Leitsatz
Erfolgt durch den Gläubiger eine rechtzeitige Auftragsrücknahme per Telefax, so stellt es eine unrichtige Sachbehandlung dar, wenn der Gerichtsvollzieher von ihm bestellte Arbeitshilfen nicht abbestellt und hierdurch unnötige Kosten entstehen.
AG Schöneberg, Beschl. v. 17.5.2018 – 30 M 182/18
1 I. Der Fall
Die erledigte Sperrung
Die Gläubigerin erteilte der Gerichtsvollzieherin (GV) unter dem 6.6.2017 Vollstreckungsauftrag zur Zutrittsermöglichung und Sperrung des Stromzählers des Schuldners. Mit Schreiben vom 30.6.2017 teilte die GV der Gläubigerin den Vollstreckungstermin am 15.8.2017 mit. Der Briefkopf dieses Schreibens enthielt die Kontaktdaten der Gerichtsvollzieherin, unter anderem auch eine Fax-Nummer. Mit Telefax vom 5.7.2017, gerichtet an eben diese Faxnummer, nahm die Gläubigerin den Vollstreckungsauftrag zurück.
GV vollstreckt trotz Auftragsrücknahme
In Unkenntnis der Antragsrücknahme begab sich die Gerichtsvollzieherin mit einem Schlosser und einem Zeugen am 15.8.2017 zu dem Schuldner, um den Vollstreckungsauftrag auszuführen. Durch einen Anruf bei der Gläubigerin erhielt die GV Kenntnis von der Antragsrücknahme. Ihre Tätigkeit rechnete die Gerichtsvollzieherin mit Kostenrechnung vom 16.8.2017 wie folgt ab:
Nicht erledigte Amtshandlung |
KV 604 |
15,00 EUR |
Wegegeld |
KV 711 |
3,25 EUR |
Bereitstellung Schlosser |
KV 707 |
85,80 EUR |
Bereitstellung Zeuge |
KV 707 |
7,50 EUR |
Auslagenpauschale |
KV 716 |
3,00 EUR |
Summe |
|
114,55 EUR |
GV beruft sich auf ein nicht funktionierendes Fax
Gegen diese Kostenrechnung wendet sich die Gläubigerin mit der Erinnerung. Sie begehrt die Absetzung der Bereitstellungskosten für den Schlosser und den Zeugen. Im Rahmen des Erinnerungsverfahrens erklärte die GV, dass sie erst durch die Mitteilung der Gläubigerin erfahren habe, dass ihr Fax nicht funktionierte. Ein Fax von der Gläubigerin habe sie nicht erhalten. Ferner erhalte sie nach einem Fax üblicherweise noch eine schriftliche Mitteilung, was hier nicht erfolgt sei.
2 II. Die Entscheidung
AG sieht falsche Sachbehandlung
Die Erinnerung der Gläubigerin gegen die im Tenor genannte Kostenrechnung der Gerichtsvollzieherin ist gem. § 766 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 5 GvKostG zulässig und in der Sache auch begründet. Es liegt eine unrichtige Sachbehandlung im Sinne des § 7 Abs. 1 GvKostG vor, so dass die im Tenor genannten Auslagen nicht zu erheben sind.
GV ist für eine funktionierende Empfangseinrichtung verantwortlich
Die Gläubigerin hat den von ihr am 6.6.2017 erteilten Vollstreckungsauftrag mit Fax vom 5.7.2017 rechtzeitig vor Durchführung des Vollstreckungsauftrages am 15.8.2017 zurückgenommen. Aufgrund der Antragsrücknahme hätte sich die Gerichtsvollzieherin nicht zum Schuldner begeben müssen und es wären keine Auslagen für Dritte entstanden. Soweit die Gerichtsvollzieherin einwendet, sie habe die Rücknahme des Auftrages – die unstreitig lediglich per Fax erfolgte – "nicht erhalten", steht dies einer unrichtigen Sachbehandlung nicht entgegen. Im Lichte der Rechtsprechung des BGH (19.2.2014 – IV ZR 163/13) ist davon auszugehen, dass die GV die Antragsrücknahme erhalten hat, da die Antragsrücknahme erfolgreich an das von ihr vorgehaltene Faxgerät versandt wurde. Dies ergibt sich aus dem von der Gläubigerin eingereichten Sendeprotokoll, in dem Sende- und Empfangszeit, Empfangsstatus sowie Inhalt des Faxes dokumentiert ist. Das Fax ist damit in den Empfangsbereich der GV gelangt. Dass dies nicht der Fall gewesen sein soll, ergibt sich aus den Einlassungen der GV nicht. Soweit die GV tatsächlich keine Kenntnis von der Auftragsrücknahme erhalten hat, weil das von ihr vorgehaltene Faxgerät das Fax der Gläubigerin nicht angezeigt oder ausgedruckt hat, liegt dies ausschließlich in der Sphäre der Gerichtsvollzieherin.
GV hat Kommunikationsmöglichkeit eröffnet
Entscheidend ist, dass die GV der Gläubigerin in ihren Schreiben eine Fax-Nummer mitgeteilt hat, derer sich die Gläubigerin bedient hat. Die GV hat damit Sorge dafür zu tragen, dass unter diesem Anschluss auch tatsächlich Faxe in Empfang genommen werden können und sie hiervon Kenntnis erhält (vgl. auch AG Hannover, 27.11.2007 – 759 M 97683/07). Sie haftet für die Ordnungsgemäßheit und Funktionsfähigkeit dieses Anschlusses.
Kein Schriftformerfordernis
Einer unrichtigen Sachbehandlung steht auch nicht entgegen, dass der GV die Auftragsrücknahme lediglich per Fax und nicht auch schriftlich übermittelt wurde. Auftragsrücknahmen sind formlos möglich. Die Übermittlung von (gerichtlichen/prozessualen) Erklärungen ausschließlich auf dem Telekommunikationswege (d.h. per Fax) ist sowohl gesetzlich vorgesehen (vgl. §§ 127, 126b BGB) als auch obergerichtlich anerkannt (vgl. BGH NJW 2000, 2340).
3 Der Praxistipp
Und wenn die Vollstreckung dauert und dauert …
Die im Sachverhalt genannten Fristen sind schon erstaunlich. Die GV hat drei Wochen gebraucht, um dem Schuldner einen Termin zur Ermöglichung des zwangsweisen Zutritts mitzuteilen, der dann noch einmal sechs Wochen später lag. Als effektiver Rechtsschutz im Sinne des Art. 19 Abs. 4 GG kann dies kaum mehr angesehen werden, wenn d...