I. Das Problem
Der Schuldner bleibt still bis zum Widerspruch im gerichtlichen Mahnverfahren
Wir sind ein registrierter Inkassodienstleister. Als solcher sind wir mit der Einziehung einer aus Sicht unseres Mandanten unstreitigen Forderung beauftragt worden. Der Schuldner hat auf die kaufmännischen Mahnungen unseres Auftraggebers nicht reagiert.
Der Schuldner hat sodann auf unsere vielfältigen Beitreibungsbemühungen überhaupt nicht reagiert. Wir haben dann durch einen kooperierenden Rechtsanwalt einen Mahnbescheid beantragen lassen. Dabei haben wir die vollen vorgerichtlichen Inkassokosten geltend machen lassen, während der Rechtsanwalt seine Kosten im Mahnverfahren ohne Anrechnung geltend gemacht hat.
Hierauf hat der Schuldner erstmals mit einem Widerspruch in der Hauptsache reagiert, worauf die Sache vom zentralen Mahngericht an das Streitgericht, ein Landgericht, abgegeben wurde. Dort wurde die Klagebegründung von unserem Rechtsanwalt eingereicht.
Schuldnerreaktion Teil 2: Forderungsanerkenntnis mit Rücknahme des Widerspruchs
Daraufhin hat der Schuldner die gesamte Hauptforderung anerkannt und den Widerspruch zurückgenommen. Der Rechtsanwalt beantragte deshalb beim Streitgericht den Erlass eines Vollstreckungsbescheides. Die zuständige Rechtspflegerin am Landgericht lehnte den Erlass des ursprünglich beantragten Vollstreckungsbescheides jedoch ab, weil sie die vorgerichtlichen Inkassokosten auf die Rechtsanwaltskosten im gerichtlichen Mahnverfahren angerechnet sehen wollte. Auch hat sie die Inkassokosten nicht verzinst.
Problem: Wie ist mit der Anrechnung umzugehen?
Daraufhin wurde mehrfach von der Rechtspflegerin mit der Rechtsanwaltskanzlei telefoniert, ehe der Vollstreckungsbescheid dann vom Landgericht erlassen worden ist. Die Sachbearbeiterin beim Rechtsanwalt hatte so einen Vorgang noch nie bearbeitet, weshalb sie letztlich auf die Änderungswünsche der Rechtspflegerin eingegangen ist.
Solche Vorgänge kommen häufiger vor, sodass wir gerne wüssten, ob tatsächlich eine Anrechnung zu erfolgen hat. Wo liegt dann der Fehler?
II. Die Lösung zum Verfahren
Widerspruch – Klagebegründung – Widerspruchsrücknahme
Kommt es im gerichtlichen Mahnverfahren zu einem Widerspruch oder einem Einspruch, ist für das Verfahrensrecht zu unterscheiden:
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Bei einem Widerspruch gegen den Mahnbescheid nach § 694 ZPO bleibt das gerichtliche Mahnverfahren zunächst beim zentralen Mahngericht anhängig. Eine automatisierte Abgabe an das Streitgericht erfolgt nicht. |
Hinweis
Da Widerspruch erhoben ist, kommt § 701 ZPO nicht zur Anwendung. Der Mahnbescheid behält also auch über die Frist von sechs Monaten ab seiner Zustellung hinaus seine Wirkung. Allerdings muss der Lauf der Verjährungsfrist nach § 204 Abs. 2 S. 3 BGB im Auge behalten werden, wenn das Verfahren (zunächst) nicht weiter betreiben wird. Die Hemmung der Verjährung nach § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB endet dann trotz weiter anhängigen Mahnverfahrens.
Nun hat auf den Widerspruch jede Partei – mithin nicht nur der Antragsteller und Gläubiger, sondern auch der Schuldner als Antragsgegner nach § 696 Abs. 1 ZPO – das Recht, die Abgabe des Verfahrens an das Streitgericht zu beantragen. Welches Streitgericht sachlich zuständig ist, bestimmt sich nach §§ 23, 71 GVG. Die örtliche Zuständigkeit bestimmt sich nach den §§ 12 ff. ZPO, wobei bei einem Zusammentreffen von allgemeinem und besonderem Gerichtsstand dem Gläubiger nach § 35 ZPO das Wahlrecht zukommt. Wurde im Mahnbescheidsantrag schon ein Streitgericht angegeben – wobei davon abzuraten ist, die unmittelbare Abgabe an das Streitgericht zu beantragen –, gilt die Wahl damit als ausgeübt (BGH NJW 1993, 1273; BGH v. 10.9.2002 – X ARZ 299/02).
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Anders verhält sich dies, wenn auf den Mahnbescheid noch Vollstreckungsbescheid ergeht und der Schuldner als Antragsgegner erst jetzt reagiert und Einspruch einlegt. Hier erfolgt nach § 700 Abs. 3 ZPO eine unmittelbare Abgabe des Verfahrens an das Streitgericht. |
Hinweis
Der Grund für die unterschiedliche Behandlung liegt darin, dass mit dem Vollstreckungsbescheid, anders als mit dem Mahnbescheid, schon ein vollstreckbarer Titel nach § 794 Abs. 1 Nr. 4 ZPO vorliegt.
Auf die Abgabe erfolgt die Begründung
Mit der Abgabe der Streitsache an das Streitgericht erfolgt von dort die Aufforderung zur Anspruchsbegründung. Hierfür wird eine Frist gesetzt. Erfolgt kein fristgerechter Eingang einer Anspruchsbegründung, wird unmittelbar Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt. Ansonsten folgt das Verfahren den allgemeinen Regeln des Erkenntnisverfahrens, d.h. das Verfahren wird so betrieben, als sei direkt eine Klage anhängig geworden. In diesem Zusammenhang kann selbstverständlich der Einspruch als unzulässig – etwa als verfristet – zurückgewiesen werden.
Die verfahrensrechtlichen Besonderheiten: die Rücknahme des Widerspruchs
Wird der Einspruch auf die Klagebegründung zurückgenommen, wird der Vollstreckungsbescheid sofort rechtskräftig und über die weiteren Kosten des Verfahrens – über diejenigen, die im Vollstreckungsbescheid schon berücksichtigt sind, hinaus – ist...