Die Ersatzzustellung nach § 178 Abs. 1 Nr. 2 ZPO erfordert nicht, dass der im Betrieb des Zustellungsadressaten beschäftigten Person dort eine leitende Funktion zukommt.
Ein Messestand gilt als Geschäftslokal im Sinne des § 178 ZPO.
OLG Köln, 13.8.2009 – 17 W 181/09
Der Praxistipp
Zustellung mit Auslandsberührung in mobiler Gesellschaft
Die Gesellschaft wird immer mobiler. Dies hat im Vollstreckungsrecht zur Folge, dass deutsche Titel im Ausland oder ausländische Titel in Deutschland vollstreckt werden müssen, aber auch, dass in beiden Fällen vermehrt ausländische natürliche oder juristische Personen beteiligt sind. Dabei kommen erste Schwierigkeiten auf den Gläubiger schon dann zu, wenn er die vollstreckbare Entscheidung zunächst einmal zustellen will, um überhaupt die Vollstreckungsvoraussetzungen nach § 750 ZPO zu schaffen.
Messebeteiligung: Auslandgesellschaft ist im Inland anzutreffen
Genau diesen Fall betrifft die Entscheidung des OLG Köln. Die Gläubigerin hatte mit einer ausländischen Gesellschaft zu tun. Nachdem sie einen Titel erwirkt hatte, hatte sie eine bis dahin erfolglose Auslandzustellung versucht, dann aber in Erfahrung gebracht, dass die Gesellschaft auf einer Messe in Deutschland vertreten sein würde. Hier wurde der Vollstreckungstitel nun einer am Messestand tätigen Mitarbeiterin im Wege der Ersatzzustellung übergeben.
Parallele Auslands- und Inlandsvollstreckung ist möglich
Das OLG Köln hat die Zustellung – zu Recht – als wirksam angesehen. Zunächst sei es nicht zu beanstanden, dass die Zustellung neben der veranlassten, aber noch nicht erfolgreich beendeten Auslandszustellung auch im Inland versucht wurde. Doppelt genäht kann also durchaus besser halten. Gerade im B2B-Geschäft kann es bei Auslandsgesellschaften gelingen, konkrete Inlandstermine wie die Vornahme einer Werk- oder Dienstleistung oder eben auch die Teilnahme an einer Veranstaltung, wie im Fall des OLG Köln einer Messe, in Erfahrung zu bringen. Bei Messen können die Teilnahmelisten im Internet durchsucht werden, Veranstaltungskalender oder gar der eigene Internetauftritt der Schuldnerin können sich als Helfer erweisen.
Voraussetzungen der Ersatzzustellung lagen vor
Da es sich um eine Gesellschaft handelte, d.h. eine ausländische juristische Person, war die Zustellung grundsätzlich gegenüber dem gesetzlichen Vertreter zu bewirken, §§ 170, 177 ZPO. Zugleich war aber auch der Weg der Ersatzzustellung eröffnet, wenn der gesetzliche Vertreter im „Geschäftsraum“ nicht angetroffen wird. Dass ein Messestand als Geschäftslokal gilt, hatte der BGH schon 2008 entschieden (BGH NJW 2008, 1082). Welche Stellung der dort angetroffene Mitarbeiter hat, bleibt für die Zustellung ohne Bedeutung. Insbesondere erfordert § 178 ZPO nicht, dass es sich um einen leitenden Mitarbeiter handelt. Die Entscheidung greift damit über den konkreten Einzelfall der Auslandsberührung hinaus. Auch bei Inlandsgesellschaften, die am eingetragenen Sitz kaum erreichbar sind, kommt eine Zustellung – und Vollstreckung – an einem Messestand in Betracht.