LG sieht Antrag als begründet an
Die sofortige Beschwerde ist statthaft und zulässig. Sie hat in der Sache Erfolg. Der von dem Vollstreckungsgericht zurückgewiesene Antrag der Gläubigerin anzuordnen, das Kind der Schuldnerin bei der Berechnung des unpfändbaren Teils des Arbeitseinkommens zur Hälfte unberücksichtigt zu lassen, ist berechtigt. Die Voraussetzungen des § 850c Abs. 4 ZPO liegen vor.
Voraussetzungen der Nichtberücksichtigung
Nach § 850c Abs. 4 ZPO kann das Vollstreckungsgericht auf Antrag des Gläubigers nach billigem Ermessen bestimmen, dass eine unterhaltsberechtigte Person mit eigenen Einkünften bei der Berechnung des unpfändbaren Teils des Arbeitseinkommens des Schuldners ganz oder teilweise unberücksichtigt bleibt. Bei der Ermessensentscheidung hat das Gericht seine Entscheidung unter Abwägung der wirtschaftlichen Lage des Gläubigers und des Schuldners sowie der von ihm unterhaltenen Angehörigen zu treffen. Dabei können Pfändungsfreibeträge und Unterhaltstabellen Anhaltspunkte für die Ausübung des Ermessens geben. Eine einseitige Orientierung an bestimmten Berechnungsmodellen scheidet jedoch aus, weil sie dem Sinn des § 850c Abs. 4 ZPO widerspräche (BGH Rpfleger 2005, 371; BGH Rpfleger 2005, 201).
Unterhaltsanspruch als eigene Einkünfte
Das Kind der Schuldnerin hat eigene Einkünfte im Sinne des § 850c Abs. 4 ZPO, da ihm gegen den Kindsvater ein eigener Unterhaltsanspruch zusteht. Das Beschwerdegericht geht davon aus, dass das Kind in dem gemeinsamen Haushalt der Schuldnerin und ihres Ehemannes lebt. Beide Elternteile erfüllen ihre Unterhaltspflichten folglich "in natura".
Nach herrschender Auffassung in Rechtsprechung und Literatur sind gesetzliche Unterhaltsansprüche, die dadurch erfüllt werden, dass dem Unterhaltsberechtigten durch den Unterhaltsverpflichteten Naturalunterhalt gewährt wird, "eigene Einkünfte" des Unterhaltsberechtigten (vgl. BGH, Beschl. v. 16.4.2015 – IX ZB 41/14, juris; LG Leipzig, Beschl. v. 11.2.2015 – 7 T 841/14, juris; AG Ulm JurBüro 2003, 216; LG Ansbach JurBüro 2010, 50; Herget, in: Zöller, ZPO, 32. Aufl., § 850c Rn 12; Stöber, Forderungspfändung, 15. Aufl., Rn 1060; a. A. LG Bayreuth MDR 1994, 621).
Pfändbarkeit des Einkommens des Unterhaltspflichtigen ist unerheblich
Entgegen der Auffassung des Vollstreckungsgerichts kann der Beitrag des Kindsvaters zum Familienunterhalt selbst dann als eigenes Einkommen des unterhaltsberechtigten Kindes im Sinne des § 850c Abs. 4 ZPO angesehen werden, wenn die Einkommen beider Elternteile im nahezu pfändungsfreien Bereich liegen. Denn für die Einordnung, ob es sich um "eigene Einkünfte" im Sinne des § 850c Abs. 4 ZPO handelt, ist zunächst nicht maßgeblich, wie hoch das Einkommen der unterhaltsverpflichteten Personen ist. Zudem übersieht das Vollstreckungsgericht, dass der Grundfreibetrag des § 850c Abs. 1 ZPO regelmäßig dazu dient, zu einem erheblichen Teil die Wohnungsmiete und andere Grundkosten des Haushalts abzudecken und sich diese Kosten bei mehreren Personen nicht proportional zur Personenzahl erhöhen (so auch: LG Ellwangen Rpfleger 2006, 88).
Eltern haben geteilte Unterhaltspflicht
Zu prüfen ist aber, ob die eigenen Einkünfte des Unterhaltsberechtigten dazu führen, dass dem Schuldner insoweit kein eigenes Einkommen verbleiben muss, weil der Bedarf des Unterhaltsberechtigten anderweitig gedeckt ist (BGH, Beschl. v. 7.5.2009 – IX ZB 211/08, juris).
Da die Einkommen der Schuldnerin und ihres Ehemannes annähernd gleich hoch sind, sind diese dem Kind auch in annähernd gleichem Maße unterhaltspflichtig (vgl. § 1606 Abs. 3 BGB). Im vorliegenden Vollstreckungsverfahren ist daher davon auszugehen, dass der Unterhaltsbedarf des Kindes etwa zur Hälfte durch die Unterhaltsleistungen des Ehemannes der Schuldnerin sichergestellt wird mit der Folge, dass das Kind bei der Berechnung des unpfändbaren Teils des Einkommens des Schuldners nur teilweise zu berücksichtigen ist.
Hälftige Nichtberücksichtigung ist angemessen
Auch erscheint die von der Gläubigerin begehrte hälftige Nichtberücksichtigung des unterhaltsberechtigten Kindes bei der Berechnung des unpfändbaren Teils des Arbeitseinkommens noch angemessen. Denn in die Ermessensentscheidung ist einzustellen, dass ein vom Schuldner abhängiger unterhaltsberechtigter Angehöriger gewisse Abstriche in seiner Lebensführung hinnehmen muss, wenn Schulden zu tilgen sind (BGH NJW-RR 2005, 1239, 1240; Stöber, Forderungspfändung, 15. Aufl., Rn 1062).
Eine Gefährdung des Kindesunterhalts durch eine Anordnung nach § 850c Abs. 4 ZPO kann das Beschwerdegericht bei zusammenlebenden Elternteilen mit Einkommen in Höhe von je ca. 1.560 EUR netto nicht erkennen.
Kein Pfändungsschutz über den Wortlaut der Norm hinaus
Das Beschwerdegericht vermag der Auffassung des Vollstreckungsgerichts nicht zu folgen, soweit es ausführt, die Unterhaltsleistung des anderen Elternteils könne eine Anordnung nach § 850c Abs. 4 ZPO nur dann rechtfertigen, wenn diese Unterhaltsleistung tatsächlich so hoch sei, dass davon der individuelle Lebensbe...