Kindl/Meller-Hannich/Wolf, Kommentar, 1. Auflage 2010, 2.556 Seiten, 98,00 EUR, ISBN 978-3-8329-3661-7
Nach Schuschke/Walker, Vollstreckung und vorläufiger Rechtsschutz (4. Aufl. 2008, 2269 Seiten, 248,00 EUR aus dem Carl-Heymanns-Verlag) und der für 2011 angekündigten Neuauflage des Kommentars zum Zwangsvollstreckungsrecht von Gottwald aus dem Haufe-Verlag (6. Aufl. 2011, 1486 Seiten, 89,00 EUR) hat sich nun auch der Nomos-Verlag an einen Handkommentar zum Vollstreckungsrecht gewagt. Kindl, Meller-Hannisch und Wolf zeichnen als Herausgeber des von 26 Autoren aus Wissenschaft und Praxis geschriebenen Werkes verantwortlich (1. Aufl. 2010, 2.556 Seiten, 98,00 EUR).
Wie die beiden anderen Kommentare ist die Erstauflage als kompakter einbändiger Kommentar erschienen. Er beschränkt sich nicht nur auf die Kommentierung der Bestimmungen zur Zwangsvollstreckung im 8. Buch der ZPO, sondern kommentiert auch vollstreckungsrechtliche Auszüge aus dem FamFG sowie das AnfG, die EU-Verordnungen zur Einführung des europäischen Vollstreckungstitels, des europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen und über die gerichtlichen Zuständigkeiten und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, das RPflG sowie das GvKostG. Als Arbeitshilfe sind weiterhin die GVGA und de GVO abgedruckt. Abgerundet wird die Kommentierung durch neun Schwerpunktbeiträge, die sich komplexen Fragen widmen.
Hervorzuheben ist die klare Gliederung der Ausführungen innerhalb der jeweiligen Kommentierung, was einen schnellen Überblick und die effiziente Konzentration auf die für den Praktiker gerade wichtige Frage erlaubt. Der Kommentar ist in einer verständlichen, eingängigen und flüssigen Sprache gehalten. Bei längeren Kommentierungen fördert ein vorangestelltes Inhaltsverzeichnis ebenso wie das Stichwortverzeichnis einen schnellen Zugriff auf die interessierenden Fragen. Dass im Stichwortverzeichnis die Nachbesserung als ein wichtiges Hauptstichwort des Offenbarungsverfahrens ebenso wie die Inkassozession fehlt, gehört sicher zu den Kinderkrankheiten eines solchen Erstlingswerkes. Für den Praktiker hilfreich sind in die Kommentierung eingestreute praktische Hinweise, die teilweise auch zwischen Hinweisen für den Gläubiger und solchen für den Schuldner differenzieren. Leider ist diese Rubrik nicht durchgängig zu finden. Gleiches gilt für die nur teilweise vorhandenen Musterformulierungen, mit denen ein Schritt in Richtung der Formularbücher gemacht wird. Dieser Mehrwert kann den Kommentar von seinen Konkurrenten unterscheiden und wird bei künftigen Auflagen sicherlich noch auszubauen und zu vereinheitlichen sein.
Der Kommentar zeigt sich in der Gesetzgebung einerseits bereits sehr aktuell, indem er schon Hinweise auf den erst in diesen Tagen beschlossenen Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Erfolgsbezuges im Gerichtsvollzieherkostenrecht oder auch auf die am 1.1.2013 in Kraft tretende Reform der Sachaufklärung gibt, während andererseits ein Hinweis auf die ab dem 1.7.2011 geltenden höheren Pfändungsfreibeträge fehlt, obwohl sie bereits seit März 2009 absehbar sind. Hier beschränkt sich der Kommentar auf den Hinweis, dass eine Anpassung "in Betracht" kommt (§ 850c Rn 15).
Schon das Vorwort lässt erkennen, dass der Kommentar für den "Standardfall" geschrieben wurde. Streitfragen werden regelmäßig angesprochen, jedoch nicht mit der Tiefe behandelt, dass ohne Rückgriff auf weitergehende Literatur Rechtsmittelverfahren zu bestreiten wären. So ist nicht recht nachvollziehbar, weshalb die Frage im Nachbesserungsverfahren unzulässig sein soll, ob ein 17-jähriges Kind des Schuldners über eigene Einkünfte verfügt, um dann einen Antrag nach § 850c Abs. 4 zu stellen (§ 903 Rn 13). Eine Auseinandersetzung mit der aneinandergereihten Rechtsprechung fehlt, obwohl es sich hier um einen ganz zentralen Bereich der täglichen Vollstreckungspraxis handelt. Dies gilt umso mehr, als es in der Kommentierung – einer anderen Autorin – zu § 850c Abs. 4 ZPO heißt, dass der Schuldner eine Auskunftspflicht nach § 836 Abs. 3 ZPO habe (Rn 24). Wer einen schnellen Überblick sucht, findet sich allerdings gut zurecht, ohne sich zunächst durch eine Vielzahl von Detaildarstellungen lesen zu müssen.
Leider nur rudimentär wird der Umstand behandelt, dass die registrierten Inkassounternehmen mit der Reform des Rechtsberatungsrechtes nicht nur die Möglichkeit haben, das gerichtliche Mahnverfahren durchzuführen, sondern § 79 Abs. 2 Nr. 4 ZPO ihnen auch die gesamte Mobiliarzwangsvollstreckung mit Ausnahme der streitigen Verfahren eröffnet. Die Darstellung der Inkassokosten ist teilweise veraltet und berücksichtigt die sich durch das RDG und die Einführung von § 79 Abs. 2 Nr. 4 ZPO und § 174 Abs. 1 InsO ergebenden gesetzlichen Korrekturen an den bisherigen Ergebnissen der Rechtsprechung – bei Anwendung gleicher Grundsätze – nicht.
Ein Werk solchen Umfangs kann nicht ohne Kinderkrankheiten sein. Insgesamt lässt sich feststellen, dass der Kommentar insbesonder...