Stufe 1: Welche Kosten sind im Vergütungsverhältnis entstanden?
Von der verfahrensrechtlichen Lösung ist die kostenrechtliche Lösung zu unterscheiden. Im konkreten Fall ist zu sehen, dass eine Inkassodienstleistung nach § 2 Abs. 2 des Rechtsdienstleistungsgesetzes (RDG) vorliegt, weil eine fremde Forderung zur Einziehung beauftragt wurde, bei der keine rechtliche Prüfung im Einzelfall erforderlich war, weil der Schuldner keine Einwendungen erhoben hatte und es auch sonst dafür keinen Anlass gab.
Die Einziehung einer solchen Forderung wird – unabhängig davon, ob ein Rechtsanwalt oder ein Inkassodienstleister, der nach Maßgabe des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) vergütet wird, beauftragt wurde – i.S.d. Nr. 2300 Abs. 2 RVG mit einer 0,5- bis 1,3-Geschäftsgebühr und damit einer 0,9-Geschäftsgebühr als Regelgebühr nebst Auslagen (Nrn. 7002, 7008 VV RVG) vergütet. Da vorgerichtlich nur der Inkassodienstleister tätig geworden ist, hat er die 0,9-Geschäftsgebühr nebst Auslagen verdient. Diese sind nach §§ 280, 286 BGB als Verzugsschaden auch grundsätzlich erstattungsfähig.
Hinweis
Von der Frage der Vergütung, die nur zwischen dem Rechtsdienstleister (Rechtsanwalt oder Inkassodienstleister) und dem Auftraggeber (Mandant und Gläubiger) von Relevanz ist, ist das Erstattungsverhältnis zu unterscheiden. Die Vergütung begründet aber den aus Verzug oder nach anderen Anspruchsgrundlagen erstattungsfähigen Schaden (zu erstatten ist höchstens, was auch zu vergüten ist), daher muss immer erst der Vergütungsanspruch geklärt werden.
Im gerichtlichen Mahnverfahren ist bei der hier vorliegenden Konstellation dann aber nicht mehr der Inkassodienstleister tätig geworden, sondern der Gläubiger hat nun mit dem Rechtsanwalt einen zweiten Rechtsdienstleister beauftragt.
Hinweis
Dies war nicht notwendig, weil der Inkassodienstleister schon seit dem 1.7.2008 nach § 79 Abs. 2 S. 2 Nr. 4 ZPO berechtigt ist, den Gläubiger im gerichtlichen Mahnverfahren zu vertreten, mithin postulationsfähig ist. Die Beauftragung des Rechtsanwalts wurde also nicht durch ein Verhalten des Schuldners begründet, sondern beruht auf der freien Entscheidung des Gläubigers. Hier wirkt sie sich dann – wie gleich zu zeigen sein wird – nachteilig aus.
Für den Rechtsanwalt entsteht nun im Vergütungsverhältnis zum Gläubiger die 1,0-Verfahrensgebühr nach Nr. 3305 VV RVG nebst Auslagen. Da der Rechtsanwalt in der gleichen Angelegenheit vorgerichtlich nicht tätig war – hier hat der Inkassodienstleister gearbeitet –, ist für ihn zuvor keine Geschäftsgebühr entstanden, so dass auch keine Anrechnung der vorgerichtlichen Inkassokosten zu erfolgen hat, Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG.
Das Ergebnis: Der Gläubiger muss die vorgerichtlichen Inkassokosten und die Kosten des Rechtsanwalts im gerichtlichen Mahnverfahren voll und ohne Anrechnung vergüten.
Stufe 2: Welche Vergütungsansprüche sind auch erstattungsfähig?
Ganz anders sieht es aber im Erstattungsverhältnis zwischen dem Gläubiger und dem Schuldner aus. Hier ist zu fragen, welche Kosten, die der Gläubiger seinen beiden Rechtsdienstleistern zu vergüten hat, auch tatsächlich vom Schuldner zu tragen sind. Hier gibt es keinen Automatismus, dass alle Vergütungsansprüche erstattungsfähig sind. Vielmehr müssen die jeweilige Anspruchsgrundlage konkret geprüft und gesetzliche Beschränkungen beachtet werden.
Grundsätzlich hat der Schuldner nach dem materiellen Recht – vorgerichtlich – die gesamten Rechtsverfolgungskosten zu tragen, die dem Gläubiger entstanden sind. In prozessrechtlicher Hinsicht – d.h. auch im gerichtlichen Mahnverfahren – sind die notwendigen Kosten der Rechtsverfolgung von dem Schuldner zu tragen, wobei eine Vergütung nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz in aller Regel als notwendig anzusehen ist. Ausgehend hiervon wären die Vergütungsansprüche beider Rechtsdienstleister vom Schuldner zu erstatten.
Die kostenrechtliche Behandlung der Anrechnung
Das Problem der vom Leser geschilderten Konstellation liegt darin, dass durch den Wechsel des Rechtsdienstleisters zu einem Zeitpunkt, in dem dies nicht notwendig war, mehr Kosten entstanden sind, als wenn nur ein Rechtsdienstleister bis zum Widerspruch agiert hätte: Der Rechtsanwalt hätte schon vorgerichtlich tätig werden und dann den Mahnbescheid beantragen können, wie der Inkassodienstleister nach seiner vorgerichtlichen Tätigkeit dann auch nach § 79 Abs. 2 S. 2 Nr. 4 ZPO den Mahnbescheid noch hätte beantragen können. In beiden Fällen wäre dann die Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG zur Anwendung zu bringen gewesen, so dass die hälftige vorgerichtliche Geschäftsgebühr (0,9 : 2 = 0,45) schon im Vergütungsverhältnis auf die 1,0-Verfahrensgebühr nach Nr. 3305 VV RVG anzurechnen gewesen wäre, sodass im gerichtlichen Mahnverfahren niedrigere Gebühren entstanden wären (1,0 ./. 0,45 = 0,55).
Da diese Mehrkosten im Umfang einer nicht angerechneten 0,45-Gebühr nicht auf ein adäquat-kausales Verhalten des Schuldners zurückgehen, hat der Gesetzgeber hier mit § 13f S. 1 und 2 RDG die Erstattungsfähigkeit der...