Leitsatz
Der von den Beteiligten in einem Erbscheinserteilungsverfahren geschlossene Vergleich stellt keinen Vollstreckungstitel im Sinne des § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO dar.
OLG München, Beschl. v. 28.5.2020 – 31 Wx 126/20
1 Der Fall kurz zusammengefasst
Vergleich im Erbscheinserteilungsverfahren
Verfahrensgegenständlich ist die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Nachlassgerichts, in dem der Antrag der Bf., sie zur Ersatzvornahme gemäß § 887 ZPO zu ermächtigen, zurückgewiesen worden ist. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die am 26.10.2016 verstorbene Erblasserin errichtete am 1.1.2002 eine handschriftliche Verfügung von Todes wegen. Nach der Ankündigung des Nachlassgerichts, einen bestimmten Erbschein zu erteilen, haben sich die Beteiligten vergleichsweise dahin geeinigt, dass der Beteiligte zu 2) seinen Erbscheinsantrag zurücknimmt, dafür der Beteiligte zu 1) ihm die Hälfte eines zum Nachlass gehörenden Grundstücks unentgeltlich überträgt und diesbezüglich die Auflassung erklärt sowie eine Auflassungsvormerkung für die zweite Hälfte auf den Tod des Beteiligten zu 1) eingetragen wird.
Der Erbe erfüllt seine Pflichten nicht
In der Folgezeit wurde den Beteiligten zu 2) eine vollstreckbare Ausfertigung des Vergleichs erteilt. Er beantragt nunmehr, nach § 887 ZPO ermächtigt zu werden, die Auflassung für das näher bezeichnete Grundstück zu erklären, nachdem der Beteiligte zu 1) dies verweigert. Das Nachlassgericht hat diesen Antrag abgelehnt, weil nach seiner Ansicht § 888 ZPO und nicht § 887 ZPO einschlägig ist. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 2).
2 II. Aus der Entscheidung
OLG sieht schon keinen Vollstreckungstitel
Der Vergleich vom 12.12.2017 dürfte – im Gegensatz zur Ansicht des NachlassG – schon gar kein Vollstreckungstitel i.S.d. § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO sein (BayObLG NJW-RR 1997, 1368). Der Senat teilt die Ansicht des BayObLG, das im Kern von Folgendem ausgeht:
Im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit können die Beteiligten, soweit der Gegenstand der Vereinbarung ihrer Disposition unterliegt, einen Vergleich schließen (§ 36 FamFG). Dies gilt grundsätzlich auch für das Erbscheinsverfahren. Insoweit können sich die Beteiligten verfahrensrechtlich über die Zurücknahme eines Erbscheinsantrags oder eines Rechtsmittels oder auch über einen Rechtsmittelverzicht einigen, materiell-rechtlich allerdings nicht über die Erbenstellung selbst (BayObLGZ 1966, 233 [236]).
Vergleichsoption ist im FGG-Verfahren inhaltlich beschränkt
Dabei können auch Gegenstände mitgeregelt werden, die selbst nicht Verfahrensgegenstand sind, wie z.B. die Zahlung einer Abfindung oder die Auseinandersetzung des Nachlasses. Dies folgt schon daraus, dass auch die Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit im Kern darauf abzielen, Rechtsfrieden unter den Beteiligten zu schaffen. Eine Möglichkeit der Vollstreckung von Vergleichen nach § 36 FamFG unmittelbar nach dem FamFG ist nicht vorgesehen, wie beispielsweise §§ 366, 371 FamFG zeigen, die ihrerseits auf § 795 ZPO verweisen.
Streit um den Vergleich im Erbscheinsverfahren
Ob eine im Erbscheinsverfahren vor dem Nachlassgericht protokollierte Vereinbarung als Vollstreckungstitel i.S.v. § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO anzusehen ist, für den eine Vollstreckungsklausel erteilt werden kann, wird unterschiedlich beurteilt. Der Senat ist wie das BayObLG der Auffassung, dass der von den Beteiligten in einem Erbscheinsverfahren geschlossene Vergleich kein Vollstreckungstitel i.S.v. § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ist. Unmittelbar ist § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO nicht anwendbar, da er nur für die dort genannten Titel der ZPO, nicht aber für Vergleiche nach § 36 FamFG gilt.
Der Senat ist darüber hinaus der Ansicht, dass auch keine entsprechende Anwendbarkeit von § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO in Betracht kommt (so wohl auch MüKo-ZPO/Wolfsteiner, 5. Aufl., § 794 Rn 115; Musielak/Voit/Lackmann, ZPO, 17. Aufl., § 794 Rn 49). § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO geht von Vergleichen aus, die "zur Beilegung des Rechtsstreits seinem ganzen Umfang nach oder in Betreff eines Teiles des Streitgegenstandes" geschlossen werden. Angesichts dieses Wortlautes ging der ZPO-Gesetzgeber mithin davon aus, dass die Verfahrensbeteiligten über den Verfahrensgegenstand im materiellen Sinn verfügen können.
Im Erbscheinsverfahren fehlt es jedoch an einer solchen materiellen Befugnis (BayObLGZ 1997, 217; MüKo-FamFG/Ulrici, 3. Aufl., § 36 Rn 17; Firsching/Graf/Krätzschel, NachlassR, 11. Aufl., § 34 Rn 2). Die beteiligten Erbprätendenten können über die Erbenstellung gerade nicht verfügen, vielmehr können sie regelmäßig nur durch verfahrensrechtliche Handlungen und Erklärungen darauf Einfluss nehmen, ob – und gegebenenfalls mit welchem Inhalt – ein Erbschein erteilt wird (BayObLGZ 1997, 217; Burandt/Rojahn/Gierl, ErbR, 3. Aufl., § 352e Rn 165).
Soweit der gerichtliche Vergleich eine verfahrensrechtliche Verfügung der Beteiligten zum Gegenstand hat, bedarf es eines Vollstreckungstitels aber nicht, da die entsprechenden Erklärungen, die in einem im Nachl...