspruchsbegründung, wird unmittelbar Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt. Ansonsten folgt das Verfahren den allgemeinen Regeln des Erkenntnisverfahrens, d.h. das Verfahren wird so betrieben, als sei direkt eine Klage anhängig geworden. In diesem Zusammenhang kann selbstverständlich der Einspruch als unzulässig – etwa als verfristet – zurückgewiesen werden.
Die verfahrensrechtlichen Besonderheiten: die Rücknahme des Widerspruchs
Wird der Einspruch auf die Klagebegründung zurückgenommen, wird der Vollstreckungsbescheid sofort rechtskräftig und über die weiteren Kosten des Verfahrens – über diejenigen, die im Vollstreckungsbescheid schon berücksichtigt sind, hinaus – ist gesondert vom Streitgericht zu beschließen. Die Kosten werden dann in einem gesonderten Kostenfestsetzungsbeschluss auf Antrag nach den §§ 103 ff. ZPO festgesetzt.
Anders verhält sich dies bei der Rücknahme eines Widerspruchs. Die Rücknahme bewirkt auch hier, dass das streitige Verfahren endet und die Rechtshängigkeit entfällt. Der Mahnbescheid kann nun wieder die Grundlage eines Vollstreckungsbescheides bilden (Zöller/Seibel, ZPO, 34. Aufl. 2022, § 697 Rn 12; Schüller, in: MüKo-ZPO, 6. Aufl. 2020, § 697 Rn 33). Die Rücknahme ist deshalb dem Antragsteller mitzuteilen, der nun reagieren muss.
Hinweis
Die Möglichkeit zur Rücknahme ist allerdings befristet. Nach § 697 Abs. 4 ZPO ist sie nur bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung im streitigen Verfahren möglich. Danach kann nur noch ein prozessuales Anerkenntnis erfolgen, das dann in ein Anerkenntnisurteil nach § 307 ZPO mündet.
Der Antragsteller muss auf die Rücknahme des Widerspruchs nun also den Antrag auf Erlass eines Vollstreckungsbescheides stellen, wobei – mangels fortgesetzt erhobenen Widerspruchs – die Sechs-Monats-Frist des § 701 S. 1 ZPO ab dem Zeitpunkt der Mitteilung der Rücknahme (wieder) gilt. Das Mahnverfahren lebt dann also wieder auf. In diesem Verfahren sind nun allerdings auch die (weiteren) Kosten des streitigen Verfahrens mit zu berücksichtigen (Schüller, in: MüKo-ZPO, 6. Aufl. 2020, § 697 Rn 33).
Zur Vermeidung von Verzögerungen wird es nach Abgabe an das Streitgericht aber nicht vom Mahngericht fortgesetzt, sondern nach § 699 Abs. 1 S. 3 ZPO von dem mit dem streitigen Verfahren befassten Amts- oder Landgericht. Den Vollstreckungsbescheid erlässt hier allerdings nicht der Richter, sondern der Rechtspfleger. Dabei sind die verfahrensrechtlichen Vorgaben aus dem gerichtlichen Mahnverfahren zur Form nach §§ 702 und 703c ZPO zu beachten. Es ist also der Formularzwang zu berücksichtigen (hierzu Zöller/Seibel, ZPO, 34. Aufl. 2022, § 697 Rn 12).
Hinweis
Die Prüfungskompetenzen des Rechtspflegers beim Streitgericht entsprechen denen beim zentra...