OLG sieht schon keinen Vollstreckungstitel
Der Vergleich vom 12.12.2017 dürfte – im Gegensatz zur Ansicht des NachlassG – schon gar kein Vollstreckungstitel i.S.d. § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO sein (BayObLG NJW-RR 1997, 1368). Der Senat teilt die Ansicht des BayObLG, das im Kern von Folgendem ausgeht:
Im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit können die Beteiligten, soweit der Gegenstand der Vereinbarung ihrer Disposition unterliegt, einen Vergleich schließen (§ 36 FamFG). Dies gilt grundsätzlich auch für das Erbscheinsverfahren. Insoweit können sich die Beteiligten verfahrensrechtlich über die Zurücknahme eines Erbscheinsantrags oder eines Rechtsmittels oder auch über einen Rechtsmittelverzicht einigen, materiell-rechtlich allerdings nicht über die Erbenstellung selbst (BayObLGZ 1966, 233 [236]).
Vergleichsoption ist im FGG-Verfahren inhaltlich beschränkt
Dabei können auch Gegenstände mitgeregelt werden, die selbst nicht Verfahrensgegenstand sind, wie z.B. die Zahlung einer Abfindung oder die Auseinandersetzung des Nachlasses. Dies folgt schon daraus, dass auch die Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit im Kern darauf abzielen, Rechtsfrieden unter den Beteiligten zu schaffen. Eine Möglichkeit der Vollstreckung von Vergleichen nach § 36 FamFG unmittelbar nach dem FamFG ist nicht vorgesehen, wie beispielsweise §§ 366, 371 FamFG zeigen, die ihrerseits auf § 795 ZPO verweisen.
Streit um den Vergleich im Erbscheinsverfahren
Ob eine im Erbscheinsverfahren vor dem Nachlassgericht protokollierte Vereinbarung als Vollstreckungstitel i.S.v. § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO anzusehen ist, für den eine Vollstreckungsklausel erteilt werden kann, wird unterschiedlich beurteilt. Der Senat ist wie das BayObLG der Auffassung, dass der von den Beteiligten in einem Erbscheinsverfahren geschlossene Vergleich kein Vollstreckungstitel i.S.v. § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ist. Unmittelbar ist § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO nicht anwendbar, da er nur für die dort genannten Titel der ZPO, nicht aber für Vergleiche nach § 36 FamFG gilt.
Der Senat ist darüber hinaus der Ansicht, dass auch keine entsprechende Anwendbarkeit von § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO in Betracht kommt (so wohl auch MüKo-ZPO/Wolfsteiner, 5. Aufl., § 794 Rn 115; Musielak/Voit/Lackmann, ZPO, 17. Aufl., § 794 Rn 49). § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO geht von Vergleichen aus, die "zur Beilegung des Rechtsstreits seinem ganzen Umfang nach oder in Betreff eines Teiles des Streitgegenstandes" geschlossen werden. Angesichts dieses Wortlautes ging der ZPO-Gesetzgeber mithin davon aus, dass die Verfahrensbeteiligten über den Verfahrensgegenstand im materiellen Sinn verfügen können.
Im Erbscheinsverfahren fehlt es jedoch an einer solchen materiellen Befugnis (BayObLGZ 1997, 217; MüKo-FamFG/Ulrici, 3. Aufl., § 36 Rn 17; Firsching/Graf/Krätzschel, NachlassR, 11. Aufl., § 34 Rn 2). Die beteiligten Erbprätendenten können über die Erbenstellung gerade nicht verfügen, vielmehr können sie regelmäßig nur durch verfahrensrechtliche Handlungen und Erklärungen darauf Einfluss nehmen, ob – und gegebenenfalls mit welchem Inhalt – ein Erbschein erteilt wird (BayObLGZ 1997, 217; Burandt/Rojahn/Gierl, ErbR, 3. Aufl., § 352e Rn 165).
Soweit der gerichtliche Vergleich eine verfahrensrechtliche Verfügung der Beteiligten zum Gegenstand hat, bedarf es eines Vollstreckungstitels aber nicht, da die entsprechenden Erklärungen, die in einem im Nachlassverfahren geschlossenen Vergleich abgegeben werden, gegenüber dem Nachlassgericht unmittelbar wirksam werden (z.B. Rücknahme eines Erbscheinsantrages). Ein Bedürfnis für die Anwendung des § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO besteht daher allenfalls insoweit, als im Vergleich andere vermögensrechtliche Positionen als die Erbenstellung geregelt werden, die gerade nicht Gegenstand des Erbscheinsverfahrens sind, wie Vermächtnisse, Abfindungen, Fragen der Auseinandersetzung oder Pflichtteilsansprüche (BayObLGZ 1997, 217).
Kein Vergleich über die Erbenstellung
Soweit sich die Beteiligten also vorliegend geeinigt haben, dass dem Beteiligten zu 1) ein Erbschein zu erteilen ist, kann diese Regelung schon nicht Gegenstand eines Vergleichs in dem Sinne sein, dass damit das materielle Erbrecht erfasst wird.
Ist eine (materiell-rechtliche) Einigung insoweit aber nicht möglich, kann sie insoweit auch nicht die Grundlage einer Zwangsvollstreckung sein; darüber hinaus spricht aus Sicht des Senats einiges dafür, dass die unwirksame Einigung insoweit auch den restlichen Vergleich erfasst (§ 139 ZPO), so dass es schon an einem Titel überhaupt fehlen würde.
Praktische Erwägungen sprechen gegen den Vergleich
Darüber hinaus sprechen nach Auffassung des Senats im Anschluss an die zutreffende Rechtsprechung des BayObLG gegen die Anwendung des § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die letztgenannten Fälle entscheidend auch die verfahrensrechtlichen Schwierigkeiten, die im Fall von Meinungsverschiedenheiten unter den Beteiligten über den Vollzug des Vergleichs auftreten können. Dies gilt vor allem...